Gegen die ökologische Vernunft

Holger Döpke versteht die Welt nicht mehr. Es ist weniger die Ausweitung der Lkw-Maut auf alle Bundestraßen zum 1. Juli 2018 oder die Erhöhung der Lkw-Maut insgesamt zum 1. Januar 2019, die den Inhaber und Geschäftsführer der Spedition Döpke Logistik in Rage bringen. Es ist der Wegfall des Mautvorteils für vier-achsige Lkw-Kombinationen, die bei ihm Kopfschütteln hervorrufen. "Das ist eine Entscheidung gegen die ökologische Vernunft", sagt der Unternehmer. Mautvorteil von 1,8 Cent gestrichen Laut dem Entwurf des fünften Bundesfernstraßenmautgesetzes, das bereits vom Bundeskabinett durchgewinkt wurde, wird für Vierachs-Züge ab dem 1. Januar 2019 die gleiche Maut fällig wie für Fünfachs-Züge. Derzeit gibt es je nach Achszahl unterschiedliche Mautsätze: 11,7 Cent pro Kilometer für Lkw mit vier Achsen, 13,5 Cent für Lkw mit fünf Achsen (jeweils Euro-6-Lkw). Diese Unterscheidung hatte man gemacht, weil die Achslast der schweren Fünfachs-Kombinationen höher ist als die von Vierachsern. Doch nicht zuletzt aufgrund des Drucks der Verbände hat die Politik die Unterscheidung zwischen Vier- und Fünfachser aufgehoben. So hatte der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung BGL das neue Wegekostengutachten noch mit den Worten kommentiert: "Es wurde endlich die Kritik des BGL an den bisherigen Mautsätzen - bei denen ein vierachsiger 38-Tonner weniger Maut zahlt als ein fünfachsiger 40-Tonner, obwohl er die Straßen mit seiner höheren Achslast stärker belastet - berücksichtigt." Die Maut als Zünglein an der Waage Entscheidend für die Beanspruchung der Straßen durch die Lkw ist die Achslast. Bei einem Fünfachser mit 40 Tonnen beträgt die Last pro Achse acht Tonnen. Bei einem Vierachser mit maximal möglichen 38 Tonnen sind es 9,5 Tonnen. "Aber das ist nicht die Realität", widerspricht Döpke. Fast 160 Auflieger zählt sein Fuhrpark, davon sind gut ein Drittel Zweiachser. "Wir fahren viel für die Automobilindustrie. Dort beträgt das Maximum beim Ladungsgewicht zwischen 13 und 15 Tonnen. Über 28 bis 30 Tonnen Gesamtgewicht kommen wir eigentlich nie", sagt Döpke. Bei einem Vierachser spart er Gewicht ein: "Eine weitere Achse wiegt etwa 1,5 Tonnen, die wir nicht mitschleppen müssen", sagt Döpke. Das entspricht immerhin dem durchschnittlichen Gewicht eines Pkw. Damit verbunden sind ein geringerer Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß. "Zudem lassen sich die Vierachser nicht so gut verkaufen, weil viele Unternehmen mit einem Fünfachser flexibler sind", sagt Döpke. Nach seiner Ansicht war der Vorteil der Vierachser bei der Maut "das Zünglein an der Waage, um trotzdem zweiachsige Auflieger zu kaufen". Jetzt sei dieser Vorteil hin, sodass auch der Wiederverkaufswert sinken werde. "Im Ausland werden fast ausschließlich Dreiachs-Auflieger eingesetzt. Und warum sollen sich Unternehmen jetzt noch einen Zweiachs-Anhänger zulegen, wenn sie damit nicht wie bei einem Dreiachser die Möglichkeit haben, bis zu 40 Tonnen zu laden", befürchtet Döpke. Er vertritt die Ansicht, dass das Segment der leichten und mittelschweren Ladungen unterschätzt wird. "Das ist so groß wie der Schwerladungsmarkt", sagt Döpke. Das sei bei Abschaffung der Mautklasse für vierachsige Kombinationen "völlig außer Acht gelassen worden". Döpke steht mit dieser Auffassung nicht allein da. Kai Ihro, Geschäftsführer und Inhaber der Spedition Hans Ihro in Neuenstein, ist mit dieser Entscheidung der Politik ganz und gar nicht einverstanden. "Mit der fünften Achse gehen ein höheres Gewicht einher, ein höherer Kraftstoffverbrauch und ein höherer Reifenverschleiß", zählt der Unternehmer Nachteile auf. Die Straßenbelastung sei höher zum Beispiel bei Kurvenfahrten, der Reifenabrieb auch. Daher sind etwa ein Drittel des 210 Einheiten umfassenden Fuhrparks zweiachsige Sattelauflieger. "Wir sind viel im Volumentransport für die Baustoffindustrie tätig. Da spielt die Nutzlast so gut wie keine Rolle", sagt Ihro. Dass die Vierachser immer voll ausgelastet seien, sei eine falsche Annahme und entspräche nicht der Praxis: "Wir haben zum Teil sogar Einachs-Auflieger im Einsatz, weil die Güter so leicht sind, die wir befördern." Auch Ihro befürchtet mit der neuen Mautstruktur einen Werteverlust für seine Zweiachs-Auflieger. "Wir haben erst vor Kurzem den Kauf von 20 Zweiachs-Auflieger in Auftrag gegeben. Hätten wir vorher gewusst, dass der Mautvorteil schwindet, hätten wir keine Zweiachser bestellt", sagt Ihro. Er beklagt eine fehlende Verlässlichkeit in der Politik, weil diese kurzfristig Entscheidungen treffe, mit denen den Unternehmen eine langfristige Investitionsplanung unmöglich gemacht werde. Werteverlust bei Zweiachs-Auflieger "Die neue Regelung führt zu einer schleichenden Entwertung der Zwei-achs-Anhänger", beklagt auch Hans Ach, Geschäftsführer und Inhaber der Niedermaier Spedition in Landau. Zum Fuhrpark des Unternehmens gehören etwa 100 Auflieger, davon 36 mit zwei Achsen. "Wir nutzen die Einheiten vor allem für Kunden in der Automobilindustrie sowie für den Transport von Hygieneartikeln", sagt Ach. Das durchschnittliche Gewicht für diese Kunden beträgt 10 bis 15 Tonnen. Den bisherigen Mautvorteil der Vierachser gegenüber den Fünfachsern in Höhe von 1,8 Cent pro Kilometer sieht er nicht als entscheidend an. "Der Dreiachs-Auflieger wird sich mit dieser neuen Regelung am Markt durchsetzen, weshalb die gebrauchten Zweiachs-Auflieger an Wert verlieren werden", sagt der Unternehmer. Das ist laut Ach "nicht sinnvoll, weil wir damit auch mehr Diesel verbrauchen. Das wirkt sich am Ende auch negativ in der Ökobilanz aus." Mit der bisherigen Regelung hat Ach pro Auflieger 180 Euro Maut pro Monat gespart. Dieser Vorteil fällt nun weg. Ach schließt zwar nicht aus, dass er weiterhin Zweiachs-Anhänger einsetzen wird: "Das hängt vom Einsatzzweck ab, da der Vorteil des geringeren Kraftstoffverbrauchs bestehen bleibt. Aber wir werden das nochmals genau kalkulieren müssen." Der Spediteur zeigt kein Verständnis für die Entscheidung der Politik: "Diese neue Struktur bei der Mauterhebung ist ohne Not beschlossen worden", sagt Ach, der auch Präsident des Landesverbandes Bayerischer Transport- und Logistikunternehmen (LBT) ist. Dass der BGL, der Bundesverband des LBT, die Abschaffung des Mautvorteils sogar gefordert hatte, "damit war ich nicht einverstanden", sagt Ach. Denn das Argument, Vierachser würden die Straßen stärker beschädigen, stimme nicht. "In den meisten Fällen wird die Gewichtsobergrenze bei den Vierachsern nicht erreicht. Die Fahrzeuge werden für den Transport leichterer Güter eingesetzt, und somit ist die Straßenbelastung geringer", sagt Ach. Döpke weist darauf hin, dass die Automobil- und Verpackungsindustrie längst nicht die einzige Branche ist, in der Zweiachs-Auflieger zum Einsatz kommen. Auch im Stückgut würden diese Einheiten genutzt oder im Möbeltransport (siehe dazu auch Kasten Seite 22). Betroffen seien auch die Transportunternehmen, die für die Baubranche fahren. "Ein vierachsiger Bau-Lkw mit maximal 32 Tonnen Gesamtgewicht zahlt jetzt die gleiche Maut wie ein fünfachsiger Bau-Lkw", sagt Döpke. Damit gäbe es kaum noch einen Anreiz, Vierachs-Lkw einzusetzen. Ein Fünkchen Hoffnung besteht noch Doch noch ist eine endgültige Entscheidung nicht gefallen. Denn bislang hat das Kabinett nur einen Entwurf des Bundesfernstraßenmautgesetzes verabschiedet, und das Parlament muss diesen Vorschlag noch annehmen. Gibt es also noch Chancen, dass Vierachs-Kombinationen den Vorteil behalten? "Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, aber realistisch gesehen sind die Chancen sehr gering", sagt Ach. Denn die Politik berufe sich auf das Wegekostengutachten der Wissenschaftler. Daher hält er ein Zurückrudern für wenig wahrscheinlich. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Maut www.verkehrsrundschau.de/dossiers BWVL fordert Mautnachlass für saubere Lkw Maut führt bei Nobilia zu einer hohen, sechsstelligen Belastung "Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind jedoch nicht zu erwarten."Ob diesen Satz tatsächlich alle Unternehmen in Deutschland so unterschreiben würden? So ist er nachzulesen im Entwurf zum fünften Gesetz zur Änderung des Bundesfernstraßenmautgesetzes, das die Bundesregierung vorgelegt hat. Bei dem Möbelhersteller Nobilia jedenfalls sieht man die Lage nicht so gelassen."Wir sind noch dabei, zu rechnen, aber in Summe werden die Mautveränderungen bei uns zu einer Kostenbelastung nur für unseren Fuhrpark in Höhe eines deutlich höheren sechsstelligen Betrages führen", sagt Klaus Hartmann, Versand- und Fuhrparkleiter beim Möbelhersteller Nobilia.Das Unternehmen verfügt selbst über etwa 180 Zugmaschinen und setzt zudem auch viele Spediteure ein. Da Möbel leicht sind, hat Nobilia fast ausschließlich Einachs-Auflieger im Fuhrpark und daher nicht das Problem mit den Vierachs-Zügen, da die Maut für Dreiachs-Züge etwas niedriger ausfällt. Dennoch, auch für Nobilia wird es erheblich teurer."Betrachtet man nur den Mautsatz, beträgt die Steigerung 53 Prozent", hat Hartmann ausgerechnet. Und wer trägt diese Kosten?"Unseren Spediteuren zahlen wir die Maut, natürlich", sagt Hartmann und fügt hinzu: "Sonst haben wir bald keine Spediteure mehr." Wobei die Details noch nicht geklärt sind, ob zum Beispiel auch die für Euro-5-Lkw fällige Maut gezahlt wird oder nur die für Euro-6:"Da sind befristete Übergänge vorstellbar", so Hartmann.Mit einem so starken Anstieg der Maut hat er jedenfalls nicht gerechnet. Aber die Alternativen sind dünn gesät."Zu Elektro-Antrieben schielen wir schon mal hin. Aber das ist eine Technik, die für uns zumindest derzeit nicht infrage kommt", sagt Hartmann, der auch dem Vorstand des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) angehört.Der hatte sowohl das Prozedere der Anhörung der Verbände wie auch die Mauterhöhung an sich kritisiert."Mittlerweile gab es Gespräche mit dem Ministerium", sagt Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Verbandes. Zum Teil seien die Begründungen des Ministeriums "einsichtig" gewesen. Allerdings bezeichnet er die Anhebung der Mautsätze in dieser Dimension weiterhin als zu hoch:"Das wird unter anderem mit dem Zinssatz für die kalkulatorischen Zinskosten begründet, über den aber schon seit Langem kontrovers diskutiert wird." Die Mautkosten sieht er als "normale Kostenkomponenten" an, über die die Verlader mit den Spediteuren verhandeln müssten. Letztlich geht er aber davon aus, dass diese Kosten an die Verbraucher weitergeleitet werden, nicht zuletzt aufgrund der hohen Nachfrage."Aber die drei Milliarden Euro werden spürbar sein", ist seine Einschätzung. Damit widerspricht er der These der Bundesregierung.Noch handelt es sich bei dem Gesetz um einen Entwurf. Deshalb hegt Labrot auch die Hoffnung, dass es womöglich Erleichterungen für saubere Lkw abseits des Elektro-Lkw gibt. Hier setzt er auf den Einfluss des Parlaments, das dem Entwurf noch zustimmen muss. cd

Elektromobilität: Hamburg will Ladepunkte auf 10.000 erhöhen

Bürokratieentlastung: Bundesrat stimmt neuer Verordnung zu

Automobilzulieferer: Bosch will weitere Stellen streichen

A7 wird zeitweise gesperrt

Schwerpunktkontrollen: Viele Verstöße von Lkw und Bussen

Alle Schlagzeilen

Gegen die ökologische Vernunft

HASHTAG

#Schwere Lkw

Der Greif unter den Stadtflitzern

EU-Kommission schlägt CO2-Grenzwerte für Lkw vor

Umweltexperte: Lkw umweltfreundlicher als Pkw

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Duvenbeck übernimmt Sander Logistics

Who is Who Logistik: Themen und Trends für 2025

STELLENANGEBOTE

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Area HR Business Partner

WEITERLESEN

NEWSLETTER