Die Uhr tickt

Es ist ja nicht so, als ob Georg Duwensee, kaufmännischer Leiter bei der Duwensee Spedition in Heusenstamm, Unsicherheiten nicht kennen würden. Aber das Gezerre um den Brexit kostet ihn und seine Mitarbeiter nicht nur Nerven, sondern auch Zeit und damit Geld. "Es ist höchste Eisenbahn, dass eine Entscheidung getroffen wird", appelliert er an die Verantwortlichen. Die Duwensee Spedition ist Spezialist für Großbritannien (GB). Fünf Abfahrten pro Tag bietet das Unternehmen derzeit zwischen dem Festland und den britischen Inseln an. Transportiert wird nahezu alles: von Autoteilen über chemische Produkte bis hin zu Pharmazeutika und vieles mehr. Bei Duwensee ist Flexibilität gefragt "Jahresverträge kennen wir in dem Geschäft ohnehin nicht", sagt Duwensee und unterstreicht damit, dass die Spedition gewohnt ist, mit Unsicherheiten umzugehen. Doch der monatelange Stillstand in London sorgt für Ungewissheit, die die Spedition zu zahlreichen Aktivitäten zwingt. "Wir machen regelmäßig Telefonkonferenzen mit unserem Mitarbeiter in England, kontaktieren Zollagenten, besuchen die Behörden", sagt Duwensee. Notwendige Maßnahmen, da der Anteil der GB-Verkehre am Gesamtgeschäft bei Duwensee immerhin zwischen 20 und 30 Prozent ausmacht. Auch seine Kunden fragen ihn immer wieder, was sie denn tun sollen. "Viel planen lässt sich nicht. Ich rate den Versendern, schon Zollnummern für ihre Produkte zu ermitteln", sagt Duwensee. Und: "Nach Möglichkeit Bestellungen vorziehen." Denn sollte es am 30. März 2019 zu einem ungeregelten Brexit kommen, rechnet er ab dem Austrittstermin mit einem Chaos, "für mindestens zwei Wochen". Der kaufmännische Leiter hat bereits entschieden, dass für diesen Fall zwei Tage vor dem Austrittstermin kein Lkw mehr in Richtung Großbritannien geschickt wird. "Kein Spediteur will seine Lkw und Fahrer tagelang im Stau stecken haben", begründet er die Entscheidung, mit der das Unternehmen nicht allein dastehen dürfte. In der EU hat man auf die Unschlüssigkeit in Großbritannien reagiert. "Zum Jahresende hat die EU einen 'Aktionsplan für den Notfall' veröffentlicht, also für den harten Brexit am 30. März", sagt Daniel Torres, im Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) zuständig für den internationalen Verkehr. In dem Plan werden Maßnahmen aufgeführt, mit denen grundlegende Verkehrsverbindungen aufrechterhalten werden sollen. Zu dem Rahmen, der die Verkehre mit Großbritannien regelt, gehört eine Verordnung, die sich mit dem Problem der Genehmigungen im Güterkraftverkehr befasst (siehe auch Interview). Dieser Vorschlag muss jedoch noch vom Europaparlament und dem EU-Ministerrat akzeptiert werden. "Aus der EU hören wir, dass einige Länder diesem Vorschlag skeptisch gegenüberstehen, zum Beispiel, weil dann zumindest vorläufig keine Kabotagetransporte in Großbritannien mehr möglich wären", sagt Torres. Aufgrund der nach wie vor bestehenden Ungewissheiten, wie der Verkehr nach dem Brexit auf britischer Seite "geregelt" wird, kann Torres keine konkreten Empfehlungen aussprechen. Guido Belger, Leiter der Abteilung für Rechtsfragen im BGL, weist darauf hin, dass die Genehmigungsfrage besonders problematisch ist: "Bei den Zollformalitäten und Vertragsgestaltungen gibt es durchaus Maßnahmen, mit denen sich die Dienstleister für den Übergangszeitraum auf den Brexit vorbereiten können" (siehe Teil 2 und 3 der Brexit-Serie). BGL hofft auf schnelle Lösungen Torres geht jedoch davon aus, dass, sobald eine Entscheidung bezüglich des Brexits getroffen ist, die Briten sehr schnell eine praktikable Lösung suchen werden, den Lkw-Verkehr zwischen der EU und Großbritannien aufrechtzuerhalten. "Großbritannien kann sich eine tage- oder wochenlange Unterbrechung des grenzüberschreitenden Warenaustausches gar nicht erlauben. Dazu sind die britische Industrie und der Einzelhandel viel zu stark abhängig von der Versorgung durch den Lkw vom Festland." Andererseits müssten sich alle darüber im Klaren sein, dass allein die Abfertigung der Lkw an der Grenze aufgrund der dann notwendigen Zollkontrollen zu kilometerlangen Staus führen würde. Es könnte also eng werden in den kommenden Monaten. Duwensee beobachtet derzeit zwar kaum Veränderungen bei der Nachfrage auf der Route, aber zwei gegenläufige Entwicklungen. "Einerseits gibt es Kunden, die dem Rat folgen und jetzt bereits frühzeitig Waren versenden", so der Spediteur. Andererseits würden Investitionen zurückgestellt und damit verbundene Warenströme entfallen. "Zudem beobachten wir, dass sich vor allem kleinere Transportdienstleister angesichts der Unsicherheiten um den Brexit aus dem GB-Verkehr zurückziehen", sagt Duwensee. Ist das eine Chance für GB-Spezialisten, als kompetenter Dienstleister neue Geschäfte zu gewinnen? Duwensee schüttelt den Kopf: "Unter einem Brexit wird die Wirtschaft in Großbritannien leiden. Die Folge wird ein rückläufiges Transportaufkommen sein." Für ihn gibt es keine Zweifel: "Am besten wäre es, die Briten würden sich für den Verbleib in der EU entscheiden." Anm. d. Redaktion: Redaktionsschluss für den Beitrag war der 28. Januar. Entscheidungen der Politik danach konnten nicht berücksichtigt werden. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Großbritannien www.verkehrsrundschau.de/dossiers Die Serie Der Austritt und die FolgenIn unserer Brexit-Serie befassen wir uns mit den Folgen des Brexits und geben Tipps, wie sich die Unternehmen darauf vorbereiten können.- Teil 1: Die rechtlichen Grundlagen zum Brexit und die verschiedenen Brexit-Szenarien (VR 50)- Teil 2: Wie Unternehmen ihre Verträge an den Brexit anpassen sollten (VR1/2)- Teil 3: Was sich bei der Zollabwicklung verändern könnte (VR 3/4)- Teil 4: Praxishinweise zum Umgang mit dem Brexit (VR 5)

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