Drei Kammern für das gleiche Bild

Der Umgang mit flüssigen Gefahrgütern in Tankfahrzeugen und Containern kann eine riskante Sache sein. Schläuche, Kupplungen und andere Armaturen müssen richtig bedient werden, eine entsprechende Schulung der Fahrer und des Ladepersonals ist Voraussetzung. Aber auch die Mitarbeiter in der Disposition sollten wissen, was bei der Be- und Entladung von Tanks wichtig ist. Nur so ist gewährleistet, dass alle, die an einem Transport flüssiger Güter beteiligt sind, auch die gleichen Bilder im Kopf haben und sich gegenseitig verstehen. Bei der internationalen Fachspedition Hoyer hat man sich über dieses Problem Gedanken gemacht und einen speziellen Schulungscontainer entwickelt. Er basiert auf einem Swapbodytank und verfügt über drei Kammern, von denen eine begehbar ist, während die anderen beiden voll funktionsfähig sind. Damit ist es möglich, nicht nur das Innenleben eines Tanks zu demonstrieren, sondern zugleich auch die Bedienung an echten Armaturen zu üben. Für diesen Container hat die Spedition Hoyer nun den Innovationspreis Gefahr/ gut 2015 erhalten (siehe Kasten Seite 32). Swapbodytanks sind Tankcontainer, bei denen der Tank größer ist als der ihn umgebende Rahmen. Begonnen hatte die Entwicklung zum Jahreswechsel 2013/2014. "Wir wollten unser eigenes Personal schulen", erinnert sich Dieter Platz, Manager Netlog Equipment Development and M&R Management bei der Hoyer-Geschäftseinheit Chemilog. Und weiter: "Dazu brauchten wir natürlich ein Gerät, das Funktionalitäten bietet." Denn es sollte ja sowohl für Dispositionsmitarbeiter als auch für Fahrer geeignet sein. Der entscheidende Vorteil des neuen Schulungscontainers, der im Juli 2014 in Betrieb ging, liegt denn auch in seiner vielseitigen Verwendbarkeit. Begehbare Tanks für Besichtigungen gibt es zwar schon länger, doch sind sie eben nicht für praxisbezogene Vorführungen und Simulationen geeignet. Der Container von Hoyer verfügt dagegen über zwei voll funktionsfähige Kammern mit 1,6 bar Betriebsdruck, die oben und unten in den Tank eingelassene Sichtscheiben haben und von innen beleuchtet sind. Das Luftventil ist jeweils von unten bedien- und anschließbar. Technik zum Anfassen und Anschauen Kammer eins hat zudem ein pneumatisch zu betätigendes Bodenventil mit Verbindung zur Überfüllsicherung von Kammer zwei, einen Anschluss mit Ventil für die Beladung von oben, einen funktionsfähigen Füllstandsensor sowie isolierte Bodenauslauf- und Domkästen. Die zweite Kammer besitzt ein mechanisch zu betätigendes Bodenventil, ein Steigrohr mit Ventil für die Be- und Entladung sowie Überfüllsicherung und Reinigungskopf, die beide funktionsfähig sind. Die dritte Kammer schließlich ist zugänglich über eine Treppe und eine hochklappbare Flügeltür. Tafeln an der Tankinnenwand demonstrieren unterschiedliche Beschichtungsarten, ein Computer mit großem Bildschirm kann für Präsentationen und als Zugang ins Internet genutzt werden. Über zwei Sichtscheiben in der Trennwand lässt sich auch von hier aus das Geschehen in Kammer zwei beobachten. Auf der Außenseite des Containers hat man einen Teil der Isolierung entfernt, um die darunter liegenden Dampfrohre, Vakuumringe, die Ablaufrohre vom Mannlochkasten, das funktionsfähige Glykol-Heizsystem sowie mehrere Tafeln mit verschiedenen Elektroheizungen zu zeigen. Das Fahrgestell ist mit Schränken mit Materialien für Unterrichtszwecke und Geräten für die Simulation ausgerüstet. Dazu gehören Entladepumpe, Kompressor, verschiedene Schläuche, Armaturmodelle und weitere Ausstattungen. Über eine Aufstiegstreppe zur Plattform kann man den Container mit seinen Domdeckeln und Mannlöchern schließlich auch von oben begutachten. Mannlöcher sind die Einstiege in einen Behälter, in denen sich Menschen nur selten aufhalten müssen. Oft sind sie rund ausgeführt und nur so groß, dass ein normal gebauter Mensch hindurchkommt. Container auf Schulungsreise Durch die umfangreiche Ausstattung lassen sich am Container die verschiedensten Situationen gefahrlos mit Wasser durchspielen: Be- und Entladung, Druckentladung, aber auch bei der Beladung gegen die Überfüllsicherung fahren oder das Bodenventil zufallen lassen. "Alles Dinge, die an verschiedenen Entladepositionen heute gang und gäbe sind", weiß Platz und ergänzt launig: "Besser mit Wasser matschen als mit einem Produkt der Klasse 6.1." Das sind giftige Stoffe. Schnell zeigte sich nach den ersten Schulungen, die im Juli 2014 starteten, dass Kunden der Spedition ebenfalls am neuen Konzept interessiert waren. Denn die verladende Chemieindustrie steht vor dem gleichen Problem: Wie können kaufmännische Mitarbeiter so unterwiesen werden, dass sie beim Stichwort Tanktransport die gleichen Bilder vor Augen haben wie der Dienstleister und seine Fahrer? Bei Hoyer hat man die Nachfrage aufgegriffen und lädt Verlader zu Schulungen ein, bei Bedarf wird der Container zum Kunden gebracht. "Damit werden die Reibungsverluste geringer", sagt Platz. Interesse zeigen auch Behörden, die für Rettungseinsätze bei Unfällen mit Gefahrgut zuständig sind. Mittlerweile hat man das Gerät bei der Wasserschutzpolizei Hamburg, der Feuerwehr Lübeck und anderen Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zur Schulung von Einsatzkräften eingesetzt. "Seit dem 4. Juli vergangenen Jahres haben wir circa 1500 Personen durch den Schulungscontainer geschleust", fasst Hoyer-Fachmann Platz zusammen. Gemeinsam mit dem Tank waren er und seine Crew nicht nur auf vielen Betriebshöfen in Deutschland unterwegs, sondern auch an Hoyer-Standorten in Spanien, Italien, Frankreich und England. Demnächst ist eine Schulung in Norwegen geplant. Ein echter Gewinn für die Sicherheit auch bei internationalen Tanktransporten. Die Auszeichnung Der Gefahr/gut-Innovationspreis wird seit 2003 von dem Fachmagazin Gefahr/gut vergeben. Das Magazin erscheint, wie die VerkehrsRundschau, im Verlag Heinrich Vogel. Mit der Vergabe des Innovationspreises prämiert die Gefahr/gut ein Unternehmen, das nachweislich eine innovative Gefahrgutlösung erfolgreich eingeführt hat, die zur Erhöhung der Sicherheit beim Gefahrguthandling beiträgt. Der Preis wird vergeben durch den Fachbeirat der Gefahr/gut, der aus 17 Experten aller Bereiche des Gefahrguthandlings wie Chemie, Transport, Ausbildung, Beratung, Handel, Verbände und Ministerien besteht. Bewerben können sich Firmen, bei denen ein Bezug zum Gefahrgutsektor gegeben ist, zum Beispiel Dienstleister (Transport, Umschlag, Lagerung), Hersteller, Händler, Verpacker oder Endabnehmer. svBisherige Preisträger2003: Kraftwerk Mehrum2004: Spedition Hans Lechner2005: Sommer Fahrzeugbau, 2006: LSU Schäberle2007: Nordpack2008: Clariant2009: Container Master Project, 2010: Cargo Safety Systems2011: Merck2012: Willig2013: Sick/ECTN2014: Gelkoh 2015: Hoyer

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