Der kleine Bruder

Vor allem für die gewichtssensible Tank- und Silobranche dürfte diese Testzugmaschine verlockend sein. Denn der Volvo FM 450 bringt trotz umfangreicher Ausstattung lediglich 6920Kilo auf die Waage. Damit ist er noch mal 370 Kilo leichter als sein großer Bruder, FH 460 Globetrotter, und der zählte schon zu den leichtesten Lastern im VR-Profitest (siehe VR 7/2017). Dabei trägt der Testwagen mit dem Globetrotter-LXL-Fahrerhaus sogar die größtmögliche Kabinenvariante. Doch wird er mit der tatsächlich fernverkehrstauglich oder stößt man dem Fahrer mit der Anschaffung eines FM vor den Kopf? Schließlich werden gute Chauffeure zum immer wertvolleren Gut, das man nicht verprellen sollte ... Ohne Frage, ein FM-Pluspunkt ist der niedrige Einstieg, bei dem lediglich drei Stufen zu überwinden sind. Für den Verteilerverkehr optimal, auf weiten Touren überwiegt aber der Nachteil dieses Baukonzeptes, und der thront in der Kabine rechts neben dem Fahrer: Gewaltige 43 Zentimeter Höhe misst der Motortunnel im FM. Das stört Raumgefühl und Bewegungsfreiheit gewaltig; um auf die andere Seite oder nach getaner Arbeit in Richtung Bett zu gelangen, kann es einfacher sein, "über außen" auf die Beifahrerseite zu gehen. Auch die lichte Innenhöhe von immerhin 2,10 Metern klingt zwar gut, lässt sich wegen der weit vorstehenden oberen Staufächer aber auch vor dem Beifahrersitz nicht in Gänze nutzen. Diese - wie beim FH - per Rollo verschließbaren Fächer sind die weitgehend einzige Unterbringungsmöglichkeit für das Gepäck. Der Rest der persönlichen Sachen muss in den beiden flach bauenden Außenstaufächern untergebracht werden. Dem Testwagen fehlte zudem die im Fernverkehr obligatorische Kühlbox, die Volvo allerdings als Ausziehlösung unter dem Bett liefern könnte. Was zugleich den positiven Effekt hätte, dass die 70 Zentimeter breite Schlafstatt entsprechend höher montiert wäre und in der Pause als Sitzgelegenheit taugen würde. Der Arbeitsplatz stammt vom FH Nur geringe Unterschiede zum FH offenbaren sich am Arbeitsplatz, schließlich erbte der FM im Zuge der letzten Modellpflege 2013 dessen Bedienkonzept. Lediglich auf die Zweigelenk-Verstellung des Lenkrads (beim FH optional) muss der FM-Chauffeur verzichten. Halb so schlimm, eine passende Stellung des Multifunktionsvolants lässt sich trotzdem finden. Da wiegt der nach hinten eingeschränkte Verstellbereich des Fahrersitzes schon schwerer. Große Anforderungen an Seitenhalt oder Federung werden an das Sitzmöbel nicht gestellt, denn beim Fahren offenbaren sich die positiven Seiten der niedrig montierten Kabine. Weder scharf angegangene Kurven noch plötzliche Lastwechsel entlocken dem Globetrotter ein Wanken oder Nicken. Zusammen mit dem sportlich abgestimmten, aber in keinem Beladungszustand unkomfortablen Fahrwerk kommt durchaus ein wenig Gokart-Feeling im FM auf. Die für den FM nicht angebotene Einzelradaufhängung vermisst man daher in keiner Weise. Die dynamische Lenkung steht dagegen auch für den FM in den Optionslisten. Und "Dynamic-Steering" sollte unbedingt an Bord sein. Zumindest wenn der Fahrer viel rangieren oder umsatteln muss, machen sich die 2400 Euro Aufpreis bezahlt, weil sich das Lenkrad dank der elektrischen Unterstützung buchstäblich mit dem kleinen Finger drehen lässt. Der D11-Sechszylinder gefällt Kleiner fällt beim FM-Testwagen auch die Antriebsquelle in Form des 10,8 Liter großen Sechszylinders aus. Wenn jedes Kilo zählt, ist der D11 eine Empfehlung, der zum größeren D13 immerhin 125 Kilo spart. Und in der stärksten Einstellung mit 450 PS und 2150 Newtonmetern Drehmoment steht das kleine Aggregat dem hubraumstärkeren Sechszylinder bei Kraftentfaltung, Laufkultur und Elastizität kaum nach, weshalb der 450er die Messberge der Teststrecke ebenso schnell überwand wie der FH 460. Nur tut der Motor seine Tätigkeit deutlich lauter in der Kabine kund. Vibrationen entstehen dagegen auch bei niedrigsten Drehzahlen nicht, weshalb I-Shift sie konsequent nutzt und Rückschaltungen am Berg erst bei 1000/min einleitet, und das in der gewohnt souveränen Weise. Immer wenn man gerade beschlossen hat, die im Armaturenbrett versteckte Plus-Taste zu suchen, um eine Hochschaltung einzuleiten (das Testfahrzeug verfügte über die empfehlenswerte Option Schaltungs-Bedienelemente in der Mittelkonsole anstatt Schalthebel), führt I-Shift genau in diesem Moment das gewünschte Manöver aus. Zum passenden Schaltvorgang trägt auch der GPS-Tempomat I-See bei, der erstmalig bei einem Volvo-Test über die gesamte Testrunde die Verbindung zur Cloud aufrechterhielt und die Topografie entsprechend souverän nutzte. Der praxisgerechteste Modus ist unserer Meinung nach das Eco-Level-3, in dem die gesetzte Geschwindigkeit um höchstens fünf km/h unterschritten wird. Lediglich der Unart des Systems, den Volvo am Ende von Gefällen mit 92 anstatt der tolerierten 90 km/h laufen zu lassen, um mehr Schwung in die Ebene mitnehmen zu können, setzten wir per Fußbremse ein Ende. Immerhin bleibt dabei der Tempomat aktiv und muss nicht jedes Mal umständlich neu gesetzt werden. Ansonsten werden bergab keinerlei Eingriffe nötig, dem optionalen 3250 Newtonmeter kräftigen Voith-Retarder bereitete es selbstredend keine Probleme, die 32 Tonnen "leichte" Testfuhre im Zaum zu halten. Was sicher auch mit der VEB+-Motorbremse möglich gewesen wäre, durch die sich immerhin 105 Kilo zum Retarder einsparen ließen. Der FM ist sparsam unterwegs Und wie sieht die Bilanz des kleinen Göteborgers an der Zapfsäule aus? Er überwand die Testrunde um einiges sparsamer als der FH 460, dem er knapp 1,7 l/100 km abnahm, bei exakt um 1 km/h niedrigerem Durchschnittstempo. In der Wirtschaftlichkeitswertung kann der FM also durchaus überzeugen. Von einem Fernverkehrseinsatz muss aber unbedingt abgeraten werden. Denn mit den Platzverhältnissen im Globetrotter LXL wird sich auf Dauer kein Fahrer arrangieren wollen. Hier kann der kleine Volvo dem größeren FH nicht das Wasser reichen. Das FM-Revier ist und bleibt das, wofür er eben entwickelt wurde: der schwere Verteilerverkehr, bei dem Übernachtungen nur selten vorkommen. Dafür ist der FM eine echte Alternative. Nicht nur wegen seines niedrigen Gewichts. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau.de/testdatenbank Der Volvo im TÜV-Urteil TÜV SÜD bescheinigt dem Volvo FM 450 eine hohe Wartungsfreundlichkeit, zudem gefällt der Schwede mit durchdachten Details. Wie die Zentralverriegelung, die auch die Frontklappe mit verschließt und so vor Diebstahl oder Vandalismus schützt. Unter der Klappe werden Motor- und Kühlflüssigkeit ergänzt. Dass der FM auf den praktischen Einfüllstutzen fürs Motoröl verzichten muss, ist wegen der bauartbedingt tiefer liegenden Einfüllhöhe kein Nachteil. Alternativ zum Bordcomputer kann der Ölstand auch per Peilstab gemessen werden.Auch das Scheibenwaschwasser lässt sich leicht nachfüllen, der Behälter ist aber etwas crash- und frostgefährdet vor der Vorderachse platziert. Beim Serviceintervall belässt es Volvo bei maximal 100.000 km. Dafür genügt dem Schweden günstiges 10-W40-Standardöl.

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