Deutschland ist der wichtigste Markt

Es sieht fast nach einem Wettrennen der Seehäfen aus: Wer kann in Europa am meisten Kapazitäten für den Umschlag von Containern zur Verfügung stellen? An zahlreichen Standorten werden die Umschlagkapazitäten erweitert. In Deutschland ist zuvorderst der JadeWeser-Port zu nennen, seit 2012 im Betrieb mit einer Kapazität von 2,7 Millionen TEU (20-Fuß-Container). Mit der Maasvlakte II soll in Rotterdam in einer ersten Phase eine zusätzliche Kapazität von 5 Millionen TEU zur Verfügung stehen. Weitere Erweiterungen sind möglich. Hinzu kommt der Tiefseehafen London Gateway: Auf 3,5 Millionen TEU beläuft sich das Jahresumschlagvolumen der 2013 eröffneten Anlage. Kapazität wächst um 5,1 Millionen TEU Und jetzt nimmt auch der Hafen Antwerpen an diesem Wettrennen teil. "Wir wollen bis 2020/2021 ein zusätzliches Terminal mit 5,1 Millionen TEU in Betrieb nehmen", kündigt Luc Arnouts, Chief Commercial Officer (COO) des Hafen Antwerpen, gegenüber der VerkehrsRundschau an. Hat er nicht die Befürchtung, dass es zu Überkapazitäten an den Nordseehäfen kommt und am Ende die Umschlagkräne in seinem Hafen beschäftigungslos herumstehen? "Nein", sagt Arnouts und zählt gleich mehrere Argumente für eine Erweiterung auf. Zum einen verweist er auf die aktuelle Entwicklung im Hafen: "In den ersten drei Monaten dieses Jahres konnten wir die Zahl der TEU gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 9,5 Prozent steigern." Für diese ansehnliche Wachstumsrate gibt es auch einen Grund: die Kooperation 2M, bestehend aus Maersk und MSC, den beiden größten Containerreedereien weltweit. 2M hatte beschlossen, den Hafen Antwerpen mit drei Liniendiensten anzufahren. Das hat für Mehraufkommen gesorgt. MSC hatte bereits vorher die Entscheidung getroffen, innerhalb des Hafens umzuziehen. Und zwar vom rechten Schelde-Ufer zum linken. Das hatte zwei Gründe: Zum einen war das alte Dock nur über eine Schleuse erreichbar, die für die ganz großen Containerschiffe zunehmend eng wurde. Zum anderen ist das Umschlagvolumen am neuen Terminal größer: Dort beträgt die Kapazität 11 Millionen TEU gegenüber 5,4 Millionen TEU am alten Terminal. "In zwei bis drei Jahren wird MSC jedoch auch am neuen Standort die volle Kapazität erreicht haben", sagt Arnouts. Als volle Kapazität versteht er 80 Prozent der maximalen Kapazität, "denn das ist in der Regel das Optimum". Danach werde das Aufkommen jedoch weiter steigen, "sodass wir spätestens 2020, 2021 neue Kapazitäten benötigen", so die Prognose des Hafenmanagers. 660 Millionen Euro für das neue Terminal Das neue Terminal entsteht in unmittelbarer Nachbarschaft des MSC-Docks auf dem linken Schelde-Ufer. "Wir werden dafür 660 Millionen Euro investieren", kündigt Arnouts gegenüber der Verkehrs-Rundschau an. Eine Erweiterung ist möglich, weshalb er die 5,1 Millionen TEU als eine erste Phase bezeichnet. Antwerpen hat also im Wettrennen um weitere Containerumschlagkapazitäten noch Luft respektive Flächen zur Verfügung. Neben der seeseitigen Anbindung ist für die Häfen auch die Hinterlandanbindung von Bedeutung. Das ist in Antwerpen nicht anders, weshalb Arnouts auch sagt: "Wir sind kein belgischer Hafen. Wir sind ein europäischer Hafen." Deutschland sei der wichtigste Markt: "35 Prozent der Mengen in Antwerpen (ohne Transshipment) gehen nach Deutschland oder kommen aus Deutschland", unterlegt Arnouts die Bedeutung des Nachbars mit Zahlen. Vor allem Nordrhein-Westfalen steht dabei im Fokus. Ein Grund ist die gute Anbindung über den Rhein-Schelde-Kanal, weshalb Arnouts auch von Antwerpen als einem "Rheinhafen" spricht. "Aber wir sind auch dabei, Bayern und Baden-Württemberg für uns als Abnehmer- oder Empfängerland zu entwickeln." Im Mittelpunkt steht jedoch eindeutig Nordrhein-Westfalen und hier der Hafen Duisport, mit dem man auch eng zusammenarbeitet. Deshalb soll die Zahl der Zugverbindungen zwischen Antwerpen und Duisburg erhöht werden. "Duisburg ist für uns ein wichtiger Konsolidierungspunkt", sagt Arnouts und nennt auch Osteuropa als möglichen Zielmarkt. So hält er es für möglich, Mengen aus Antwerpen und Rotterdam in Duisburg zu bündeln, um von dort aus dann mit Zügen Länder in Osteuropa anzufahren. Die Anbindung von Duisport und weiteren Standorten in Deutschland soll nach Möglichkeit per Bahn oder Binnenschiff erfolgen. Das Ziel des Hafens ist es, den Anteil dieser beiden Verkehrsträger am Modal Split bis 2030 deutlich zu erhöhen (siehe Grafik links), wobei das Binnenschiff eine deutlich wichtigere Rolle spielt. Durchschnittlich 915 Binnenschiffe laufen den Hafen die Woche an. Um den Transport attraktiver zu machen, hat der Hafen ein Premium Barge Service eingerichtet: einen Binnenschiffshuttle, der zu festen Zeiten verschiedene Containerterminals im Hafen Antwerpen anfährt und Mengen bündelt, um so Containertransporte per Binnenschiff zu erleichtern. Mehr Kapazitäten auf der Schiene Doch auch der Bahntransport soll ausgebaut werden. "Dann müssen wir jedoch die Schienenkapazitäten erhöhen", sagt Arnouts. Bei diesem Vorschlag ist der Eiserne Rhein sofort ein Thema, eine Schienenverkehrsstrecke zwischen Antwerpen und Deutschland. Dazu werden verschiedene Varianten diskutiert. Doch bislang gibt es keine Beschlüsse zur Reaktivierung dieser Strecke. Arnouts will sich nicht zu den Chancen dieser Trasse äußern, nachdem schon mehr als 15 Jahre darüber debattiert wird. Aber er stuft es als positiv ein, dass das belgische Transportministerium dazu eine neue Studie in Auftrag gegeben hat. Immerhin, auch ohne diese Trasse bietet der Hafen pro Woche 200 Abfahrten für Containerzüge zu 70 Bestimmungsorten in 19 Ländern an. Bis zum Jahr 2030 muss diese Zahl jedoch annähernd verdoppelt werden, soll der geplante Modal Split erreicht werden.

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