Dunkle Wolken im Wahlkampf

Zwei Monate vor der Bundestagswahl ist Verkehrsminister Alexander Dobrindt durch die Kartellvorwürfe gegen die Autoindustrie und den Dieselskandal zu einer Schlüsselfigur im Wahlkampf geworden. Kurz vor dem Gipfel mit den Automanagern bewegt sich der CSU-Politiker auf verschiedenen politischen Ebenen: am bayerischen Stammtisch und in der nervenzehrenden Auseinandersetzung mit den Autobauern. Ein Mann der vielen Rollen Das Rollenspiel scheint ihm wenig Probleme zu bereiten, wenn man auf seinen vollen Terminkalender schaut. So wettert er gegen die "linke Saubande", die Hamburg während des G20-Gipfels zerlegt habe. Zugleich genehmigt er den Bau von Ortsumgehungen und Autobahnanschlüssen mit Schwerpunkt in seiner bayerischen Heimat. "Selbstbedienungsladen", schimpft Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. "Absurder Vorwurf, alles baureife Projekte", kontert der Ressortchef. Zu Wochenbeginn titelte die rührige Pressestelle des Ministeriums: "Mehr Lebensqualität für Oberbayern". Dobrindt hatte den "feierlichen Spatenstich für die Ortsumgehung Obing an der B 304 gesetzt". Gestern wollte der Minister "eine dreistellige Zahl an Förderbescheiden" für das "Turbo-Internet", also den Glasfaserausbau in Kommunen und Landkreisen, vergeben. Wenige Tage zuvor machte er 22 Millionen Euro für das automatisierte Fahren locker, auch auf dem digitalen Testfeld an der A 9 in Bayern. Fortsetzung folgt. Nicht nur im heimischen Freistaat, auch in Berlin. Zur Überraschung auch der Hauptstadt-CDU sprach sich Dobrindt für das Offenhalten des Flughafens Tegel auch nach der Inbetriebnahme des Flughafens Berlin Brandenburg (BER) aus. Der Konsensbeschluss von 1996 verlangt aber die Schließung von Tegel, noch dazu vom BER-Anteilseigner Bund, den der Minister vertritt. Zurückhaltende Reaktionen Neben diesen Wahlkampfaktivitäten beschäftigt sich der Ressortchef mit der Vorbereitung des "Nationalen Forum Diesel", das er zusammen mit Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) leiten wird. Mit Stickoxiden, Fahrverboten und Nachrüstungen standen bereits mehrere heikle Themen auf der Tagesordnung. Jetzt kommen die Kartellvorwürfe hinzu, eben die zwischen Daimler, VW, Audi, Porsche und BMW offenbar seit den Neunzigerjahren getroffenen Absprachen über Kosten, Zulieferer, Märkte, Strategien und Technik. Dobrindt reagierte zurückhaltend. "Kartellrechtliche Absprachen wären eine zusätzliche Belastung für die Thematik, die wir gerade mit der Automobilindustrie haben." Die Vorwürfe müssten untersucht und gegebenenfalls Konsequenzen gezogen werden. Ursprünglich sollte am 2. August nur darüber beraten werden, wie Fahrverbote mit möglichen Nachrüstaktionen vermieden werden können. Die Zeit drängt, denn das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte in der vergangenen Woche eine Klage der deutschen Umwelthilfe (DUH) auf dem Tisch, mit der die Landesregierung gezwungen werden sollte, konsequenter gegen die Luftverschmutzung in Stuttgart vorzugehen. Eine Entscheidung soll in Kürze ergehen. Ein ungünstiger Zeitpunkt Die Kartellvorwürfe kommen dem CSU-Wahlkämpfer höchst ungelegen, da der Wahlkampf zu Beginn des Sommers in seinem Sinne ruhig dahinzuplätschern schien. Jetzt haben die Grünen eine Sondersitzung des Bundestagsverkehrsausschusses wegen der "Machenschaften des Autokartells" beantragt, SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz forderte die im Urlaub befindliche Regierungschefin Angela Merkel (CDU) auf, die Kartellvorwürfe zur Chefsache zu machen. Die Vorwürfe müssten konsequent aufgeklärt werden, aber man solle kein Pauschalurteil über die ganze Branche fällen, mahnte Matthias Wissmann, Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA). Auch die EU-Kommission hat sich eingeschaltet. Der Verdacht, die Autoindustrie habe jahrelang zulasten der Verbraucher illegale Absprachen getroffen und Abgaswerte geschönt, ist für den Minister nicht ungefährlich, wirft ihm doch die Opposition seit dessen Amtsantritt ein kumpelhaftes Verhältnis zur Autoindustrie vor. Fahrer von Dieselautos sind Wähler, die nicht verprellt werden dürfen. Die Diskussion über drohende Fahrverbote hat bewirkt, dass die Neuzulassungen von Dieselfahrzeugen im Juni um neun Prozent zurückgegangen sind, der Marktanteil schrumpfte auf 41 Prozent.

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