Brüssel/Berlin. Deutschland geht nach zweimonatiger Blockade beim europäischen Satellitennavigationssystem Galileo auf Kompromisskurs. Nachdem die EU-Kommission heute ein neues Modell der Auftragsvergabe vorschlug, sieht Berlin seine industriellen Interessen bei Europas größtem Technologievorhaben berücksichtigt. Eine Einigung der EU-Staaten auf die öffentliche Finanzierung des mindestens 3,4 Milliarden Euro teuren Vorzeigeprojektes stand in Brüssel aber weiterhin aus. Berlin hatte den Finanzierungsplan der EU-Kommission bisher blockiert, da der Rückfluss der Gelder in die deutsche Luft- und Raumfahrtbranche nicht gewährleistet war. Außerdem befürchtete die Bundesregierung Mehrbelastungen für den nationalen Haushalt von bis zu 500 Millionen Euro. Deutschland hatte eine Mischfinanzierung von EU und Europäischer Weltraumorganisation (ESA) ins Spiel gebracht, stand damit aber im Kreis der EU-Partner weitgehend isoliert da. Der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, Rainer Lingenthal, lobte den neuen Brüsseler Vorschlag. Er sichere Wettbewerb und die Möglichkeit zu, dass die deutsche Industrie entsprechend ihrer Kompetenz und Kapazität berücksichtigt werde. Wenn das so komme, sei dies „ein ganz entscheidendes Plus" für die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie, sagte Lingenthal heute in Berlin. Dann könnten dort neue Arbeitsplätze „in großem Umfang“ geschaffen werden. Über die Finanzierung müsse aber noch diskutiert werden. Die EU-Kommission schlug eine neue Aufteilung der Ausschreibung vor. „Das soll sicherstellen, dass die gesamte europäische Industrie an dem Projekt teilnehmen kann“, sagte ein Sprecher von EU-Verkehrskommissar Jacques Barrot. Es gebe zunächst sechs verschiedene Bauabschnitte für Galileo. Pro Unternehmen sollten höchstens zwei Hauptaufträge für diese Segmente vergeben werden. Außerdem solle festgeschrieben werden, dass Subunternehmer einen Teil des Kuchens abbekommen. Derzeit seien dafür 40 Prozent des Auftragswerts im Gespräch. Kein Mitgliedstaat habe den Plan bisher abgelehnt. Die Kommission hofft, dass mit ihrem Vorschlag auch die Finanzierungsfrage gelöst werden kann. Sie hatte vorgeschlagen, das Vorhaben komplett aus EU-Geldern zu bestreiten. Der EU-Verkehrsministerrat wird das Reizthema an diesem Donnerstag erneut debattieren. Diplomaten rechnen aber erst mit einer endgültigen Einigung beim EU-Gipfel am 14. Dezember in Brüssel. Mit Galileo will die Union von 2013 an unabhängiger vom US-Navigationssystem GPS werden. Die für den EU-Haushalt verantwortlichen Minister der Mitgliedstaaten debattierten neben Galileo auch das Budget 2008 der Union. Die EU-Staaten wollen die Ausgaben der Union im kommenden Jahr um 2,7 Prozent auf 118,6 Milliarden Euro steigern, die EU-Kommission und das Europaparlament streben höhere Zahlungen an. (dpa)
Galileo: Bundesregierung sieht industrielle Interessen befriedigt
Die EU-Kommission schlägt ein neues Modell der Auftragvergabe vor, sodass die gesamte europäische Industrie an dem Projekt teilhaben kann