Drittausrüster gegen OEM

Wohl nur wenige Märkte sind so unübersichtlich wie der Telematikmarkt. Außer den rund einem halben Dutzend Systemen der Lkw-Hersteller gibt es eine kaum noch zu überblickende Zahl von Drittlösungen. Marktkenner sprechen von über 100 nationalen und internationalen Systemen, zwischen denen Transporteure wählen können.Viele verlassen sich deshalb auf Empfehlungen Dritter. Bei der Nosta Gruppe in Osnabrück war dies nicht anders. "Wir haben ausschließlich Systeme, welche bereits von Partnern eingesetzt werden, in die engere Wahl gezogen", erinnert sich IT-Geschäftsbereichsleiter Udo Kaiser.Rund 300 Lkw-Züge setzt das niedersächsische Unternehmen für Automotive-, Chemie-, Konsumgüter, Lebensmittel- und Metalltransporte ein. Außer den rund 150 eigenen Fahrzeugen sollten auch die Subunternehmer-Fahrzeuge ausgerüstet werden, die regelmäßig für Nosta fahren. "Wir suchten ein einziges System für alle Fahrzeuge", sagt Kaiser. "Weil unser Fuhrpark bunt gemischt ist, schied eine Herstellerlösung von vornherein aus." Als K.o.-Kriterium definierten Kaiser und seine Mitarbeiter außer dem Preis eine leichte Installation und einfache Bedienung. "Fahrer und Fahrzeuge mancher Subunternehmer wechseln häufig", sagt Kaiser. "Ein schneller Einbau hatte deshalb für uns Priorität."Am Ende machte Couplink mit einer Android-Lösung das Rennen. Der Anbieter aus Aldenhoven bei Aachen wirbt mit 10-minütigen Installations- und 15-minütigen Einweisungszeiten. Außerdem kann seine Lösung alle Daten am Smartphone abbilden und per standardisierter Schnittstelle problemlos in die Speditionssoftware von Nosta einspeisen.Nicht jeder kann MischflottenNosta hat Kriterien formuliert, welche eine Entscheidung für und gegen ein einzelnes System vergleichsweise leicht machen. Mit niedrigen Kosten, leichter Handhabung und Installierbarkeit für alle ziehenden Einheiten kann nicht jede Lösung punkten. Beim letzten Punkt muss auch manches OEM-Produkt wie die neue Version von MAN Telematics passen. Im Gegensatz zu Fleetboard (Daimler) oder Dynafleet (Volvo) kann dieses nicht in fremde Fabrikate verbaut werden.Bei den Systemdienstleistungen gibt es hingegen nur wenig Unterschiede zwischen Fleetboard & Co und den führenden Drittsystemen. Fahrzeuge orten und navigieren, wichtige Betriebsdaten abrufen, Lenk- und Ruhezeiten kontrollieren, Routen optimieren, Aufträge übermitteln, Scanvorgänge für Anlieferung und Abholung überwachen: Mit diesen Features müssen heute alle Lösungen für größere Flotten überzeugen.Verlader legen die Messlatte hochJedes System sollte nicht nur über Canbus-Anbindungen und Flottenmanagementsystem (FMS)-Schnittstellen Fahrer- und Fahrzeugdaten abrufen, sondern auch über standardisierte Schnittstellen zur gängigen Speditionssoftware verfügen. Auch die Verlader haben Wünsche: Viele fordern Anbindungen an ihre ERP-Systeme, wenn ein Zugang zu den Telematikdaten über Cloud-Computing nicht infrage kommt. Über mögliche Störungen in der Supply Chain wünschen sie in Echtzeit informiert zu werden. "Anhand der Verkehrsinformationen muss ein System jederzeit die Estimated Time of Arrival (ETA) ermitteln", sagt Horst Neumann, Prokurist des IT-Systemhauses Euro-Log in Hallbergmoos. "Mit Fahrzeugortung allein gibt sich kaum noch ein Verlader zufrieden." An einem Pflichtenheft, welches eigene Anforderungen und Kundenwünsche auflistet, kommt kein Logistikdienstleister vorbei.Anschließend muss er eine Entscheidung treffen. Weil Hersteller wie Daimler, Scania und Volvo ihre Lösungen in einzelnen Modellreihen längst serienmäßig verbauen und auch Fremdfahrzeuge mit ihrem System ausstatten, kommen ihre Lösungen wenigstens auf dem Papier auch für Mischflotten infrage. Doch die Drittanbieter sind gerüstet: "Mit einem bis zu 20 Euro teuren Adaptersatz kann jede Hersteller-Telematik in unser System integriert werden", verspricht Rüdiger Schallock, Verkaufsleiter von Astrata Europe im niederländischen Waalre.Der Teufel liegt jedoch im Detail. Die Lkw-Hersteller schalten ihre FMS-Schnittstelle für Drittsysteme nicht komplett frei. Als Konsequenz können Drittlösungen nicht alle Fahrzeugdaten abrufen. Vor allem Daimler gilt als sehr stringent. Über den Treibstoffverbrauch können Drittsysteme bei Mercedes-Lkws nur Standardwerte ermitteln, erlebte der Ludwigshafener Telematikexperte David Keil während mehrerer Projekte. Auf Verbrauchsdaten während eines bestimmten Fahrzeugstands müssen die Nutzer verzichten "Die Hersteller wollen für ihre Systeme wichtige Alleinstellungsmerkmale erhalten", urteilt Keil. Vor dem Kauf eines OEM-Telematiksystems sollten Transportunternehmen die Schnittstellen-Beschreibungen der Fahrzeughersteller genau studieren, lautet seine Empfehlung. Gleiches gilt für Unternehmen, welche bereits ein System haben und auf andere Fahrzeugmarken wechseln wollen. "Die Qualität der Reportings von Drittanbietern steht und fällt mit den Daten, auf die sie zurückgreifen können", mahnt Keil.Solche Nachteile wollen die Unabhängigen mit maßgeschneiderten Programmierungen wieder wettmachen. Vor allem Systemhäuser, welche Hardware und Software selbst entwickeln und eigene Rechenzentren betreiben, spielen hier ihre Stärken aus. Wer besondere Lösungen für Auftragsmanagement, Scan-Abläufe für Warenabholungen oder Fahrerbewertungen wünscht, kommt an ihren Lösungen kaum vorbei (siehe Kasten links)."Auch bei der Übertragung von Trailerdaten an die Zugmaschine haben Drittanbieter wiederholt mit besonderen Programmierungen überzeugt", berichtet Keil aus seinen Berufserfahrungen in einer Kühlspedition. Er darf sich hier von manchem Hersteller bestätigt fühlen: "Bei besonderen Transporten für Pharma- und Kühlprodukte kann ein zweites System sinnvoll sein", sagt Dietrich Müller, Geschäftsführer der Daimler-Tochter Fleetboard. Auch MAN hält laut einem Sprecher unterschiedliche Systeme für sinnvoll, wenn Einsatzdaten ausgewertet und die Wirtschaftlichkeit der Fahrweise überprüft werden sollen.Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Telematik www.verkehrsrundschau.de/dossiersTippTelematik richtig auswählen- Treffen Sie eine Produktentscheidung auf Basis betrieblicher und operativer Kriterien wie Schnittstellen und Bedienbarkeit. Reichen Standard- und Paketlösungen der OEMs aus? Oder benötigen Sie Zusatzapplikationen durch Drittanbieter?- Achten Sie bei Lösungen von Drittanbietern auf möglichst offene Schnittstellen für den Datenaustausch mit der Speditionssoftware sowie dem Fahrzeug über Canbus oder FMS-Schnittstelle. Spätere Produkt- und Fahrzeugwechsel fallen dann leichter.- Prüfen Sie, welchen Aufwand mögliche Verladerrestriktionen verursachen: Kann Ihr Systempartner diese in einfache, leicht verständliche und möglichst mehrsprachige Dialoge mit dem Fahrer umsetzen?- Definieren Sie eine Obergrenze für die Kosten. Prüfen Sie auch bei sehr schlanken Lösungen mehrere OEM- und Drittlösungen. Bei Smartphone-basierten Lösungen gibt es bei vielen Produkten noch Verbesserungsbedarf in Sachen Darstellung und Bedienbarkeit. botPabst entscheidet sich gegen Hersteller-TelematikOEM nicht genug ÖkoBei der Auswahl eines Telematiksystems für eine Flotte aus 300 Lkw von MAN und Volvo spielte für Pabst Transport aus Gochsheim der Umweltschutz eine wichtige Rolle. Das Unternehmen will seinen Fahrern und Subunternehmern ab 2016 Prämien auf Basis eines Eco-Rankings zahlen. Je weniger Schadstoffe diese während ihrer Touren verursachen, desto höher fallen die monatlichen Honorierungen aus. "Die notwendigen Daten muss die Telematik liefern", sagt IT-Leiter Andreas Wagner. Mit den Daten von MAN Telematic und Volvo Dynafleet könnten diese Werte problemlos errechnet werden. Pabst bestand jedoch auf zusätzliche Daten, welche die "Einsatzschwere" (Wagner) jeder Tour berücksichtigen. "Für eine faire Bezahlung müssen wir die genauen Rahmenbedingungen kennen", sagt Wagner. "Es ist ein Unterschied, ob ein Fahrer auf der Autobahn, Berg-und-Tal-Straßen oder in der Stadt unterwegs ist." Weil die OEM-Systeme diese Anforderungen nicht erfüllten, entschied sich Pabst für die Lösung von Trendfire in Böblingen. Mit dem IT-Haus entwickelten die Unterfranken ein Tool, welches geografisches Umfeld, Ladungsgewichte, angepasste Geschwindigkeiten, Stopp-Zahlen und andere Parameter für die Nachhaltigkeitsberechnung einer Tour berücksichtigt. bot

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