Ein Kurier der anderen Art

An neuen Unternehmen, die mit neuen Geschäftskonzepten eine schnelle und kostengünstige Zustellung auf der letzten Meile zusichern, herrscht derzeit kein Mangel. Die wohl bekanntesten Neugründungen der vergangenen Jahre sind Tiramizoo und Liefery. Vor allem in Großstädten bieten beide Unternehmen taggleiche Lieferungen (same Day) an Endkunden 90 Minuten nach Bestelleingang im Online-Handel. Fahrzeuge als Werbeträger Mit Urban Cargo in Berlin gibt es seit April 2016 einen weiteren Last-Mile- Spezialisten auf dem Markt. Das von Roland Prejawa und Maxim Müller gegründete Unternehmen setzt sich nach eigenen Angaben gleich in mehreren Punkten vom Wettbewerb ab. Gerne bezeichnen beide Gründer ihr Startup als "deutschlandweit ersten White-Label-Anbieter" im KEP-Markt. Sprich: Urban Cargo tritt unter dem Namen von Online-Händlern, überregionalen KEP-Unternehmen und anderen Geschäftskunden auf. Mit ihren Logos und Slogans können diese auf den Außenflächen der bislang 17 Fahrzeuge von Urban Cargo werben. Als Werbeträger sind diese Fahrzeuge sehr attraktiv. Da Prejawa und Müller ausschließlich Cargobikes und Leichtfahrzeuge mit Elektroantrieb einsetzen, können sie glaubwürdig eine "CO2-freie Citylogistik" bieten. Auch beim Personal gehen sie andere Wege als etliche KEP-Dienste. Alle 25 Fahrer und sonstigen Mitarbeiter sind bei Urban Cargo fest angestellt. Das Unternehmen will sich als "fairer Arbeitgeber" positionieren, der keine Niedrigpreise mit unterbezahlten Subunternehmern betreibt. Über ein Jahr nach dem Start sehen sich die beiden Gründer mit einem Umsatz von knapp 300.000 Euro auf Kurs. So liefert Urban Cargo im Auftrag von GO General Overnight Same-Day-Sendungen für das Amazon-Angebot Prime Now aus. Im Frühjahr wurde die Zustellung, die sich ursprünglich auf die Stadtteile Charlottenburg, Schöneberg und Tiergarten beschränkte, auf das ganze Stadtgebiet mit rund 888 Kilometern ausgeweitet. Außerdem konnte Urban Cargo rund ein halbes Dutzend neue Großkunden anwerben und stockte seine Flotte um vier weitere Fahrzeuge auf. Interessant ist das Hubkonzept: In einer Tiefgarage nahe dem Kurfürstendamm hat die Firma einen zentralen Stützpunkt mit Ladestationen und Fahrradwerkstatt aufgebaut. Hier können auch eingehende Sendungen konsolidiert und für Auslieferungen gebündelt werden. "Zwei Stunden nach der Bestellung sollen Online-Kunden die Waren erhalten", hat sich Prejawa als Ziel gesetzt. Für die kommenden Monate sieht er das Unternehmen in einer ersten Konsolidierungsphase. "Unsere Kapazitäten sind erst zu 70 Prozent ausgelastet", räumt er ein. "Vor einer Expansion über Berlin hinaus müssen weitere Großkunden akquiriert werden." Als dauerhafte Auftraggeber kann er sich auch stationäre Einzelhändler, Ersatzteillogistiker oder Laborbetreiber vorstellen. Tripl schafft 120 Kilometer Reichweite Prejawa kennt die Wachstumsfallen genau, in die Jungunternehmer nach einer erfolgreichen Gründung tappen. Urban Cargo ist nicht die erste Firma des diplomierten Kaufmanns. Als er 1982 sein Wirtschaftsstudium abgeschlossen hatte, gründete er das Busunternehmen Gullivers Reisen und leitete den Spezialisten für europaweite Linienverkehre bis 2006. Anschließend war er als Unternehmensberater tätig und ließ sich für die Grünen in die Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf wählen. Hier leitete er fünf Jahre lang den Ausschuss für Wirtschaft und Verkehr. Auch Mitgründer Maxim Müller hat Erfahrung in der Verkehrswirtschaft und machte sich als Spezialist für Cargobikes einen Namen. Vor der Gründung von Urban Cargo hat er solche Fahrzeuge hergestellt. Auf seine Empfehlung hin setzt das Start-up als erste deutsche Firma das dänische Leichtfahrzeug Tripl ein. Auf drei Rädern transportiert dieses 1,15 Meter schmale Gefährt mit seiner aufsehenerregenden Karosserie über 250 Kilogramm und kann bei Spitzengeschwindigkeiten von 45 Stundenkilometern rund 120 Kilometer weit fahren. Das ist weit mehr als konventionelle Cargobikes schaffen. Zusätzlich setzt Urban Cargo 13 zweirädrige Lastenfahrräder mit Transportboxen vor dem Lenker ein, die inklusive Anhänger deutlich über 100 Kilogramm laden können. Und Anfang Juni nahm der Zustelldienst einen Nissan E-NV200 in Betrieb. Mit einem Laderaum von 4,2 Kubikmetern kann dieser Elektrotransporter zwei Europaletten aufnehmen. Weniger Reparaturen und Wartung Die drei Tripl-Fahrzeuge hätten sich trotz mancher Kinderkrankheiten bewährt, sagt Prejawa, weil sie vergleichsweise wenige Wartungen und Reparaturen brauchen. Bei letzteren müssen laut Prejawa alle zwei Monate die Reifen gewechselt werden, außerdem unterliegen Bremsbeläge und Schaltungen einem permanenten Verschleiß. Bei Touren von über 100 Kilometern, die Urban-Cargo-Fahrer täglich zurücklegen kein Wunder. So fallen trotz des Hub-Konzepts viele Einzelzustellungen an. Anders ist eine Zustellung binnen zwei Stunden wohl nicht möglich. Als Konsequenz setzt die Berliner Niederlassung von GO, die auch mit anderen Last-Mile-Zustellern arbeitet, Urban Cargo vorwiegend für Touren in der Innenstadt ein. Ansonsten hat GO mehrere Urban-Cargo-Fahrzeuge mit seinem Logo gebrandet. An der Strategie, ausschließlich Elektrofahrzeuge auf der letzten Meile einzusetzen, will Urban-Cargo-Chef Prejawa festhalten. Auch in Zukunft will er neue Leichtfahrzeuge testen. Und wenn die aktuellen Urban-Cargo-Kapazitäten ausgelastet sind, will er neue Geschäftsfelder erschließen. Dafür sucht er noch Investoren. "Das Unternehmen wird bislang zu 100 Prozent aus Eigenmitteln finanziert", betont er. Jetzt stößt er an Grenzen, wie die Finanzierung des Fuhrparks zeigt. Die jeweils rund 4000 Euro teuren Cargobikes wurden gekauft, die dreimal teureren Tripl-Fahrzeuge dagegen gemietet. Mehr zum Thema im Dossier Start-ups in der Logistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Das sagt der Experte Geschäftskonzept mit Potenzial Für Wolfgang Beecken trifft das Geschäftskonzept von Urban Cargo ins Schwarze."CO2- neutrale Lösungen für die letzte Meile können an zahlreichen Standorten realisiert werden", versichert der Geschäftsführer der Hamburger City-Logistik-Beratung First Mile."Gerade die ganzheitliche Flottenlösung macht Urban Cargo als Geschäftspartner interessant", sagt er und verweist hier auf den in 2008 gegründeten Londoner KEP-Dienst Gnewt Cargo, der mit einem fast identischen Geschäftskonzept Erfolg hat. Für große Online-Händler und KEP-Konzerne, darunter TNT und Hermes, übernehmen die Briten Last-Mile-Zustellungen ausschließlich mit Elektrofahrzeugen. Die 100 Transporter und Bikes, die jährlich über drei Millionen Sendungen umschlagen, werben mit den Logos dieser Kunden. botWolfgang Beecken, Geschäftsführer der City-Logistik-Beratung First Mile in Hamburg

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