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Berlin/Luxemburg. Deutschland hat eine Niederlage beim Thema Berechnung der deutschen Lkw-Maut vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) erlitten. Die Kosten für die Verkehrspolizei dürfen bei der Erhebung der Lkw-Maut in Deutschland demnach nicht berechnet werden. Dies entschied der EuGH am Mittwoch in Luxemburg und gab damit einer polnischen Spedition recht. Diese hatte in Deutschland Klage auf Rückzahlung der Mautgebühren erhoben. Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in Münster hatte den Europäischen Gerichtshof um Klärung gebeten (Rechtssache C-321/19). Der Fall geht jetzt zurück nach Münster, die genauen Folgen sind noch unklar.
Worum genau ging es?
Eine polnische Spedition hatte beim Oberverwaltungsgericht Münster auf die Rückzahlung deutscher Autobahnmaut aus den Jahren 2010 und 2011 geklagt. Aus ihrer Sicht verstoßen die Mautsätze gegen die EU-Wegekostenrichtlinie. Wichtigster Streitpunkt waren die Kosten für die Verkehrspolizei. Die deutschen Richter haben den EuGH um Auslegung der Richtlinie gebeten, wonach bei Mautgebühren nur „Infrastrukturkosten“ angesetzt werden dürfen.
Begründung des Urteils
Laut EuGH sind bei der Festsetzung der Mautgebühren ausschließlich die Infrastrukturkosten, also für Bau sowie Betrieb, Instandhaltung und Ausbau des betreffenden Verkehrswegenetzes, zu berücksichtigen.
„Polizeiliche Tätigkeiten fallen aber in die Verantwortung des Staates, der dabei hoheitliche Befugnisse ausübt und nicht lediglich als Betreiber der Straßeninfrastruktur handelt“ , urteilten die höchsten europäischen Richter. Die Kosten der Verkehrspolizei könnten daher nicht als Kosten für den Betrieb im Sinne der Richtlinie über die Erhebung von Gebühren angesehen werden.
Dem EuGH zufolge wurden die Infrastrukturkosten wegen der Einberechnung der Verkehrspolizei zwar nur um 3,8 Prozent überschritten. Die Richtlinie stehe aber jeglicher Überschreitung der Infrastrukturkosten durch nicht ansatzfähige Kosten entgegen, fanden die Richter. Sie wiesen auch die Antrag Deutschlands zurück, die Wirkung des Urteils zeitlich zu beschränken.
Welche Folgen könnte das Urteil haben?
Zum einen könnte Deutschland Mautgebühren zurückerstatten müssen. Zum anderen könnte der Bund bei einer möglichen Neuregelung von Infrastrukturkosten künftig Einnahmen verlieren. Der Bund nimmt bisher durch die Lkw-Maut Einnahmen von rund 7 Milliarden Euro im Jahr ein, die für die Fernstraßen verwendet werden. Welche Summen im Feuer stehen könnten, ist unklar. Das Verkehrsministerium in Berlin hüllte sich bisher in Schweigen. Durch das Urteil könnte auch die Debatte um eine Neufassung der Eurovignetten-Richtlinie, die auch Wegekostenrichtlinie heißt, Fahrt aufnehmen. Sie regelt die Straßenbenutzungsgebühren für schwere Nutzfahrzeuge.
Zustimmung vom BGL
Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) begrüßt, dass durch das Urteil des EuGH grundsätzliche Fragen zum Mautberechnungsverfahren geklärt worden seien. Vor allem die Ansatzfähigkeit der Kosten für Verkehrspolizei bei der Mautberechnung hatte der Verband nach eigenen Angaben in der Vergangenheit in Frage gestellt. „Der EuGH hat mit seiner heutigen Entscheidung Rechtssicherheit für unsere Mitgliedsunternehmen hergestellt“, äußerte sich der BGL wörtlich in einer Pressemitteilung.
Über die Lkw-Maut
Die Lkw-Maut auf Bundesautobahnen wurde 2005 eingeführt. Damit wurde laut Verkehrsministerium ein Systemwechsel vollzogen - weg von der Steuer- und hin zur Nutzerfinanzierung des Fernstraßenbaus. Denn gerade schwere Lastwagen verschleißen die Straßen. Inzwischen ist die Lkw-Maut auf alle Bundesstraßen ausgeweitet worden. Sie gilt für Lastwagen ab 7,5 Tonnen. Bei der Abgabe gibt es eine Differenzierung nach dem Schadstoffausstoß der Fahrzeuge.
Ein wesentlicher Bestandteil der Infrastrukturkosten sind laut Berechnung der Wegekosten für das Bundesfernstraßennetz für die Jahre 2018 bis 2022 Betriebs-, Unterhaltungs- und Mauteinzugskosten sowie Aufwendungen für die Polizei.
Pläne für eine deutsche Pkw-Maut hatte der EuGH im Juni 2019 gekippt, weil sie Fahrer aus dem Ausland benachteilige. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) ist deswegen schwer unter Druck. Wegen möglichen Verstößen gegen das Haushalts- und Vergaberecht läuft ein Untersuchungsausschuss des Bundestags. (dpa/sn)