Gefragte

Jenseits der etablierten Metropolen arbeiten viele Standorte an ihrem LogistikprofilGefragte SpezialistenOb Mega-Hub im Hafen-Hinterland oder Verkehrsknoten im Süden. Die heimlichen Gewinner unter den Logistikregionen punkten als Nischenanbieter. Teil 1 der neuen VerkehrsRundschau-Serie. Hamburg, Bremen, Nordrhein-Westfalen, München und das Rhein-Main-Gebiet – das sind die Top Fünf unter den Logistikstandorten, die in Rankings regelmäßig genannt werden. Dass sie nicht automatisch die erste Wahl für Logistikansiedlungen sein müssen, zeigt eine aktuelle Studie der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Technologien der Logistik-Dienstleistungswirtschaft (ATL) in Nürnberg. Der Blick lohnt auf jene Standorte, die zwar nicht zu den „Big 5“ gehören, aber mit ihrem speziellen Profil bestimmte logistische Anforderungen hervorragend erfüllen – und das bei moderaten Grundstückspreisen oder attraktiven Förderbedingungen. Doch längst nicht alle Regionen haben schon das Potenzial der Logistik für ihre Region erkannt. Vor allem an der Vermarktung hapert es vielerorts. Logistik-initiativen wie in Hamburg oder Niedersachsen finden sich längst nicht überall. Teilweise herrscht ein Kompetenz-Wirrwarr zwischen Wirtschaftsförderungsgesellschaften, Industrie- und Handelskammern und logistischen Netzwerken. Dabei wäre das für die unentdeckten Regionen der erste Schritt, um ansiedlungswillige Unternehmen über freie Flächen und Fördermöglichkeiten zu informieren und die Region in den Medien und auf Messen bekannter zu machen. Vor allem bei den Fördermaßnahmen halten sich die Verantwortlichen unnötig bedeckt. Sicher ist nur, wer viele Arbeitsplätze in die jeweilige Region bringt, ist in einer starken Verhandlungsposition, was günstige Flächen und andere Ansiedlungshilfen angeht. Kleineren Unternehmen bleibt oft nur, sich durch den Wust an regionalen, landesweiten und europäischen Fördermaßnahmen zu kämpfen. Hannover – Knoten im HinterlandDie Region rund um Hannover ist einer der Stars unter den unentdeckten Logistikmetropolen. Allein in den letzten zwei Jahren wurden über 440 Millionen Euro an Logistikinvestitionen getätigt und 3000 neue Arbeitsplätze geschaffen. Punkten will Hannover in den kommenden Jahren als Stützpunkt für den Hinterlandverkehr der Seehäfen Bremen und Hamburg, wo der Platz begrenzt ist. Wenn ab 2012 zusätzlich der neue Jade-Weser-Port arbeitet, werden Umschlagplätze im Hinterland, von denen sich die Container schnell weitertransportierten lassen, weiter an Bedeutung zunehmen. Dafür baut Hannover vor. In Lehrte, etwa 20 Kilometer vor den Toren der Landeshauptstadt, entsteht im Güterverkehrszentrum (GVZ) bis 2013 eine Mega-Hub-Anlage. Container werden künftig von einem Zug auf den anderen, aber auch im Kombinierten Verkehr vom Lastwagen auf die Schiene und umgekehrt gehievt.Als Schwächen des Standorts sieht die Fraunhofer-Studie in erster Linie die Engpässe in der Infrastruktur. Die Autobahnen rund um Hannover sind stauanfällig. Das größte Problem: Es fehlt an Gewerbeflächen. Im vergangenen Jahr erreichten die Logistikvermietungen mit 190.000 Quadratmetern Hallenfläche ein Rekordniveau. Ende vergangenen Jahres waren alle großen Flächen, etwa im Airport Business Park oder im GVZ Lehrte bereits vermarktet. So siedelten sich den letzten zwei Jahren zum Beispiel in Barsinghausen unter anderem der Einzelhändler Kaufland mit seinem norddeutschen Logistikzentrum und die Deutschlandzentrale von Lyreco an. Die Ausweisung neuer Flächen bleibt daher die zentrale Aufgabe. Dazu hapert es allerdings noch an der Zusammenarbeit mit den umliegenden Gemeinden. Interessenten müssen bisher vielfach von Ort zu Ort fahren, um Flächen zu erfragen. Um das zu ändern, wird derzeit von der Wirtschaftsförderung und der Regionalplanung der Region Hannover ein gemeinsames Logistikflächenkonzept entwickelt.In der Mitte von DeutschlandEtablierte Logistikknoten wie Kassel und Bad Hersfeld werben schon lange mit ihrer zentralen Lage im Herzen der Republik. Newcomer Göttingen liegt davon nicht weit entfernt und es greift die etablierten Autobahnknotenpunkte an. Vier Gemeinden und die Logistikmarktführer der Region haben sich zur Interessengemeinschaft Logistics Area Göttingen Europe (IG Lage) zusammengeschlossen. Diese vermarktet Flächen im GVZ Göttingen und den angrenzenden Kommunen Rosdorf, Nörten-Hardenberg, Boveden und Friedland. Neben dem Ausbau des bestehenden GVZ ist ein zweiter Logistikstandort im Südwesten der Stadt in Planung. Mit dem Gewerbegebiet Siekanger wächst das Angebot an Logistikflächen weiter. Die Preise sind, verglichen mit anderen Logistikstandorten, günstig.Seit einigen Jahren gibt es mit dem Logistik- und Mobilitätscluster Göttingen/ Südniedersachsen (L.M.C) eine eigene Logistikinitiative, deren vordringlichste Aufgabe es sein muss, Göttingen als Logistikregion bekannt zu machen. Das werde seit einigen Jahren aktiv betrieben, erklärt Klaus Rüffel von der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen (siehe Interview). Die Ausgangslage ist so schlecht nicht. Mit den letzten Lückenschlüssen der A 38 und der direkten Anbindung an die A 7 ist der Ausbau zum Verkehrsknotenpunkt im kommenden Jahr beinahe perfekt. Damit dürfte sich Göttingen als dritter Knoten in der Mitte Deutschlands für Verteilerverkehre bald etablieren. Von hier aus ist jeder Ort Deutschlands innerhalb der vorgeschriebenen Lenkzeiten erreichbar. Kein Wunder, dass die Logistik in Hessen zu den wichtigsten Branchen gehört. Allein im „klassischen“ Bereich der Speditionen gibt es rund 1300 Unternehmen, die etwa 19.000 Mitarbeiter beschäftigen. ➞Laut Fraunhofer-Studie könnte das GVZ in Göttingen eine Alternative zum Kasseler Zentrum werden. Zumal dort die Flächen langsam knapp werden. 2007 wurde das Logistikzentrum mit einer Logistikhalle von rund 9200 qm Grundfläche und entsprechenden Verkehrs- und Lagerflächen in Betrieb genommen. Mit einer Anlage für den Kombinierten Verkehr will sich auch Göttingen als Anlaufstelle im Hinterland für Hamburg, Bremerhaven, Wilhelmshaven, Rotterdam und Antwerpen etablieren.Thüringen auf AufholjagdDie Göttinger Konkurrenz liegt nur knapp 140 Kilometer weiter östlich. Im thüringischen Erfurt geht die Landesentwicklungsgesellschaft ebenfalls mit dem Argument „Mitte Deutschland“ auf die Suche nach Investoren. Alexander Nehm, Projektleiter der Fraunhofer Arbeitsgruppe für Technologien der Logistik-Dienstleistungswirtschaft (ATL), ist sich sicher, dass die Region in ein bis zwei Jahren zu den wichtigsten deutschen Standorten aufschließen kann. Dazu trägt auch der Ausbau der Autobahnen bei. Die A 71/73 verbindet Südthüringen nach Norden zur West-Ost-Verbindung Göttingen-Halle und nach Süden in Richtung Franken. Zwischen A 4 und A 71 liegt das GVZ, eines der größten Gewerbegebiete Thüringens, das mit regionalen sowie europäischen Entwicklungsgeldern gefördert wird. Die großzügige Förderung zog bereits eine Reihe von großen Firmen an. Seit 1997 betreibt der schwedische IKEA-Konzern auf rund 500.000 qm sein weltweit größtes Logistikcenter. Beinahe alle großen Logistiker haben hier ein Terminal. Künftiges Wachstum soll auch die Bahn bringen. Bis zum Jahr 2015 soll die neue Hochleistungstrasse Nürnberg-Berlin fertig gestellt sein. Mit der östlichen Nord-Süd-Achse ist dann nicht nur Erfurt, sondern auch der Leipziger Flughafen mit dem Luftfrachtdrehkreuz der DHL an den Güterverkehr angebunden. Bis dahin sind allerdings noch einige Hausaufgaben zu erledigen. So werden die großen Flächen in der Region langsam rar. Kleine Flächen sind nach Aussage von Jürgen Kurth von der Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen dagegen ausreichend vorhanden. An diesem Manko werde aber gearbeitet, verspricht Kurth. Weit schwerer wiegt die Tatsache, dass es die gesamte Region Mitteldeutschland, von Leipzig bis Kassel, noch nicht geschafft hat, sich unter einem Dach in Form einer gemeinsamen Logistikinitiative zu vermarkten. Der 300 Kilometer breite Streifen in der Mitte Europas hat sein gemeinsames Potenzial als Bindeglied zwischen Ost und West noch längst nicht ausgeschöpft. Leipzig/Halle – alles hängt am AirportMit welchen Chancen die Verkehrs- und Logistikbranche in der mitteldeutschen Region aufwarten kann, zeigt eine von den Industrie- und Handelskammern Leipzig und Halle-Dessau vorgelegte Studie. Demnach ist Mitteldeutschland auf dem Weg, eine der bedeutendsten Logistikregionen in Europa zu werden. Das gilt besonders für den Standort Leipzig. Die Infrastruktur stimmt und es gibt ausreichend Ansiedlungsflächen im GVZ und rund um den Flughafen. Von hier aus können die zunehmenden Verkehre zwischen West- und Osteuropa zugleich bedient werden, so die Erwartung. Zumal das Güterverkehrszentrum laut Studie über eines der leistungsfähigsten Terminals für den Kombinierten Verkehr im Osten Deutschlands verfügt. Hinzu kommt die Anbindung an den 24-Stunden-Frachtflughafen, der die Region besonders für den Umschlag zeitkritischer Güter interessant macht. Das große Plus jedoch ist, dass viele Genehmigungsverfahren deutlich schneller bearbeitet werden als anderswo in Deutschland. So wurden schon Baugenehmigungen für Logistikimmobilien innerhalb von vier Wochen erteilt. Laut Alexander Nehm hat sich die Region damit ein Alleinstellungsmerkmal erarbeitet. Vorzeigeobjekt ist das DHL-Luftfrachtkreuz am Flughafen Leipzig, das mit erheblicher staatlicher Unterstützung nach Ostdeutschland geholt wurde. In der Folge kamen andere Unternehmen wie Schenker, die für das BMW-Werk in Leipzig die Lagerbewirtschaftung und Montageversorgung machen. Insgesamt sollen einmal 10.000 Jobs rund um den DHL-Betrieb entstehen. Umschlag-Doppel im Südwesten„Dass Augsburg und Ulm als Hidden Champions gehandelt werden, hat uns selber überrascht“, gibt Kurt Forner, Geschäftsführer des GVZ Augsburg, zu. Dabei hat der schwäbische Wirtschaftsraum, der lange Zeit im Schatten der Metropole München stand, in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Auch wenn die Flächenpreise nicht wesentlich günstiger sind als in der Landeshauptstadt, hat die Region als Verkehrsknotenpunkt weiteres Potenzial. Was Bad Hersfeld in der Mitte, ist Ulm im Süden. Mit den Autobahnen A 7 (Flensburg-Füssen) und A 8 (Stuttgart-München) sowie den Bahn-Verbindungen von Amsterdam über Rhein/Ruhr, München bis nach Südosteuropa und von Paris bis Wien ist die Region eine optimale Logistikdrehscheibe. Herzstück ist das GVZ mit Containerbahnhof an der A 8. Wenn der Ulmer Komplex bis Ende 2010 fertig gestellt ist, sollen dort 800 Container täglich umgeschlagen werden. Auch das Augsburg-GVZ soll weiter ausgebaut werden. Das neue Umschlagterminal soll die veraltete Anlage in Augsburg-Oberhausen ablösen und den Standort fit machen für die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) durch den Gotthard-Tunnel. Damit soll Unternehmen die Anbindung an die immer wichtiger werdenden Mittelmeerhäfen schmackhaft gemacht werden. Kritik an dem zu groß geratenen GVZ kontert Kurt Forner, Geschäftsführer der GVZ-Entwicklungsmaßnahmen GmbH: „Rund ein Drittel der Fläche ist bereits belegt.“ Das liege über den Erwartungen.Immerhin hat man das Potenzial einer gemeinsamen Vermarktung erkannt. Nicht einmal 100 Kilometer liegen zwischen den beiden schwäbischen Städten. „Ich denke, dass wir mit Ulm in eine Zusammenarbeit treten können“, sagt Forner. Die Gespräche stünden aber noch ganz am Anfang. Während Ulm vor allem für distributionsorientierte Unternehmen interessant ist, soll Augsburg mit logistikintensiven Produktionsunternehmen aus dem Maschinenbau, der Luft- und Raumfahrt sowie der Papier- und Druckindustrie punkten. ❙❚■ Alexander Heintze, freier JournalistAirport Business Park: u. a. DHL, FiegeGVZ Lehrte: u. a. Hellmann, DPDHannover Nordhafen: u. a. SchenkerNeukirch transport & logisticsHannover: 440 Millionen Euro Logistikinvestitionen und 3000 Arbeitsplätze innerhalb von 2 Jahren Umschlagterminal UlmSpedition NoerpelDachser; LangenauAndreas Schmid LogistikGVZ AugsburgLogistikregion Schwaben: Günstiger Verkehrsknoten und Standort für Verteilzentren zwischen den Ballungsräumen Stuttgart und MünchenOhne aktive Vermarktung kein Erfolg ... ... sagt Klaus Rüffel, Abteilungsleiter Projektentwicklung der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung und Stadtentwicklung Göttingen. Laut einer Studie des Fraunhofer ATL ist Göttingen als Standort für die zentrale Distribution in Deutschland besonders attraktiv. Ist Göttingen ein Hidden Champion der Logistik?Klaus Rüffel: Dass Göttingen in der Fraunhofer-Studie als Hidden Champion gehandelt wird, ist der Lohn für unsere Anstrengungen der letzten fünf Jahre, die Region als Logistikstandort gezielt aufzubauen. Unter anderem hat die GWG 70.000 Quadratmeter brachliegende Flächen von der Bahn übernommen und diese als GVZ für Logistikansiedlungen neu erschlossen. Als Initialzündung hat die GWG sogar selbst eine Logistikhalle zur Vermietung gebaut. Das bestehende GVZ ist jetzt bereits zu 80 Prozent ausgelastet und soll daher durch einen Erweiterungsstandort von 33 Hektar – ebenfalls mit direkter Bahnanbindung – ergänzt werden.Gibt es dafür schon konkrete Anfragen von Nutzern?Wir hatten in den letzten zwei Jahren eine Reihe konkreter Anfragen, die wir aus Platzgründen nicht erfüllen konnten. Eben deshalb ist die Flächenerweiterung dringend angezeigt. Derzeit, das muss man ganz klar sagen, sind die Investoren eher zurückhaltend. Wir haben jedenfalls unsere Hausaufgaben gemacht und stehen in den Startlöchern.Welche Anreize bietet Göttingen möglichen Investoren?Die Stadt Göttingen hat seit eineinhalb Jahren ein eigenes Förderprogramm aufgelegt, das gewerbliche Investitionen bezuschusst – dieser Fördertopf hat explizit auch die Logistikbranche im Fokus. Darüber hinaus vermarkten wir die Region aktiv auf Messen und in Zusammenarbeit mit bestehenden Netzwerken, beispielsweise die Logistikinitiative Niedersachsen. Wir haben zudem die Interessengemeinschaft IG LAGE (Logistics Area Göttingen Europe) als Vermarktungsplattform mit einigen Nachbargemeinden im Umland ins Leben gerufen. diwiInterviewKlaus Rüffel

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