Sitzredakteur ist eine etwas scherzhafte Bezeichnung für den im Impressum einer Zeitung oder Zeitschrift genannten verantwortlichen Redakteur im Sinne des Presserechts. Bei Gesetzesverstößen wurde er früher zur Verantwortung gezogen und musste die Strafe sozusagen absitzen. Da man im Kaiserreich bei politisch kritischen Blättern allerdings permanent – allen voran übrigens wegen Majestätsbeleidigung – mit dem Gesetz in Konflikt stand und nicht das Risiko eingehen wollte, den Chefredakteur zu verlieren, wurden als verantwortliche Redakteure Personen genannt, auf die die Redaktion leichter verzichten konnte. Eine solche Funktion könnte es künftig auch in Güterkraftverkehrsunternehmen geben. Am 23. Mai hat die EU-Kommission ein entsprechendes Gesetzespaket beschlossen. Danach soll künftig jedes Kraftverkehrsunternehmen einen „Kraftverkehrsbetreiber“ alias „Sitzspediteur“ beschäftigen. Er oder sie soll – ähnlich wie der Sitzredakteur – für die gesetzlichen Verfehlungen seines Arbeitgebers geradestehen. Werden unter seiner Verantwortung schwere Verstöße begangen, darf er in der gesamten EU zwei Jahre lang keine Kraftverkehrstätigkeiten mehr leiten. Als schwere Verstöße nennt das Kommissionspaket übrigens unter anderem Verstöße gegen die Lenk- und Ruhezeiten sowie die Manipulation des digitalen Tachografen. Bevor der Sitzspediteur allerdings EU-weit eingeführt werden kann, muss das Gesetzespaket noch das EU-Parlament und den Ministerrat passieren. Der Widerstand einiger EU-Mitglieder scheint gewiss, ist doch Teil des Gesetzespakets auch die neue Kabotageregelung, die von einigen starken EU-Mitgliedern lieber bilateral geregelt wird. Anita Würmser Chefredakteurin
EU-Kommission plant verpflichtenden Kraftverkehrsbetreiber
Der Kommentar der Woche von Anita Würmser, Chefredakteurin