Brüssel. Die EU-Kommission hat die Bedenken von elf zumeist osteuropäischen EU-Mitgliedstaaten gegen ihre Vorschläge zur Erneuerung der Entsenderichtlinie zurückgewiesen. Die Gesetzgebung, die die Gleichbehandlung von entsandten Arbeitnehmern in anderen EU-Ländern betrifft, falle sehr wohl in die Zuständigkeit der EU-Kommission, begründete die EU-Behörde ihre Entscheidung. Die protestierenden Mitgliedstaaten hatten argumentiert, dass der Umgang mit entsandten Arbeitnehmern besser in jedem Land selbst geregelt werden könne, also unter das sogenannte Subsidiaritätsprinzip falle.
„Die Entsendung von Arbeitnehmern ist naturgemäß eine grenzüberschreitende Angelegenheit”, begründete die EU-Beschäftigungs-Kommissarin Marianne Thyssen die Entscheidung in Brüssel. Man habe die Bedenken der nationalen Parlamente gegen die Vorschläge der Kommission „sorgfältig geprüft”. Letztlich sei die Kommission aber zu dem Schluss gekommen, dass der Vorschlag voll und ganz mit dem Grundsatz der Subsidiarität vereinbar sei. Die EU-Kommission regele seit 1996 die Entsendung von Arbeitnehmern innerhalb der EU. Es sei nicht ersichtlich, warum sich an dieser Zuständigkeit jetzt etwas ändern sollte.
Die EU-Kommission hatte am 8. März Vorschläge für eine Überarbeitung der Entsenderichtlinie vorgelegt. Grundsätzliches Ziel dabei ist es, noch bestehende Unterschiede zwischen entsandten und „lokalen” Arbeitnehmern bei der Entlohnung und den Arbeitsbedingungen weiter abzubauen. Damit will die EU-Kommission gegen Lohndumping in der EU vorgehen. Künftig soll es nicht mehr möglich sein, Arbeitnehmer aus Billiglohnländern zu den dort geltenden Löhnen in Ländern mit weitaus höheren Löhnen arbeiten zu lassen.
14 Parlamente legen Beschwerde ein
Gegen die Vorschläge hatten 14 Parlamente aus den elf EU-Mitgliedstaaten Bulgarien, Kroatien, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Ungarn, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien und Slowakei im Rahmen des Subsidiaritätskontrollmechanismus Beschwerde eingelegt. Diese Volksvertretungen glauben, dass die Behandlung von entsandten Arbeitnehmern besser durch nationale Gesetze geregelt werden könne, als durch ein EU-Gesetz. Anders sehen das nationalen Parlamente in Frankreich, Italien, Portugal, Spanien und Großbritannien gekommen. Sie hatten Stellungnahmen bei der EU-Kommission eingereicht, in denen sie ausführen, dass die Kommissionsvorschläge mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar seien.
Die vorgeschlagenen Neuerungen bestehen aus drei Kernpunkten: entsandte Fachkräfte sollen künftig nach Tariflohn des Gastlandes bezahlt und entsandte Leiharbeiter grundsätzlich genauso wie lokale behandelt werden. Außerdem soll es Vorschiften für die langfristige Entsendung geben. Die Vorschläge der EU-Kommission müssen noch vom Europaparlament und den EU-Mitgliedstaaten im EU-Rat bearbeitet und verabschiedet werden, bevor sie gültiges Gesetz werden.
Ein Veto-Recht von nationalen Parlamenten gegen Vorschläge der EU-Kommission ist seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags im Dezember 2009 möglich. Die EU-Kommission ist bei so einer „gelben Karte” dazu verpflichtet, ihren kritisierten Vorschlag zu prüfen. Die Entscheidung zur Beibehaltung oder Änderung muss die EU-Behörde begründen. (kw)