Rastatt. Zum Jahrestag der schweren Panne beim Bau des Tunnels für die Rheintalbahn im baden-württembergischen Rastatt sind wichtige Fragen weiter offen. Noch immer ist nicht klar, wann und wie es mit dem Rest des Tunnelbaus weitergeht. Auch die Ursachenforschung nach dem folgenschweren Einbruch von Wasser und Erdreich am 12. August 2017 ist nicht abgeschlossen. Die rund 18 Millionen Euro teure Tunnelbohrmaschine steht weiter in der Röhre, eingeschlossen in Beton, der eilig in den Hohlraum gegossen worden war, um eine Ausweitung des Schadens zu verhindern.
Weil die Havarie direkt unterhalb der beiden Gleise einer der meistbefahrenen Bahnstrecken Europas passierte, sackten die Schienen ab, und die Strecke musste für rund sieben Wochen komplett gesperrt werden. Erst am 2. Oktober rollten wieder Züge zwischen Baden-Baden und Rastatt, insgesamt rund 300 am Tag.
Schwere Einbußen für Logistikunternehmen
Für Zehntausende Reisende bedeutete der Busersatzverkehr Zeitverlust und Ärgernis. Schwere finanzielle Einbußen mussten Logistikunternehmen hinnehmen. Ein Gutachten im Auftrag der Branche bezifferte den gesamten volkswirtschaftlichen Schaden auf mehr als zwei Milliarden Euro. Das Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) beklagte eine wahrscheinlich dauerhafte Verlagerung von Verkehr auf die Straße. Über die Deutsche Bahn und das Baukonsortium brach heftige Kritik auch aus der Politik herein. Die Bohrung nur wenige Meter unter der Rheintalbahn hindurch sei leichtsinnig gewesen. Ausweichstrecken hätten kaum zur Verfügung gestanden.
NEE-Geschäftsführer Peter Westenberger nannte die Zwischenbilanz zu den Folgen der Streckensperrung deprimierend. Deutsche Bahn und Regierung müssten das milliardenschwere Rastatt-Desaster endlich als Weckruf begreifen. „Wir fordern eine transparente Aufarbeitung der Ursachen, eine schnellere Regulierung der Schäden und eine Beschleunigung des Schienennetzausbaus.”
Eine Bahnsprecherin sagte dagegen, das Unternehmen habe aus Rastatt gelernt. „Gemeinsam mit der Branche haben wir im vergangenen Jahr intensiv daran gearbeitet, künftig Störungen schneller in den Griff zu bekommen.” So seien klare Prozesse und schnelle Kommunikationswege für ein internationales Störungsmanagement vereinbart worden.
Die Ursachenforschung geht weiter
Bahn und Bauunternehmen sitzen immer noch in einem Schlichtungsverfahren zusammen. Sie wollen einen langen Prozess um Schuldzuweisung und Schadenersatz vermeiden. Voraussichtlich noch bis Ende August werden weitere Bohrproben des Baugrundes genommen, in der Hoffnung, der Ursache des Desasters auf die Spur zu kommen.
Die Bahn hat nach eigenen Angaben inzwischen die Betonbarriere aus der kaputten Oströhre herausgefräst, die als erste Notmaßnahme geschüttet worden war, um den intakten Teil des Tunnels zu sichern.
Von der anschließenden rund 150 Meter langen Betonfüllung unter den Gleisen der Rheintalbahn, insgesamt mehr als 10.000 Kubikmeter, sind erst 6 Meter herausgefräst, um Platz für Versorgungsschächte zu schaffen. Nach bisherigen Angaben der Bahn soll der Tunnel 2024 fertig werden, zwei Jahre später als ursprünglich geplant. (dpa)