Eine Welle, die alle erfasst

Fast hat es den Anschein, als habe sich die Digitalisierung etwas vom Container abgeguckt. Denn so wie die Metallboxen mittlerweile sämtliche Länder des Globus erobert haben und in der Logistikwelt unverzichtbar geworden sind, so breitet sich auch die Digitalisierung immer stärker in der maritimen Logistik aus. Unternehmen setzten vor allem bei sich selbst an, wie eine neue Supply-Chain-Lösung zeigt, die die weltgrößte Reederei Maersk mit Sitz in Dänemark in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen IT-und Beratungsunternehmen IBM umsetzt. Ziel von Maersk ist es dabei, Papiere und Dokumente von Millionen von Frachtcontainern weltweit zu verwalten und zurückzuverfolgen. Dazu sollen die Prozesse durchgehend digitalisiert werden, um die Komplexität zu reduzieren, die Transparenz zu erhöhen und einen sicheren Informationsaustausch zwischen den Akteuren zu gewährleisten. IBM und Maersk wollen bei der Umsetzung des Projektes mit Spediteuren, Reedereien, Häfen und Zollbehörden zusammenarbeiten und so eine neue, weltweite Digitalisierungslösung aufbauen. Ein anderes, bereits umgesetztes Beispiel für die Digitalisierung ist die Voranmeldung von Lkw an den Containerterminals der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), die seit Ende November Pflicht ist. Über die Datenschnittstelle TR02 ist es Lkw-Fahrern und Fuhrunternehmen möglich, Transportdaten mit den Terminals auszutauschen. Auch Fahrer können diese Voranmeldung vornehmen, entweder über eine Homepage oder per App. Kürzere Wartezeiten für die Lkw Die HHLA möchte mit dieser Anwendung die Abläufe auf dem eigenen Gelände besser koordinieren und strebt eine beschleunigte Abfertigung und bessere Verteilung der an- und abfahrenden Lkw an. Das soll die Wartezeiten verkürzen und damit die Umläufe verbessern. Nur zwei Beispiele für die zahlreichen Digitalisierungsprojekte, die derzeit in der maritimen Kette umgesetzt werden. "Der Grund für diesen Trend ist natürlich das Streben nach mehr Effizienz", sagt Professor Carlos Jahn, Leiter des Fraunhofer-Centers für Maritime Logistik und Dienstleistungen (CML) in Hamburg. Er kann wie Dorothee Knie, Gruppenleiterin Firmenkunden Häfen und Logistik bei der Bremer Landesbank, nicht den einen Treiber in der Digitalisierung der maritimen Logistikkette ausmachen. Vielmehr seien alle Akteure - von den Verladern über die Reedereien, Häfen, Seefrachtspeditionen bis hin zu den Hinterland-Transporteuren - gleichermaßen einbezogen. "Die Logistikunternehmen wollen näher an ihre Kunden heranrücken, und auch umgekehrt", nennt Knie einen weiteren Grund für die Beliebtheit von digitalen Projekten. Um die Auftragsabwicklung stetig zu optimieren, sei ein zeitnaher, gegenseitiger Datenaustausch unabdingbar. Jahn bezeichnet diesen vermehrten Austausch mit dem Fachbegriff "Konnektivität" und nennt als Beispiel dafür das Hamburger Software-Unternehmen Dakosy, das diverse Plattformen für den Datenaustausch der Akteure in der maritimen Logistik anbietet und unter anderem das Port Community System für den Hamburger Hafen betreibt. Als zweites Anwendungsfeld für Digitalisierungsprojekte nennt er die richtige und effiziente Verwendung der vielen Daten: Zum Beispiel könnten die Häfen die richtige Schiffsankunftszeit nutzen, um die nachfolgenden Prozesse zu planen. "Dazu gehört der Einsatz von Schlepperdiensten genauso wie die exakte Ausrichtung der Hinterlandtransporte auf die Ankunftszeit eines Schiffes", sagt Jahn. Neben der automatisierten Einsatzplanung der Ressourcen durch die Computer nennt der Professor einen vierten Anwendungsbereich der Digitalisierung: cyberphysische Systeme. "Damit ist der verstärkte Einsatz von Sensoren gemeint, die über den jeweiligen Standort der Waren Auskunft geben und an immer mehr Stellen in der Logistikkette zum Einsatz kommen", sagt Jahn. Container wochenlang im Nirgendwo Timo Köhler sieht hier Handlungsbedarf, den vor allem die Verlader einfordern: "Auch heute noch gibt es Situationen, in denen der Auftraggeber wochenlang nichts darüber erfährt, wo sich seine Ware befindet. Erst mit Ablieferung beim Kunden hört er erstmals wieder nach der Abholung etwas von seinem Container", sagt der Projektmanager Port Solutions bei DBH Logistics IT. Er beobachtet, dass die einzelnen Akteure vermehrt in Instrumente investieren, um den Kunden Statusmeldungen über den Verbleib ihrer Ware liefern zu können. Im Hinterlandtransport installieren die Seeterminalbetreiber beispielsweise Scanner an den Eingangstoren sowohl für Lkw wie auch für Züge. Oder der Waggonvermieter VTG: Der rüstet seine gesamte europäische Wagenflotte mit einem Telematiksystem aus. Damit ist die aktuelle Position jedes Wagens über GPS-Koordinaten verfügbar. Köhler berichtet aber auch über ein Forschungsprojekt, das es sich zum Ziel gemacht hatte, die den Warenstrom begleitenden Informations-, Kommunikations- und Transaktionswege zu harmonisieren und Informationen und Dokumente auf einer Plattform mit minimierter Fehlerquote zwischen den beteiligen Unternehmen in der Supply Chain auszutauschen. Besondere Schwerpunkte lagen dabei auf kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) sowie auf den dabei beteiligten Behörden. Das Projekt mit dem Namen Smart SC ist mittlerweile abgeschlossen, "allerdings war die Nachfrage danach nicht so groß, als dass wir es in der Praxis umsetzen konnten", bedauert Köhler. Womöglich waren die Initiatoren ihrer Zeit voraus, aber Köhler ist sich sicher: "Irgendwann wird es solche prozessübergreifenden Plattformen geben, die von der Abholung bis zur Auslieferung alle Daten sammeln, wobei ich davon ausgehe, dass gerade die großen Unternehmen ihre eigenen Plattformen betreiben werden." Siehe Maersk. Wichtig ist aus seiner Sicht, sofern mehrere Unternehmen sich auf einer Plattform tummeln, dass es einen neutralen Betreiber gibt. "Denn die Angst, dass ein Mitbewerber Daten bekommt, die er nicht haben soll, die ist bei allen Akteuren groß." Einsparpotenzial bis zu 30 Prozent Digitalisierungsprojekte wie die Voranmeldung von Lkw-Fahrern bei den HHLA-Terminals bergen laut Köhler ein großes Einsparpotenzial: "Wenn es gut läuft, kann ich mir schon vorstellen, dass bis zu 30 Prozent der Kosten gespart werden können." So oder so, die Vielzahl der Projekte zeigt, dass in der maritimen Logistik kaum ein Weg an der Digitalisierung vorbeiführt. Doch Druck kommt nicht nur von den Auftraggebern, sondern auch von den Banken. "Ein Unternehmen, das sich nicht mit dem Thema Digitalisierung befasst, wird im Markt auf Dauer nicht oder nur sehr schwer bestehen", lautet die Einschätzung von Dorothee Knie. Ein erfolgreiches Geschäftsmodell werde in der Zukunft kaum um das Thema Digitalisierung herumkommen. Anders ausgedrückt: Wer auf eine Fremdfinanzierung angewiesen ist, aber nicht vorweisen kann, dass er sich mit der Digitalisierung befasst, der wird wenn überhaupt nur zu deutlich schlechteren Konditionen eine Finanzierung bei den Banken erhalten als Betriebe mit einer Digitalisierungsstrategie. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Seefracht www.verkehrsrundschau.de/dossiers Digitalisierung ist das Thema der zehnten Nationalen Maritimen Konferenz Merkel auf der maritimen Konferenz in Hamburg Derzeit hat die Bundeskanzlerin eigentlich genug Baustellen. Stellvertretend dafür seien an dieser Stelle nur die Namen dreier Männer genannt: Erdogan, Schulz und Trump. Dennoch lässt es sich Angela Merkel (CDU) nicht nehmen, auch auf der zehnten nationalen maritimen Konferenz am 4. April in Hamburg als Rednerin aufzutreten - wie bei den Konferenzen in den Jahren zuvor auch.Es gibt kaum eine Logistikveranstaltung, die von der Politik her besser besucht wird: Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) wird ebenfalls vor den Zuhörern reden wie der Hamburger Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Und natürlich darf auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nicht fehlen.Das Motto der vom Bundeswirtschaftsministerium organisierten Veranstaltung lautet:"Maritim: exzellent vernetzt - Chancen der Digitalisierung für die maritime Wirtschaft". Die Politiker werden dazu in Hamburg auch ein Positionspapier unterzeichnen mit dem Titel "Digitalisierung in der maritimen Wirtschaft". "Um die Chancen von Industrie 4.0 für die Branche erfolgreich zu nutzen, brauchen wir eine maritime Digitalisierungsstrategie," sagte der Koordinator der Bundesregierung für die maritime Wirtschaft, Uwe Beckmeyer, im Vorfeld der Konferenz. Auch in der vom Bundeskabinett Anfang des Jahres verabschiedeten maritimen Agenda 2025 spielt die Digitalisierung eine wichtige Rolle. So sollen unter anderem der Ausbau hochleistungsfähiger Breitbandanschlüsse insbesondere auch in den Häfen vorangetrieben und entsprechende Leuchtturmprojekte (unter anderem Echtzeitdienste in der Navigation) gefördert werden. cd