Im Dauerstreit über die chronisch überlastete Brennerroute zieht Italien jetzt gegen das Nachbarland Österreich vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Die Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni beschloss am Montag, den 16. Oktober in Rom, den EU-Partner zu verklagen. Damit setzt sich Italien insbesondere gegen die umstrittene Blockabfertigung von Lastwagen in Tirol zur Wehr.
Auch in Deutschland gibt es gegen die Regelung immer wieder Proteste. Verkehrsminister Matteo Salvini zufolge ist dies das erste Mal überhaupt, dass Italien gegen einen EU-Partner vor Gericht zieht.
Salvini sprach von „Transitverboten“, die die österreichische Regierung einseitig am Brenner verhängt habe. Auf der wichtigen Route über die Alpen kommt es immer wieder zu langen Staus. Dies hatte in den vergangenen Jahren auch für viel Streit zwischen Bayern und Tirol gesorgt - bis hin zu Klagedrohungen aus Bayern.
Markus Ferber, Mitglied des Europäischen Parlaments und verkehrspolitischer Sprecher der CSU-Europagruppe, sieht in der Klage das Setzen eins starken Zeichens für den freien Warenverkehr. „Statt der nächsten Endlosdebatte, schafft Italien endlich Fakten auf europäischer Ebene. Wenn Verkehrsminister Wissing das Nadelöhr am Brenner ernst genug nimmt, sollte er seinem italienischen Amtskollegen hier eindeutig den Rücken stärken“, so der Politiker.
Rückkehr an den Verhandlungstisch? Slot-System war im Gespräch
Österreichs Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) verteidigte einmal mehr die „Notmaßnahmen“ Tirols. Sie mahnte zu Verhandlungen, schließlich liege mit dem „Slot-System“ für buchbare Lkw-Fahrten auf der Brennerstrecke ein Vorschlag am Tisch.
„Darüber zu reden wäre jetzt angesagt - anstatt wöchentlich mit rechtlichen Schritten zu drohen“, sagte sie der Nachrichtenagentur APA. „Italien wird mit seiner Maximalforderung, nämlich die Aufhebung aller Tiroler Verbote, keinen Erfolg haben“, so Tirols Ministerpräsident Anton Mattle (ÖVP).
Bayerns Verkehrsminister Christian Bernreiter sagte, der Freistaat habe zusammen mit Tirol und Südtirol gehofft, „dass unsere gemeinsame Idee eines Slotsystems als Alternative zur Blockabfertigung im wahrsten Sinne des Wortes Bewegung in den Güterverkehr über den Brenner bringt.“ Nun hoffe man auf eine schnelle Lösung durch den Europäischen Gerichtshof. Bayern arbeite weiter an konstruktiven und nachhaltigen Lösungsvorschlägen.
Wie geht es jetzt weiter?
Ein EU-Mitglied kann den EuGH anrufen, wenn es der Auffassung ist, dass ein anderes Mitglied gegen europäisches Recht verstößt. Vor einem Gerichtsverfahren muss allerdings die EU-Kommission damit befasst werden.
Falls die Kommission innerhalb von drei Monaten keine Stellungnahme abgibt, kann auch so geklagt werden. Bayern hatte die Kommission schon wiederholt aufgefordert, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einzuleiten. Zuletzt hatten sich mehrere Transportverbände mit einem Apell an die Kommission gewandt und rechtliche Schritte gefordert.
Der Lkw-Verkehr über die Brennerroute hat in den vergangenen Jahrzehnten deutlich zugenommen. Nach Angaben des Tiroler Regierungschefs Anton Mattle stieg die Zahl der Lastwagen von 1,1 Millionen im Jahr 2000 auf 2,5 Millionen im vergangenen Jahr. Damit entfielen auf den Brenner heute 40 Prozent des gesamten Alpentransits im Güterverkehr. Entsprechend haben auch die Belastungen auf und entlang der Route zugenommen.