"Ein bisschen Chef, das geht nicht"

Das Coronavirus und seine Folgen für die Wirtschaft werden immer extremer. "Die Lage bei uns als Logistiker und Frachtführer spitzt sich täglich zu", sagt Marvin Schlecht, Prokurist der Schlecht Logistik in Filderstadt. Zusammen mit seinem Bruder Dennis und seinem Vater, Firmengründer Dieter Schlecht, steuert er den 1993 gegründeten Familienbetrieb durch diese schweren Zeiten. "Viele Touren sind ausgesetzt, da die Wirtschaft nicht arbeitet. Eine Alternative für den Einsatz unserer Lkw und Mitarbeiter haben wir nur sehr bedingt", berichtet der 30-Jährige. Entsprechend habe sein Unternehmen bereits Fahrzeuge stehen lassen müssen und könne einige Mitarbeiter aktuell nicht ausreichend beschäftigen. Ausbau des Lagergeschäfts geplant Dabei hat sein Unternehmen erst zu Jahresbeginn eine neue Zweigstelle in Gerlingen mit einem 1000 Palettenplätze fassenden Hochregallager bezogen. Hier möchte die Firma als zweites Standbein mit der Kommissionierung und Konfektionierung für die E-Commerce-Branche starten. Schon die Standortsuche in der Region Stuttgart war schwierig und zog sich über 3,5 Jahre hin. "In Filderstadt, unserem Lebensmittelpunkt, ist seit Jahren nichts Bezahlbares zu finden. Die Quadratmeterpreise und -mieten sind hier abartig - nicht nur für Gewerbeimmobilien", erklärt Geschäftsführer Dieter Schlecht. Die hohen Lebenshaltungskosten erschweren es dem 60-Jährigen zufolge auch, Fahrpersonal aus anderen Regionen anzuwerben. "Ich muss sie also so bezahlen, dass sie lebensfähig sind. Gleichzeitig muss ich darauf achten, dass ich einen Frachtpreis habe", betont Dieter Schlecht. Letzteres sei schon vor der aktuellen Krise zunehmend schwierig gewesen, ergänzt Marvin Schlecht: "Es gibt im Moment keine kostenbasierte Preisverhandlung, es gibt eine Preisverhandlung auf Marktpreisbasis. Und das, obwohl wir in den letzten zwei Jahren deutliche Mehrkosten vor allem beim Fahrpersonal hatten. Das heißt, die Kosten steigen und die Preise tun es nicht." Marvin Schlecht weiß, wovon er spricht, denn die Verhandlungen mit den Kunden führt er. Schon seit die beiden Söhne als Prokuristen in die Firma eingestiegen sind, zieht sich Dieter Schlecht schrittweise aus dem operativen Geschäft zurück. BWL-Studium und Praxiserfahrungen "Marvin macht alles, was in die betriebswirtschaftliche Richtung geht, also Kunden, Personal und Buchhaltung und ich kümmere mich um die technischen Fragen. Fuhrpark, Fahrzeuge, Werkstätten, Maut und Tankstellen sind mein Part", beschreibt Dennis Schlecht die Aufgabenverteilung. Der 27-Jährige stieg vor 2,5 Jahren nach einer technischen Ausbildung und einem berufsbegleitenden BWL-Studium in den elterlichen Betrieb ein. Insgesamt vier Jahre arbeitete er zuvor bei einem Partyartikelhersteller in Logistik und Vertrieb und verantwortete dort zuletzt die europaweite Bedarfsplanung für 15.000 Artikel. Sein drei Jahre älterer Bruder Marvin war nach seinem dualen BWL-Studium schon mit 24 Jahren Teamleiter Controlling und Buchhaltung bei einem amerikanischen Großkonzern, bevor ihn vor 3,5 Jahren "die Chance, schon in jüngeren Jahren mehr Verantwortung zu übernehmen" ins eigene Unternehmen lockte. Vorgezeichnet war dieser Weg aber nicht. "Meine Kinder waren bis zu dem Tag, als sie hier angefangen haben, keinen Tag im Betrieb", betont Dieter Schlecht. "Ich wollte meine Söhne nie dazu motivieren, in die Selbstständigkeit zu gehen, weil das eine große Herausforderung ist und man ein sehr großes Risiko fährt", ergänzt der gelernte Automobilkaufmann. Damit noch genug Zeit für das Privatleben bleibt, hat er sich früh dafür entschieden, dass das Geschäft überschaubar bleiben soll. Denn was vor 27 Jahren gemeinsam mit einem ehemaligen Bundeswehrkollegen mit einer Tagestour und einem Lkw startete, wuchs in der Vergangenheit auf bis zu 150 Fahrzeuge an. Seit 17 Jahren betreibt Dieter Schlecht das Unternehmen allein. "Ich wollte das in einer Größe fortführen, bei der man im Sommer auch mal bei Tageslicht nach Hause kommt und noch einen kleinen Bekanntenkreis hat", so der Gründer. Heute ist der Fuhrpark deshalb auf rund 50 ziehende Einheiten, alles 40-Tonner, begrenzt. Zum Großteil besteht die Flotte aus "Scania S 500", die maximal zwei Jahre alt sind. Hinzu kommen noch einige Lkw von Mercedes-Benz sowie etwa 90 Auflieger und Anhänger. Zehn Jahre Vorlauf für die Übergabe Seinen Ausstieg plant Dieter Schlecht bereits seit fünf Jahren. Ein Jahrzehnt dauert es dem Unternehmer zufolge, die Weichen für die Übergabe zu stellen. Nun steht diese in der aktuellen Krise unter ganz besonderen Vorzeichen. "Wir hoffen, dass sich die Lage bald merklich bessern wird. Aber diese Lage ist so dynamisch, dass jegliche Vorhersage bereits nach Stunden wieder komplett hinfällig sein kann", so Marvin Schlecht. Mehr zum Thema unter #Unternehmensführung www.verkehrsrundschau-plus.de/hashtag In Kürze Die Corona-Krise hält auch die Schlecht Logistik in Filderstadt in Atem. Dabei hat der Familienbetrieb erst im Januar als zweites Standbein einen neuen Standort für die Lagerlogistik in Gerlingen eröffnet. Auch zieht sich Dieter Schlecht seit einigen Jahren schrittweise aus dem operativen Geschäft zurück. 150 Fahrzeuge zählte der Schlecht-Fuhrpark, bevor ihn Dieter Schlecht auf ein Drittel reduzierte.