Frage des Quartals: Fahrermangel treibt die Preise

Der Fahrermangel ist in aller Munde. Auch der derzeitige wirtschaftliche Abschwung wird nicht dazu führen, dass sich dieses Problem in Luft auflöst. Dazu ist es schon zu eklatant. Allein in Deutschland fehlen nach Aussage des BGL (Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung) derzeit 80.000 Lkw-Fahrer (siehe auch Seite 14). Nicht jeder leidet unter Fahrermangel Doch heißt "Fahrermangel" nicht, dass jedes Transportunternehmen und jeder Verlader betroffen sind. Das zeigen die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage der VerkehrsRundschau (VR) im Rahmen der Erhebung zum VR-Index. Demnach sagen annähernd gleich viele Dienstleister und Verlader: Wir haben genug Fahrer. Bei den Dienstleistern sind es 13,16 Prozent, bei den Verladern mit 13,79 Prozent ähnlich viele. Weitere 20,69 Prozent der befragten Vertreter aus Industrie und Handel geben an, dass ihre Dienstleister noch keinen Fahrermangel haben, aber ihre Dienstleister in den nächsten zwei Jahren mit einem Fahrermangel rechnen. Bei den Transportunternehmen sind es sogar 26,32 Prozent, die aktuell noch keine Lücken bei der Besetzung von Fahrern haben, die aber davon ausgehen, in den kommenden zwei Jahren mit diesem Problem zu tun zu bekommen. Sind diese Zahlen ein Beleg dafür, dass das Thema Fahrermangel doch gar nicht so dramatisch ist wie vielfach behauptet? Nein. Zum einen deshalb nicht, weil sich das Problem noch weiter verschärfen wird. Laut BGL gehen jedes Jahr ungefähr 30.000 Fahrer in den Ruhestand, aber nur 15.000 neue Trucker kommen hinzu. Zum anderen ist der Fahrermangel unterschiedlich stark ausgeprägt. Im Nahverkehr, wo die Fahrer am Abend wieder zu Hause sind, ist es einfacher, fehlende Stellen zu besetzen. Das gilt auch für strukturschwache Gebiete wie in einigen Regionen Ostdeutschlands, wo die Arbeitslosigkeit deutlich höher ist und die Unternehmen daher noch Fahrer finden. Aber fast 50 Prozent der Transportunternehmen und sogar fast 60 Prozent der Verlader geben laut der Umfrage an, dass sie derzeit mit Fahrermangel zu kämpfen haben. Bei nicht wenigen Betrieben sind sogar mehr als zehn Stellen unbesetzt und das Problem ist eklatant. Das trifft auf 6,58 Prozent der Dienstleister und 10,34 Prozent der Verlader zu. So weit zur Istanalyse auf dem Arbeitsmarkt. Doch welche Folgen hat der sich noch weiter verschärfende Fahrermangel auf die Transportpreise? Wenn mit weniger Fahrern auch weniger Frachtraum zur Verfügung steht und die Nachfrage konstant bleibt, spricht nach volkswirtschaftlicher Logik alles für eine Verteuerung des Straßengüterverkehrs. Sehen die Akteure das auch so? Zumindest lässt sich festhalten: Der Anteil derjenigen, die in Zukunft keinen Fahrermangel erwarten, ist minimal. Bei den Verladern sind es null Prozent, bei den Transportdienstleistern 2,63 Prozent. Und dass der Fahrermangel keine Folgen für die Fahrerlöhne hat, auch das glaubt unter den Verladern niemand und unter den Dienstleistern vernachlässigbare 1,32 Prozent. Doch höhere Kosten weiterzugeben, das ist in der Transportbranche in der Vergangenheit längst nicht immer gelungen. Könnte es also sein, dass die Fahrerlöhne steigen, aber die Frachtraten trotzdem nicht teurer werden? Für diese These können sich nur wenige der Befragten erwärmen. Unter den Dienstleistern befürchten 6,58 Prozent, sie könnten auf den höheren Kosten sitzen bleiben. Bei den Verladern vertreten nur 3,45 Prozent diese Auffassung. Eine deutliche Mehrheit von Dienstleistern wie auch Verladern geht also davon aus: Der Fahrermangel wird in den kommenden zwölf Monaten zu steigenden Fahrerlöhnen führen. Und diese werden sich in höheren Transportpreisen niederschlagen. Davon sind 88,16 Prozent der Transportunternehmer und 89,66 Prozent der Verlader überzeugt. Bei den Dienstleistern gehen die meisten (38,16 Prozent) davon aus, dass die Steigerung der Frachtraten in den kommenden zwölf Monaten über fünf Prozent betragen wird. Die Auftraggeber sind etwas zurückhaltender, weil sie nicht so gern mehr bezahlen wollen. Die meisten (44,83 Prozent) stellen sich auf eine Verteuerung zwischen drei und fünf Prozent ein. Just-in-time-Konzepte unter Druck Doch der Fahrermangel hat womöglich mehr Auswirkungen als nur höhere Löhne und Frachtraten. Wenn Regale leer bleiben, weil es keine Lkw-Fahrer gibt, die die Waren befördern, wenn deshalb Bänder in den Fabriken stillstehen oder keine Ersatzteile vorrätig sind, dann werden Transport- und Logistikkonzepte hinterfragt. Wir haben den Umfrageteilnehmern fünf Veränderungen zu den Auswirkungen des Fahrermangels auf Transport- und Logistikkonzepte vorgegeben. Keiner war der Auffassung, dass es keinen Fahrermangel geben wird und man daher auch nicht auch nicht über veränderte Konzepte reden muss. Sowohl bei den Dienstleistern (78,95 Prozent) wie auch bei den Verladern (65,52 Prozent) hat eine beeindruckende Zahl folgender These zugestimmt: "Das Just-intime-Prinzip gerät aufgrund des Fahrermangels zunehmend unter Druck. Daher wird die Lagerhaltung deutlich zunehmen." Immerhin 53,95 Prozent der Dienstleister gehen davon aus, dass die globale Beschaffung zurückgedrängt wird und Waren mehr lokal, regional oder national produziert und dann verteilt werden. Für diese These sprachen sich auch 31,03 Prozent der Verlader aus, mithin deutlich weniger als bei den Dienstleistern. Könnten andere Verkehrsträger wie Bahn und Binnenschiff profitieren und zunehmend als Ausweichmöglichkeit zum Lkw genutzt werden? Eine solche Entwicklung halten 27,59 Prozent der Verlader für möglich, aber nur 21,05 Prozent der Dienstleister. Aber auch die Politik könnte mit Maßnahmen auf die Eindämmung des Fahrermangels hinwirken und zum Beispiel den Einstieg in den Beruf des Berufskraftfahrers erleichtern. Bei den Dienstleistern halten immerhin 28,95 Prozent eine solche Reaktion für denkbar, bei den Verladern sind es nur 24,14 Prozent. Die Umfrage zeigt: Das Thema Fahrermangel wird die Branche noch länger beschäftigen. Aber viel wichtiger: Der Höhepunkt der Krise ist noch lange nicht erreicht. Dienstleister und vor allem die Verladerschaft müssen sich auf zunehmende Engpässe einstellen. Aus dem Ausland ist mit keiner wirklichen Entlastung zu rechnen, da auch dort Trucker zunehmend knapp werden. Die deutsche Wirtschaft steht damit vor einer Herausforderung, wie sie sie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht erlebt hat. Mehr zum Thema unter #VRFragedesQuartals www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag Die Frage des Quartals Jedes Quartal befragt die Verkehrs-Rundschau Unternehmen zu aktuellen Themen aus der Logistikbranche. In diesem Quartal haben Fachund Führungskräfte von 76 Logistikdienstleistern und 29 Verladern an der vom Marktforschungsinstitut Interrogare durchgeführten Untersuchung teilgenommen. cd VR plus Plattfom für Kennzahlen Mehr Datem zum VR-Index auf VR plus und in einem Online-Seminar Zahlreiche weitere Kennzahlen können Abonnenten auf dem Profiportal der VerkehrsRundschau (VR) abrufen. Dazu gehören die Standzeiten von Lkw an den Laderampen oder der durchschnittliche Lohnkostensatz für einen Fahrer pro Tag. Die Daten hat das Meinungsforschungsinstitut Interrogare exklusiv für die VR erhoben. Dort finden sich auch viele weitere wichtige Zahlen wie die zur Entwicklung der Frachtraten sowie des Aufkommens. Diese Werte werden jedes Quartal aktualisiert und von vielen Lesern für Benchmark-Analysen genutzt. cdMehr zum VR-Index unter: www.verkehrsrundschau-plus.de/kennzahlen Statement von Markus Olligschläger, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) Fahrermangel: Tu Gutes und rede darüber Wie entwickelt sich das Thema Fahrermangel? Oder besser gesagt, tut sich da überhaupt etwas? Als vor zehn Jahren das Handelsblatt schrieb „Wenn Lkw-Fahrer sechsstellig verdienen“ schauten vor allem die FahrerInnen interessiert und neidvoll nach Down Under. Aus hiesiger Unternehmersicht bestand die Erkenntnis darin, dass Fahrer immer schwerer zu finden seien, vor allem Gute. Tatsächlich ist das „Problem Fahrermangel“ zwar schon lange in den Köpfen, aber dennoch nicht mit einer einfachen Formel zu lösen, dazu ist es zu vielschichtig. Klar ist, dass der demografische Wandel spätestens seit Einführung der Berufskraftfahrer- Qualifikation zu der Erkenntnis geführt hat, dass die Lücke zwischen Bestand und Zuwachs an FahrerInnen immer größer wird. Migration kann da nur ein relativ kleiner Lösungsansatz sein – andere Länder stehen vor gleichen Herausforderungen. Aus- und Weiterbildungs- Förderungen haben zu keinen zusätzlichen Wachstumsimpulsen bei der Fahrergewinnung geführt. Das ist alles wichtig und richtig, aber es ist vor allem das Berufsbild in der Öffentlichkeit, das sich im Rahmen einer stark veränderten Werteorientierung junger Menschen gegenüber einer vielfach überkommenen Truckerromantik als nicht zielorientiert erweist. Es ist das Image, das die Werte vermittelt: technologisch-zukunftsorientiert, gesellschaftlich wertgeschätzt und gut bezahlt. Dort, wo diese Werte gelebt werden, wird es am ehesten gelingen, Fachkräfte für den Fahrerberuf zu gewinnen. Tu Gutes und rede darüber, zum Beispiel durch die vom Werkverkehrs- und Verladerverband BWVL unterstützte Imagekampagne von MAN: „Fahren für Deutschland“.Mehr unter: www.bwvl.de

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