Der Widerstand schwindet

Wohl nur wenige Politiker haben den Lang-Lkw so heftig bekämpft wie der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann. Gegen den Betrieb dieses Fahrzeugs ist die Stuttgarter Landesregierung auf sein Betreiben sogar vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Nun strebt der Grünen-Politiker einen "tragfähigen Kompromiss" für den künftigen Einsatz des Lang-Lkw im "Ländle" an. Ende Januar sprachen hierüber leitende Beamte seines Ministeriums mit Vertretern der Logistikwirtschaft. Für den 17,7 Meter langen "verlängerten Sattelauflieger" (Typ 1) soll es eine "zeitnahe Freigabe" geben, für die übrigen, bis zu 25,25 Meter langen Fahrzeuge (Typ 2 bis 5) sind im "eng begrenzten Bedarfsfall" Einzelfallprüfungen geplant. In den kommenden Wochen wird über diesen Vorschlag abgestimmt. Kaum Bedenken bei Typ 1 Auf vergleichbare Regelungen dürften sich auch weitere Bundesländer verständigen. Rund ein Jahr nach dem Start des Regelbetriebs zeichnen sich ein "Ja" zu Typ 1 und ein "Ja, aber" zu den übrigen Typen des Lang-Lkw ab. In den Bundesländern Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen-Anhalt darf der "verlängerte Sattelauflieger" bereits flächendeckend fahren. Verwunderlich ist das nicht. Gegen diesen Trailer schwindet der Widerstand nicht zuletzt deswegen, weil er lediglich vier Meter länger als ein herkömmlicher Sattelauflieger ist und mit diesem häufig verwechselt wird. Gegen die übrigen Fahrzeuge bleibt das Misstrauen jedoch weiterhin groß, weil sie weit seltener als Typ 1 fahren und viele Verkehrsteilnehmer sich über sechs Jahre nach dem Start des Feldversuchs 2012 immer noch nicht an diese gewöhnt haben. Außerdem hegen Politiker und Beamte weiterhin den Verdacht, dass 25 Meter lange Züge die Straßen überdurchschnittlich stark strapazieren. Solche Bedenken hatte jedoch bereits die Abschlussuntersuchung, die das Bundesamt für Straßenverkehr (BAST) am Ende des Feldversuchs 2016 vorlegte, für gegenstandslos erklärt. Vor allem Logistikunternehmen, welche Typ 2, 3, 4 und 5 einsetzen, können mit der vorhandenen Situation nicht wirklich zufrieden sein. "Der Kompromissvorschlag von Stuttgart lässt manche Fragen offen", kritisiert Thomas Schwarz, Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition in Herbrechtingen. So sei unklar, welche Kriterien einen "Bedarfsfall" für Lang-Lkw rechtfertigen. Seit 2012 fährt Schwarz für BSH Hausgeräte Touren mit Typ 3-Zügen (Lkw mit Untersetzachse und Sattelanhänger) und hat nur positive Erfahrungen gesammelt. "Allenfalls mit einem Dolly-Typ gab es kleinere technische Probleme, die der Hersteller schnell behoben hat", räumt der Unternehmer ein. Gleichzeitig erlebte er, wie der Widerstand der - bis 2017 grün-roten - Landesregierung über die Jahre hinweg bröckelte. Schritt für Schritt rückte diese von ihrem kategorischen Nein zu Lang-Lkw ab und gab immer neue Straßenabschnitte frei. Zum Umdenken trug auch der Daimler-Konzern bei, der Ausnahmegenehmigungen für seine Lieferverkehre beantragt hatte und außerdem eine Klimaschutz-Studie anregte. Diese Arbeit, die im Sommer 2017 veröffentlicht worden ist, schloss mit unterm Strich erfreulichen Zahlen für den Lang-Lkw: Die Verlagerungseffekte von konventionellen Lkw und Schienenverkehren sei zwar gering, die Treibstoffeinsparungen jedoch "deutlich wahrnehmbar". In der Summe ermittelt die Studie, die Daimler und die Landesregierung finanzierten, eine "leicht positive Treibhausgasbilanz" durch den Einsatz der überlangen Züge. Solche Argumente bestätigen die Meldungen von Logistikdienstleistern mit Lang-Lkw-Erfahrung, die unisono eine erfreuliche Bilanz über Treibstoffverbrauch und Emissionen ziehen. Im Vergleich zu herkömmlichen Nutzfahrzeugen reduziere der Lang-Lkw den CO2-Ausstoß abhängig von Transportkilometer, Tourenverlauf und Ladevolumen um 15 bis 25 Prozent und spare jede dritte Tour ein, meldet Elflein. Mit 25 Zügen, die jeden Werktag für Automotive-Kunden in Baden-Württemberg, Bayern und Sachsen fahren, ist das Bamberger Unternehmen der wohl größte Flottenbetreiber von Lang-Lkw. Nahezu identische Erfahrungen hat Reichhart Logistik in Gilching gemacht. Das oberbayerische Unternehmen, das jeden Werktag für einen Flugzeugbauer zwischen München und Hamburg fährt, freut sich über 35 Prozent geringere Treibstoffkosten. Wer solche Erfahrungen gesammelt hat, möchte auf Lang-Lkw nicht mehr verzichten. "Wir sind begeistert von diesen Fahrzeugen und empfehlen sie ausdrücklich unseren Kunden", sagt Stefanie Kotschenreuther, Key Account Managerin von Elflein. "Auch von unseren Kunden haben wir bislang immer ein positives Feedback erhalten." Kunden wünschen zusätzliche Touren Weil die Kunden ebenfalls von den erzielten Einsparungen profitieren, halten sie dem Lang-Lkw die Stange und wünschen zusätzliche Touren. So will BSH ab Februar 2018 zusätzlich zu den bislang vier Touren zwischen württembergischen und bayerischen Werken vier weitere nach Brandenburg aufnehmen. "Der Regelbetrieb hat bislang unsere ökologischen und ökonomischen Erwartungen erfüllt", bekräftigt Andreas Tonke, Leiter Transportmanagement von BSH. Mit den überlangen Fahrzeugen von Schwarz kann die Bosch-Tochter bis zu 40 Prozent mehr Haushaltsgeräte transportieren. Auch der Handel, der Lang-Lkw vor allem auf Verkehren zwischen den Zentrallagern einsetzt, ist zufrieden. Vor allem bei Lebensmittel- und Möbelketten erfreut sich das Fahrzeug wachsender Beliebtheit, berichtet der Handelsverband Deutschland (HDE). "Allerdings stören sich die Flottenbetreiber an den engen Vorgaben des Positivnetzes, das manche Destinationen für Lang-Lkw unerreichbar macht", resümiert HDE-Logistikexperte Uwe Binnebößel. Der Marktkenner greift einen wunden Punkt auf. Rund 700 Strecken, welche für den Lang-Lkw freigegeben worden sind, listet die neueste Positivliste auf. Vor allem NRW, Rheinland-Pfalz und das Saarland haben in den letzten Monaten neue Abschnitte angemeldet. Wirklich zufrieden mit der Liste ist jedoch kaum ein Flottenbetreiber. Beinahe jeder möchte seine Fahrzeuge auf weiteren Abschnitten einsetzen und hat dafür Anträge bei den zuständigen Behörden gestellt. Die Genehmigungsverfahren bis hin zur Veröffentlichung im Bundesanzeiger ziehen sich jedoch häufig über ein Jahr hin. Oft müssen die Antragsteller mit Testfahrten nachweisen, dass der Lang-Lkw problemlos auf der vorgesehenen Strecke fahren kann. "Wir wünschen uns schnellere, einfachere und bundesweit einheitliche Verfahren", sagt Elflein-Logistikerin Kotschenreuther. Auch die Verbände drängen auf schnellere Genehmigungsverfahren. "Grundsätzlich sollten alle wichtigen Gewerbegebiete und Logistikhubs inklusive KV-Terminals an das Positivnetz angebunden werden", empfiehlt Ingo Hodea, Straßengüter-Verkehrsexperte des Deutschen Speditionsund Logistikverbands (DSLV). Und natürlich steht der Wunsch nach grenzüberschreitenden Verkehren ganz oben, was laut EU-Recht derzeit noch nicht möglich ist. "Wenigstens in Mitgliedstaaten wie den Niederlanden und Dänemark, welche den Regelbetrieb bereits erlaubt haben, sollten Touren erlaubt sein", ergänzt Hodea. Offensiv in die Kommunikation gehen Die Bereitschaft der Bevölkerung, den Lang-Lkw als Teilnehmer im Straßenverkehr zu akzeptieren, ist offenbar gewachsen. "Manche Unwahrheit hat sich einfach totgelaufen", sagt Dirk Engelhardt, Geschäftsführer des Bundesverbands Güterverkehr Logistik und Entsorgung (BGL). Die Verbände empfehlen Unternehmen mit Lang-Lkw-Ambitionen, ihr Vorhaben offensiv zu kommunizieren. Die Spedition Haaf in Römerberg, die sich auf Verkehre für Packaging-Hersteller spezialisiert hat, hat genau das getan. Für den ersten Einsatz bei Shuttle-Verkehren Ende Januar 2018 lud sie regionale Medien ein. Gemeinsam mit dem rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) erläuterte die Unternehmensführung die Vorteile des Fahrzeugs. Das Ergebnis: eine aufgeschlossene Berichterstattung. Vor allem die Tatsache, dass der "EcoLiner" die Transportvolumina um 40.000 auf 160.000 Getränkedosen steigert, erregte Aufmerksamkeit bei den Menschen in der Region. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Lang-Lkw www.verkehrsrundschau.de/dossiers Statement Bilanz ein Jahr Lang-Lkw: Flickenteppich im Positivnetz Nach einem Jahr im Regelbetrieb ist sicher ein richtiger Zeitpunkt, Zwischenbilanz zu ziehen: Fakt ist, dass sich die Anzahl an Lang-Lkw auf deutschen Straßen gegenüber dem Feldversuch nicht merklich erhöht hat. Grund hierfür ist sicherlich der Flickenteppich im Positivnetz. Bis heute haben noch nicht alle Bundesländer dem Regelbetrieb zugestimmt, welches den flexiblen Einsatz der Fahrzeuge deutlich einschränkt. Der Gesetzgeber ist in der Pflicht, das Negativnetz fortlaufend zu verringern, um den Beitrag zum Umweltschutz auszubauen. In der Verkehrswirtschaft hat jedoch der verlängerte Sattelauflieger (Lang-Lkw Typ 1) ein größeres Anwenderfeld gefunden. Ohne Restriktionen ist der Einsatz auf dem deutschen Straßennetz möglich, was im Vergleich zum klassischen Lang-Lkw ein deutlich höheres Einsatzfeld bei geringem Mehraufwand bietet. Auch wenn die Entwicklung des Lang-Lkw sicher noch in den Kinderschuhen steckt, so lassen sich auch heute schon die Argumente der Kritiker bezüglich möglicher Verlagerungseffekte und etwaiger Straßenschäden entkräften. Dazu sprechen wir uns zur Stärkung der Nutzerfreundlichkeit klar für einen zumindest bilateralen grenzüberschreitenden Verkehr aus. Die Entwicklungen in den Beneluxländern sind hierbei sicher vielversprechend.Der BWVL vertritt die Interessen von rund 1200 Unternehmen aller Größenordnungen aus Industrie und Handel in punkto Transport und Logistik. Mehr unter: www.bwvl.deChristian Labrot, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) Lang-Lkw-Varianten Typ 2 und 3 gefragt Vom Dolly einmal abgesehen, besteht ein Trailer für Lang-Lkw ausschließlich aus Komponenten, welche Krone, Werlte, auch für konventionelle Auflieger produziert oder im Markt einkauft."Weder Sattelauflieger noch Wechselbehälter, Wechselanhänger und Dolly bergen ein Restrisiko", wirbt Ingo Geerdes, Key Account Manager von Krone. Am stärksten nachgefragt werden derzeit Typ 2 (Sattelauflieger und Zentralachshänger) und Typ 3 (Untersetzachse und Sattelanhänger). Mit der Aufnahme in den Regelbetrieb ist auch die Nachfrage nach spezifischen Kombinationen mit weniger Achsen und geringerem Gewicht gestiegen. Für Typ 3 bietet Krone einen zweiachsigen Sattelauflieger mit einer 1,5 Tonnen höheren Nutzlast an."Mit dieser Variante wird der Luftdruck in Bälgen verändert", erläutert der Produktmanager Jens Rauer."Als Folge dieser Schwerpunktverlagerung wird der Radstand verkürzt." Der Fahrer kann so problemlos den sogenannten BO-Kreis - also den in der Straßenverkehrsordnung vorgeschriebenen minimalen Wendekreis von 25 Metern - schaffen. bot

DKV Mobility und MFG: Neue Partnerschaft für ultraschnelles Laden in Großbritannien

KEYOU bringt schweren Wasserstoff-Lkw auf den Markt

Transformation des Straßengüterverkehrs: Aiwangers Plan für eine grüne Logistikzukunft

Umstrittenes Personal für neue EU-Kommission

Neue Auto-Strafen in Italien wegen verschärfter Straßenverkehrsordnung

Alle Schlagzeilen

Der Widerstand schwindet

HASHTAG

#Recht Lkw-Maße

Brandenburg zieht erste Lang-Lkw-Bilanz

Vos Logistics übernimmt Gebroeder Joosten

Wissing lobt den Lang-Lkw

MEISTGELESEN

Emons Spedition siedelt sich am c-Port an

Bund und Länder fördern Brennstoffzellen-Lkw von Daimler Truck

Fiege baut Logistikzentrum bei Leipzig

STELLENANGEBOTE

Head of Logistics (w/m/d) mit fundierter Erfahrung im internationalen Versand

Area HR Business Partner

Leiter (w/m/d) Logistik Teilbereich Warenausgang

Koordinator (m/w/d) Intralogistik mit Teamleitungsfunktion

Schichtleiter (w/m/d) Logistik - Warenausgang

WEITERLESEN

NEWSLETTER