Mit einem Gesetz für die beschleunigte Genehmigung von Flüssiggas-Importterminals will die Bundesregierung schneller von russischem Erdgas unabhängig werden. "Eine der wenigen Möglichkeiten Deutschlands, auf dem Weltmarkt kurzfristig zusätzliche Gasmengen zu beschaffen, ist der Einkauf verflüssigten Erdgases (LNG)", heißt es in einem entsprechenden Papier zum geplanten Gesetz, das der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorliegt.
Der von Russland initiierte Gaslieferstopp für Polen und Bulgarien am vergangenen Dienstag hat auch in Deutschland Befürchtungen vor einem solchen plötzlichen Schritt weiter geschürt. In dem Papier ist von einer "Ausnahmesituation" die Rede. Und die erfordert besondere Maßnahmen. LNG ist für den Transport per Schiff verflüssigtes Erdgas. Nach Ankunft an der deutschen Küste muss es wieder regasifiziert werden, um es anschließend durch Rohre weiterleiten zu können.
Konkret sollen Genehmigungsbehörden vorübergehend bestimmte Anforderungen, etwa bei der Umweltverträglichkeitsprüfung, unter speziellen Bedingungen aussetzen dürfen. Das Gesetz soll für schwimmende und landgebundene LNG-Importterminals gelten, die schneller genehmigt und in Betrieb genommen werden sollen. Für beide Varianten ist spezielle Infrastruktur nötig, etwa müssen sie an das Erdgasleitungsnetz angeschlossen und zum Teil müssen dafür auch Hafenanlagen angepasst werden. Im Gegensatz zu den stationären Anlagen lassen sich die schwimmenden Anlande- und Speicherplattformen, sogenannte Floating Storage and Regasification Units (FSRU), schneller installieren.
Von Rostock bis Wilhelmshaven
Aus Regierungskreisen hieß es zuletzt, dass es Vertragsunterzeichnungen durch das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium in Berlin für das Chartern von drei schwimmenden Terminals gebe, so dpa. Das Chartern selbst übernehmen private Unternehmen. Es liefen derzeit auch Planungen und Vorbereitungen für Verhandlungen für ein viertes schwimmendes Terminal, hieß es. Die Bundesregierung will dafür in den kommenden zehn Jahren bis zu drei Milliarden Euro ausgeben.
In Deutschland ist der Bau mehrerer LNG-Anlagen beider Varianten vorgesehen. In dem Papier werden konkret Brunsbüttel in Schleswig-Holstein und Wilhelmshaven in Niedersachsen als Standorte sowohl für die ortsfesten als auch für die schwimmenden LNG-Anlagen genannt. Es gebe aber auch weitere in Frage kommende Orte. "Ob die einzelnen Standorte dann realisiert werden, hängt von verschiedenen rechtlichen, fachlichen und wirtschaftlichen Faktoren ab", heißt es. Auch Rostock sei laut dpa im Gespräch und der niedersächsische Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) brachte zuletzt Stade für ein mögliches schwimmendes Terminal bis 2023 ins Spiel. Hier plant das Hanseatic Energy Hub (HEH) zusammen mit dem US-Chemieunternehmen Dow, das auch Minderheitsgesellschafter bei HEH ist, in Stade bis 2026 ein stationäres Terminal zu bauen. Am Donnerstag signalisierten die Unternehmen, auch mit der Option eines schwimmenden Terminals zu planen. Zusammen mit einem Terminal in Wilhelmshaven könnten 20 bis 30 Milliarden Kubikmeter Flüssigerdgas importiert und angelandet werden, so dpa.
Deutsche Häfen vor Herausforderungen
Michael Kruse, energiepolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, lobte am Samstag die Planungen als "lang ersehnten Durchbruch". "Durch die Standortauswahl für schwimmende Terminals schaffen wir einen gesetzlichen Rahmen, um noch in diesem Jahr LNG über die norddeutschen Häfen anlanden zu können", sagte Kruse der dpa. "Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands und auch die Sicherung von Wohlstand in den nächsten Jahren wird maßgeblich davon abhängen, dass wir unsere Seehäfen weiter ausbauen", sagte Wirtschaftsminister Althusmann.
Dass der LNG-Transport nicht die einzige Herausforderung der Seefahrt ist, zeigte sich zum 30. niedersächsischen Hafentag in Emden, bei dem rund 300 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Hafenwirtschaft, Logistikbranche, Kommunen und Reedereien sowie Handelskammern zusammenkamen: Die Folgen der Corona-Pandemie, des Brexits, und des Handelskonflikts zwischen den USA und China standen hier ebenfalls im Fokus. (jl/ste/dpa)