Die Zukunft des Landes und der Logistik

Stell dir vor, es gibt Geld, aber keiner nimmt es. Unvorstellbar? Nein, in Deutschland ist das derzeit der Fall. "Im Moment stimmt das Argument einfach nicht, dass kein Geld da ist - es ist da", sagte die parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesverkehrsminister, Dorothee Bär, auf dem Dialogforum des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) in Berlin vergangene Woche. "Es ist eine Schande" Diese für die Verkehrswege nicht abgerufenen Mittel waren ein Dauerthema auf der Tagung des Verbandes. Als Außenstehender konnte man angesichts dieser Debatte den Eindruck gewinnen, dass es um die Transport- und Logistikbranche schon mal schlimmer bestellt war. Vor allem, wenn man bedenkt, mit welchen Themen die Branche sich die letzten Jahren herumschlagen durfte: Ob nun die existenzbedrohlichen Folgen der Wirtschaftskrise 2009 oder jüngst die Einführung des Mindestlohnes. Dagegen wirken die nicht abgerufenen Infrastrukturgelder wie ein Luxusproblem. Oder doch nicht? Jochen Quick jedenfalls, nach eigener Aussage ein nicht sehr geduldiger Mensch, kann bei diesem Thema schon mal der Kragen platzen. "Es ist eine Schande, wenn ein Bundesland mit so zentraler Bedeutung für die Logistik wie Nordrhein-Westfalen zwar über die größte Anzahl maroder Brücken verfügt, aber nur wenig bedeutende baureife Projekte in der Schublade liegen hat", echauffierte sich der Präsident des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). "Wir können es uns nicht leisten, so die Zukunft eines Landes zu verschlafen", bemängelte der Verbandschef. Bär verriet, dass das Bundesverkehrsministerium Änderungen in der Auftragsverwaltung der Bundesfernstraßen anstrebt. "Aber da schlagen zwei Herzen in meiner Brust", bekannte die CSU-Politikerin. Denn nur ein Bundesland sei von diesem Vorhaben nicht so begeistert - ausgerechnet Bayern. Eine Bundesgesellschaft soll die Planungs- und Baukompetenzen von den Ländern übernehmen, um so Projekte schneller zur Baureife zu bringen und um das zur Verfügung stehende Geld einsetzen zu können. Quick äußerte zudem Unmut über das Verfahren zur Beantragung der Mautharmonisierungsmittel: "Mittlerweile zeigen sich doch alle unzufrieden: die Verbände, die Unternehmen aber auch das Ministerium." Er regte an, das Verfahren komplett neu zu überdenken. Damit stieß er bei Bär auf offene Ohren. "Wir wollen alles andere, als dass uns und damit den Unternehmen diese Gelder verloren gehen", sagte sie und versprach dazu zeitnah einen Termin mit den betroffenen Verbänden. Anfang November, so war im Nachgang zu hören, soll es soweit sein. In der abschließenden Diskussionsrunde sorgten vor allem die Pläne der Bundesregierung, die Lkw-Maut ab 2018 auf alle Bundesstraßen auszuweiten, für eine lebhafte Debatte. "Wir müssen aufpassen, dass wir die ländlichen Räume nicht noch mehr durch die Maut schwächen", warnte Mathias Krage, Präsident des Deutschen Speditions- und Logistikverbandes (DSLV). Quick äußerte die Befürchtung, Unternehmen in ländlichen Regionen könnten deshalb über eine Standortverlagerung nachdenken. Der CSU-Bundestagsabgeordnete Ulrich Lange, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Verkehr und digitale Infrastruktur der CDU/CSU-Fraktion, bekräftigte nochmals die Entscheidung, dass es 2018 eine Lkw-Maut für alle Bundesstraßen geben soll. "Aber die Maut darf nicht die ländlichen Gebiete abschneiden", gestand er zu, sodass Hoffnung auf eine Ausgestaltung der Maut besteht, die auf wirtschaftsschwache Regionen Rücksicht nimmt. Dass die Länder bis dahin weiter nicht in der Lage sind, Gelder abzurufen und daher die Einnahmen aus der Maut nicht benötigt werden, darauf sollte sich das Logistikgewerbe lieber nicht verlassen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier BWVL www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Zukunft des Werkverkehrs Nicht vom Aussterben bedroht Die letzten Jahre war der Werkverkehr laut Statistik des Kraftfahrtbundesamtes tendenziell rückläufig im Vergleich zum gewerblichen Verkehr, weshalb immer wieder die Frage auftauchte, ob der Werkverkehr überhaupt noch eine Daseinsberechtigung hat.Harald Gleißner, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin, führt in Zusammenarbeit mit dem BWVL eine Studie zum Werkverkehr in Deutschland durch. Erste Ergebnisse präsentierte er auf dem BWVL-Dialogforum. Bislang haben sich 81 Unternehmen an der Befragung beteiligt (die Umfrage läuft noch)."Aus den Ergebnissen kann man entnehmen, dass die Betriebe den Werkverkehr sogar leicht ausbauen wollen", sagte Gleißner. Als wichtige Gründe für das Festhalten an dem eigenen Fuhrpark werden vor allem die kurzfristige Verfügbarkeit der Transportleistung, die Servicequalität bei der Auslieferung sowie spezielle Anforderungen an die Produkte bei Beund Entladung und Transport genannt.Christian Labrot, Hauptgeschäftsführer des BWVL, sah sich darin bestätigt, dass die Frage nicht lautet, "Werkverkehr: Ja oder nein?", sondern nur:"Wie viel Werkverkehr?" Seiner Ansicht nach spielt auch eine wichtige Rolle, dass die Unternehmen mit eigenem Fuhrpark einen Benchmark haben und somit die Leistungen der Dienstleister besser einschätzen können. cd

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