"Die Lkw-Maut-Erhöhung ist richtig und notwendig"

Unter dem Ex-Bundesverkehrsminister hat sich Dorothee Bär um die Belange der Transport- und Logistikbranche gekümmert. Sind die bei Andreas Scheuer wieder Chefsache? Dorothee Bär hatte mir prophezeit, dass die Aufgabe - Beauftragter der Bundesregierung für Güterverkehr und Logistik - spannend ist. Viele Themen kenne ich aus dem Verkehrsausschuss des Bundestages. Bei Andreas Scheuer merkt man, dass er große Fachkenntnis mitbringt und das Haus aus seiner Zeit als parlamentarischer Staatssekretär sehr gut kennt. Er ist seit langer Zeit der erste Verkehrsminister, der vor seiner Ernennung in der Verkehrspolitik aktiv gewesen ist. Deshalb konnten wir sofort loslegen. Das zeigen die ersten 100 Tage im Amt. Wie sieht aktuell die genaue Aufgabenteilung im Bundesverkehrsministerium aus? Es gibt nur noch zwei statt drei parlamentarische Staatssekretäre im Bundesverkehrsministerium. Das ist eine Herausforderung angesichts der vielen Aufgaben, die Enak Ferlemann und ich haben. Ich kümmere mich um die Themen Straße, Luftverkehr, Digitalisierung. Mein Staatssekretärskollege betreut die Verkehrsträger Schiene und Wasserstraße sowie den Verkehrshaushalt. Wir stimmen uns eng ab und arbeiten vertrauensvoll mit dem Minister zusammen. Welche Ziele haben Sie als Bundeskoordinator für Güterverkehr und Logistik? In erster Linie bin ich Ansprechpartner für alle Akteure im Bereich Güterverkehr und Logistik. Ich will bei Verkehrspolitikern und gegenüber den anderen Bundesministerien für die Belange der Branche werben. Aus meiner Erfahrung als Mitglied des Bundestags-Verkehrsausschusses gehe ich mit einer gewissen Rationalität an die Aufgaben heran, die sich mir in der neuen Position stellen. Angesichts des Wachstums im Güterverkehr, das wir erwarten, ist es mein erstes Ziel, dass wir dieses zusätzliche Aufkommen gut bewältigen können. Dabei will ich die Chancen der Digitalisierung nutzen, weil es hier noch viel Potenzial für die Zukunft gibt. Wichtig sind auch Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Ich werde mich deshalb dafür einsetzen, die Emissionen im Güterverkehr weiter zu reduzieren und Maßnahmen zur Verlagerung von Transporten auf Schiene und Wasserstraße zu unterstützen. Der Fokus liegt also mehr auf Gegenwartsbewältigung als auf Zukunftsvisionen. Wo sehen Sie rund 100 Tage nach Amtsantritt die größten Baustellen im Verkehrssektor? In meinem Arbeitsbereich ist es der Abgasskandal und seine Folgen. Aber auch die digitale Infrastruktur mit den Schwerpunkten Breitbandausbau und Mobilfunknetze beschäftigt mich täglich. Im Bereich Güterverkehr und Logistik ist ein anderes beherrschendes Thema der sich weiter verschärfende Fahrermangel. Auch die Lkw-Maut-Ausweitung hat mich zuletzt beschäftigt wie auch die aktuellen europäischen Vorhaben im Bereich der Verkehrspolitik. Seit Juli gilt die Lkw-Maut auf allen Bundesstraßen. 2019 soll sie dann zum Unmut der deutschen Unternehmen auf allen Fernstraßen steigen. Wie stehen die Chancen für Nachbesserungen zu deren Gunsten? Ich weiß, dass die geplanten Änderungen für die Güterverkehrsbranche Mehrkosten bedeuten. Unter dem Strich halte ich die Lkw-Maut-Erhöhung aber für richtig und notwendig. Schließlich haben wir ein sehr umfangreiches und gutes Straßennetz, das erhalten und weiter ausgebaut werden soll. Die neue Einteilung der Fahrzeugkategorien ermöglicht uns zudem eine genauere Abrechnung gemessen am Verschleiß. Damit werden wir für mehr Gerechtigkeit bei den Tarifen sorgen. Für schwerere Fahrzeuge, die unsere Straßen stärker beanspruchen, fällt dann auch eine höhere Lkw-Maut an. Verkehrsverbände halten es nicht für gerechtfertigt, dass Euro-6-Lkw mit 1,1 Cent pro Fahrzeugkilometer zur Deckung der externen Kosten der Luftverschmutzung herangezogen werden. Die von ihnen geforderte Ausnahme ist also nicht denkbar? Der Schwerlastverkehr muss seinen Beitrag leisten. Das Ziel ist ein Finanzierungskreislauf, mit dem sich die Straße selbst trägt. Deshalb sind keine grundlegenden Änderungen mehr zu erwarten. Was passiert mit den prognostizierten Mehreinnahmen in Höhe von durchschnittlich 7,2 Milliarden Euro im Jahr durch die Lkw-Maut-Ausweitung und -Erhöhung? Die fließen zweckgebunden wieder in die Straßeninfrastruktur. An den vielen Baustellen bundesweit sieht man, dass heute schon viel passiert. Mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan haben wir uns nicht nur den Erhalt der Bestandsnetze vorgenommen, sondern auch die Beseitigung von Engpässen auf Hauptachsen und in wichtigen Verkehrsknoten. Allein in Bundesfernstraßen sollen bis 2030 rund 133 Milliarden Euro fließen. Wann stehen die neuen Tarife final fest? Der Bundesrat wird in seiner letzten Sitzung vor der Sommerpause am 6. Juli über den entsprechenden Gesetzentwurf entscheiden. Wir erwarten, dass er der Lkw-Maut-Erhöhung zustimmt und die neuen Tarife zum 1. Januar 2019 in Kraft treten. Man könnte den Eindruck gewinnen, der Bund bestraft vor allem Unternehmer, die in die neueste Technik investiert haben. Wie rechtfertigen Sie eine Gebührenanhebung um bis zu 60 Prozent im Vergleich zu heute für die bis dato sauberste Euro-6-Norm? Wir freuen uns, dass die Transport- und Speditionsunternehmen in Deutschland in neue Technik investieren. Auch wenn der Euro-6-Lkw sauberer ist als Fahrzeuge älterer Abgasnormen, trägt er immer noch zur Verschmutzung der Umwelt bei. Deswegen ist es aus meiner Sicht gerechtfertigt, dass wir auch für diese Kategorie die Lkw-Maut-Erhöhung vorgesehen haben. Besonders umweltfreundliche E-Lkw wollen wir dafür ab 2019 ganz von der Maut ausnehmen. Wollen Sie 2019 auch die Mautlücke zwischen 3,5 Tonnen und 7,5 Tonnen schließen? Nein, dafür gibt es im Bundesverkehrsministerium keine Pläne. In den Koalitionsverhandlungen haben Union und SPD festgehalten, dass sie keine weitergehenden Änderungen möchten. Der Bund fördert jetzt Lkw mit alternativen Antrieben und nimmt E-Lkw von der Maut aus. Ist der Diesel-Lkw zum Ende dieser Legislaturperiode ein Auslaufmodell? Ich habe den Eindruck, dass die Transport- und Speditionsunternehmen ein großes Interesse an Lkw mit alternativen Antrieben haben. Allerdings weiß ich, dass wir noch am Anfang einer Wende in den Fuhrparks stehen. Es braucht die Fahrzeuge auf dem Markt, und deren Anschaffung muss so attraktiv sein, dass sich ein Umstieg rechnet. Solange sie teurer sind als die herkömmlichen Euro-6-Modelle, werden LNG- oder Elektro-Lkw nur in kleiner Stückzahl zum Einsatz kommen. Der Elektro-Lkw ist im Fernverkehr noch keine wirkliche Option, aber für innerstädtische Lieferverkehre. Deswegen machen wir auch die Ausnahme bei der Lkw-Maut ab dem nächsten Jahr. Parallel dazu arbeiten wir an entsprechenden Tank- und Lade-Infrastrukturen. Die neue Förderung haben wir bewusst technologieoffen gestaltet. Der Druck auf die Bundesregierung wächst, weil die Klimaziele verfehlt wurden und vor allem der Verkehrssektor hinter den selbst gesteckten Vorgaben liegt. Glauben Sie, dass die Maßnahmen aus dem Sofortprogramm "Saubere Luft" genügen, um die EU-Stickoxid-Grenzwerte zu erreichen? Wir hätten uns gewünscht, dass die EU-Kommission stärker würdigt, was wir schon alles für bessere Luft in den deutschen Städten getan haben. Mit dem Sofortprogramm "Saubere Luft" fördern wir wirksame Maßnahmen wie beispielsweise intelligente Verkehrslenkung, alternative Antriebe und Dieselbus-Nachrüstung. Fakt ist, dass wir in den letzten Jahren den Schadstoffausstoß im Verkehr schon um bis zu 70 Prozent gesenkt haben. Das Sofortprogramm ist auch nur ein Baustein, der den von Grenzwertüberschreitungen betroffenen Städten helfen soll. Der Koalitionsvertrag sieht weitere Maßnahmen und die Einrichtung einer Plattform Zukunft der Mobilität vor. Dort sollen gemeinsam mit Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft Handlungsempfehlungen erarbeitet werden, wie die europäischen und nationalen Klimaschutzziele im Verkehr erreicht werden können. Was halten Sie von Durchfahrtbeschränkungen, wie sie Hamburg beschlossen hat und die auch in anderen Städten absehbar sind? Im Grundsatz nichts. Die Hamburger haben sich dazu entschieden, zwei Straßenabschnitte für Dieselfahrzeuge zu sperren. Das hat zu Diskussionen über den Sinn der Aktion geführt, weil nun größere Umwege gefahren werden. Somit wird das Problem dort nur verlagert. Wichtig ist, dass jetzt alle daran arbeiten, die Grenzwerte in den derzeit noch 65 betroffenen Städten einzuhalten. Ich hätte mir gewünscht, dass manche Städte und Kommunen früher auf die drohende Entwicklung reagiert hätten. Diese Verantwortung weisen sie mitunter von sich. In Stuttgart etwa hat man vor zehn Jahren bereits über mögliche Diesel-Fahrverbote gesprochen. Warum will Ihr Ministerium keine blaue Plakette, um einheitliche Regeln zu schaffen? Eine blaue Plakette wäre nichts anderes als ein ganzjähriges Fahrverbot für Millionen Diesel-Fahrer. Und sie hätte einen Wertverlust für Diesel-Fahrzeuge zur Folge, die keine blaue Plakette erhalten. Deshalb sind die beschlossenen Software-Updates an 5,3 Millionen Diesel-Fahrzeugen wichtig. Dicke Luft gibt es auch im Süden. Tirol hält trotz Brenner-Gipfeln an der Blockabfertigung fest. Ist Scheuer mit seiner Strategie, nicht nach Bozen zu fahren, gescheitert? Beim Brenner-Gipfel in Bozen war eigentlich in erster Linie die Unterzeichnung einer Absichtserklärung und des Aktionsplans vorgesehen. Dann ergab sich eine mehrstündige Diskussion. Am Anfang war nicht abzusehen, wie sie verlaufen wird. Es hätten sich alle gegen Deutschland stellen oder die regionalen Vertreter verweigern können, eine Vereinbarung zu erzielen. Am Ende hat nur Tirol nicht unterschrieben - das war wohl auch nie anders geplant. Deshalb war es die richtige Entscheidung von Andreas Scheuer, nicht teilzunehmen, sondern mich zu schicken. Jetzt geht es um die Umsetzung der vereinbarten Ergebnisse. Sehen Sie ernsthaft Chancen, dass Tirol die Blockabfertigungen zurücknimmt? Mit der Position, noch mehr Blockabfertigungen anzuordnen, hat Tirols Landeshauptmann Günther Platter sich alles andere als konstruktiv eingebracht. Ich hatte den Eindruck, dass die anderen Regionalvertreter sein Vorgehen auch sehr bedauert haben. Wir werden alles tun, dass es nicht mehr, sondern weniger Blockabfertigungen gibt. Was passiert, wenn der Dialog nichts bringt? Für uns ist es zunächst wichtig, dass sich alle an die Abmachungen und Umsetzung des Aktionsplans vom zweiten Brenner-Gipfel halten. Für uns heißt das, dass wir uns um den Brennernordzulauf kümmern. Inwiefern kann die rollende Landstraße für kurzfristige Entlastung sorgen? Nach dem ersten Brenner-Gipfel haben wir die rollende Landstraße noch mal geprüft und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die Wirtschaftlichkeit leider nicht gegeben ist, selbst wenn man sie deutlich bezuschussen würde. Zumal die Kapazitäten nicht ausreichen würden. Also muss die Transportwirtschaft warten, bis der Brennerbasistunnel 2026 fertig ist? Es geht um mittel- und langfristige Lösungen. Mit dieser Ehrlichkeit sind wir in die Gespräche beim Brenner-Gipfel gegangen. Über die Kooperations-Bereitschaft in der EU wird derzeit viel diskutiert. Nicht nur am Brenner zeigen sich die oft konträren Interessen der Staaten, auch bei den Mobilitätspaketen. Zerbrechen die Reformvorhaben am Streit zwischen West- und Osteuropa? Wir hoffen auf Besserung, wenn die EU-Ratspräsidentschaft an die Österreicher übergeben wird. Leider gibt es verhärtete Fronten zwischen den osteuropäischen Staaten gegen Deutschland und andere, die unsere Interessen teilen. Wir werden alles dafür tun, dass unsere Sozialstandards gewahrt bleiben und es für die Güterverkehrsunternehmen einen fairen Wettbewerb in der Europäischen Union gibt. Die verkürzten Ruhezeiten - statt bisher innerhalb von zwei Wochen auf vier Wochen - lehnen wir ab. Wir lehnen auch die Liberalisierung bei der Kabotage ab. Zudem sind wir gegen eine erneute Änderung der Vorschriften zum Übernachten in den Fahrzeugen. Gleichzeitig müssen wir sehen, dass es für Deutschland und seine Partner nicht ganz einfach ist, bei Abstimmungen im Europaparlament Mehrheiten zu organisieren. Im Europaparlament kam jetzt die Diskussion auf, dass der Mindestlohn eines Landes künftig nur für Kabotage-Fahrten gelten soll, nicht aber bei anderen Verkehren. Was ist da die Haltung der Bundesregierung? Der Transit soll aus unserer Sicht weiterhin von der Mindestlohn-Regelung ausgenommen werden und nur der grenzüberschreitende und der Kabotage-Verkehr mit deutschem Mindestlohn vergütet werden. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Verkehrspolitik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Vita - Steffen Bilger ist seit März parlamentarischer Staatssekretär bei Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer und für die Bundesregierung als Koordinator für Güterverkehr und Logistik tätig. Er wurde 1979 im Schongau geboren und trat 1996 in die CDU ein. Nach einem erfolgreichen Studium der Rechtswissenschaften war Bilger von 2006 bis 2009 als Anwalt in der Strategieabteilung eines Energiedienstleisters tätig.Seit 2009 vertritt der Oberbayer als direkt gewählter Abgeordneter den Wahlkreis Ludwigsburg im Bundestag. Seit Beginn seiner Abgeordnetentätigkeit war er Mitglied im Verkehrsausschuss des Bundestages und betreute dort beispielsweise die Elektromobilität und alternative Antriebe. Bilger ist verheiratet und hat einen Sohn. ag

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