Rund 150 Führungskräfte und Unternehmer aus der bayerischen Speditions- und Logistikbranche sind zur 42. Mitgliederversammlung des LBS – Landesverband Bayerischer Spediteure e.V. gekommen. Am 20. Juli standen in Bad Kissingen die Wahl des Präsidiums, der Meinungsaustausch und verschiedene Vorträge im Vordergrund, wie der LBS weiter mitteilt.
Unter anderem haben Andrea Nahles, Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit und Markus Ferber als Mitglied des Europäischen Parlaments Gastvorträge gehalten. Nahles ermutigte die Anwesenden, neue und unkonventionelle Wege zu beschreiten, wenn es darum geht, junge Menschen für eine Ausbildung in den typischen Branchenberufen zu begeistern.
Azubis gewinnen: Eltern einen Blick hinter die Kulisse gewähren
Dies scheitert aus ihrer Sicht noch zu häufig an falschen Vorstellungen und Vorurteilen. Dabei würden Eltern als Influencer während der Berufsorientierung eine wichtige Rolle spielen. Sie zu erreichen sei daher eine wichtige Aufgabe für Unternehmen.
Nahles nannte als Beispiel ein Projekt der Arbeitsagentur. Diese hatte bei einem „digitalen Elternabend“ mehreren tausend Eltern einen Blick hinter die Kulissen von Ausbildungsbetrieben gewährt.
Das Resultat sei überzeugend gewesen, so Nahles. Sie lud die Unternehmer und Führungskräfte auf der Veranstaltung ein, ein vergleichbares Event auch für die bayerische Logistik- und Speditionsbranche aufzusetzen. Der Vorschlag stieß im Präsidium des Verbands eigenen Angaben zufolge auf positives Echo.
Mehr Attraktivität für Fachkräfte schaffen
Die Arbeitsagentur-Chefin griff auch das Thema Fachkräftemangel auf. Hierbei handele es sich nicht um einen schicksalhaften Zustand, dem man wehrlos gegenüberstehe. Abhilfe sei zu gleichen Teilen aus inländischem Potenzial zu schaffen, wie es auch Zuwanderung brauche, „sonst wird es nicht klappen“.
Zu den Stellhebeln gehöre es, den Aufenthalt in Deutschland so attraktiv zu machen, dass eine Wiederabwanderung keine Option darstellt. Gründe für die Abkehr von Deutschland seien Schwierigkeiten beim Aufenthaltsrecht, häufig eine Beschäftigung unterhalb der vorhandenen Qualifikation und Hürden, Angehörige nachzuholen.
Das neue Fachkräfte-Einwanderungsgesetz sorge zwar für Verbesserung in wichtigen Details, reiche aber nicht aus. „Die Einwanderung nach Deutschland ist kein Flussdiagramm, sondern ein Hindernisparcours.“ Ähnlich verhalte es sich bei der Anerkennung beruflicher Qualifikationen aus dem Ausland. Hier seien sowohl die berufsständischen Vereinigungen, als auch Gewerkschaften und Politik gefordert.
Außerdem gebe es noch immer hohe Hürden für große Teile des weiblichen Fachkräfte-Potenzials. Allen voran sei es der Mangel an Betreuungsmöglichkeiten für Kinder oder die Unterstützung bei pflegebedürftigen Angehörigen. Lösungen ließen sich nicht per Gesetz verordnen, sondern lägen in der Kreativität einzelner Unternehmen.
Kritik an Tirol
Ein weiteres Thema, dass die Branche beschäftigt, ist die Blockabfertigung an der Grenze zum österreichischen Bundesland Tirol. Ferber kritisierte die Blockadehaltung Tirols beim Verkehr auf der Brennerautobahn in seinem Vortrag scharf. Er appellierte dabei an die EU-Kommission: „Dieser Zustand ist nicht mehr von dieser Welt – jetzt klagt endlich!“
Mehr als fragwürdig sieht der Europa-Politiker zudem die aktuell bevorstehende Maut-Verdoppelung auf deutschen Fernstraßen: „Das ist durch die europäische Wegekostenregelung nicht hinterlegt.“
Wasserstoff könnte künftig Mangelprodukt werden
Im Zusammenhang mit der europaweit angestrebten CO2-Neutralität warnte Ferber von einer zu stark ideologisch geprägten Diskussion. Er forderte mehr technischen Sachverstand.
Unter anderem machte er darauf aufmerksam, dass an der Nischentechnologie Wasserstoff „sehr viele teilhaben wollen, unter anderem Luftfahrt, Stahl- und Chemieindustrie“. Wasserstoff werde auf längere Sicht ein Mangelprodukt sein, das einem starken globalen Wettbewerb unterliegen werde.