Blitzschnell durch die Röhre

Können Menschen oder Güter nicht schneller ans Ziel kommen, als dies heute mit Bahn oder Lkw möglich ist? Eine Antwort auf diese Frage gab der amerikanische Unternehmer Elon Musk im August 2013 mit seinem White Paper zum "Hyperloop". In einer Doppelröhre, so seine Vision, sollen abgeschlossene Kapseln für 28 Personen auf Luftkissen auf bis zu 1220 Stundenkilometer beschleunigt werden und eine 600 Kilometer lange Strecke in 35 Minuten kostengünstiger als ein Zug überwinden. Musk hatte damit eine schon lange existierende Idee wiederbelebt. Bereits im Jahr 1825 wollte die "London and Edinburgh Vacuum Tunnel Company" Schienenfahrzeuge durch luftleere Tunnel fahren lassen, um so Energie zu sparen. Musk konzentriert sich inzwischen auf noch schnellere Fortbewegungsmittel - sein Unternehmen SpaceX baut Raketen und Raumschiffe. Doch sein Aufruf, die Realisierbarkeit des Hyperloops voranzutreiben, fand weltweit Gehör. Rund um den Globus arbeiten Experten aus unterschiedlichen Fachrichtungen an der Verwirklichung der Vision. Auch die Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) beteiligt sich seit drei Jahren gemeinsam mit ihrem US-amerikanischen Partner Hyperloop Transport Technologies (Hyperloop TT) im Rahmen eines Joint Ventures daran. Denn innovative Lösungen für den Güterverkehr sind überfällig. Nicht nur in Großbritannien fehlen aktuell Lkw-Fahrer, sondern in ganz Europa. Wenn es beim Klimaschutz nicht nur beim Formulieren von Zielen bleiben soll, sind mutige Schritte vor allem im Verkehrsbereich unumgänglich. Weniger Energiebedarf und weniger CO2 Hyperloop ist ein interessanter, wenn auch zunächst futuristisch wirkender Ansatz, um drängende Herausforderungen des heutigen Verkehrssystems zu lösen (siehe Kasten S. 36). Grundgerüst ist ein Röhrensystem, in dem nahezu Vakuum herrscht und deshalb kaum ein Luftwiderstand die darin schwebenden Transportkapseln bremst. Diese bewegen sich reibungslos auf einem Magnetfeld. Angetrieben werden sie durch einen "linearen Elektromotor", in dem sich nichts dreht - elektrische Impulse wandern zwischen Magneten von vorne nach hinten, das sorgt für den rasanten Vortrieb. In der Röhre ist die Luft so dünn wie in der oberen Stratosphäre. Der Druck liegt bei einem Hektopascal (hPa). Zum Vergleich: An einem schönen Sommertag herrscht in Hamburg ein Luftdruck zwischen 1020 und 1030 Hektopascal. Einen Rollwiderstand, der sonst auf Straße und Schiene die Räder bremst, gibt es im Magnetfeld nicht. Deshalb ist der Energiebedarf nach Überzeugung der Entwickler äußerst gering. Niederländische Ingenieure haben berechnet, dass für den Start einer Kapsel im Hyperloop-System nicht mehr Strom benötigt wird als für das Einschalten einer Glühbirne. Falls die Transportröhren, wie geplant, mit Sonnenkollektoren ausgestattet werden, kann das Gesamtsystem sogar weit mehr Energie erzeugen, als es verbraucht. Das US-amerikanische Unternehmen HyperloopTT hat weltweit 800 Experten zu einem Netzwerk verbunden. Gemeinsam haben sie das Konzept für einen Containerhafen entwickelt, aus dem die Fracht im Hyperloop rasant schnell ins Hinterland transportiert wird. Das klingt ein bisschen nach Science-Fiction, ist es aber nicht mehr. Auf dem Weltkongress für intelligente Verkehrssysteme (ITS) in Hamburg 2021 konnten die Besucher zumindest virtuell schon in den Zug der Zukunft einsteigen. Ein Demonstrator veranschaulichte die Technik, wie die Kapseln des Hyperloops automatisch mit Containern beladen werden können. Mit diesem Projekt hat die HHLA einmal mehr gezeigt, was sie seit ihrer Gründung vor nunmehr 137 Jahren auszeichnet. Sie ist immer ein Start-up gewesen. Das kommt nicht von selbst, sondern es sind die Menschen, die hier arbeiten und die mit ihrer Erfahrung und ihrem Wissen immer wieder Neues entwickeln. Zu ihnen zählt auch Gerlinde John, die für HHLA das Hyperloop-Projekt leitet. Im Hamburger Hafen hat sie schon einmal Pionierarbeit geleistet. Vor 20 Jahren war sie maßgeblich an der Entwicklung des weltweit ersten weitgehend automatisierten Container Terminal Altenwerder (CTA) beteiligt. Dieser bildet bis heute den technologischen Standard für effizienten Umschlag von Containern ab. Peak-Situationen logistisch meistern Aber die Anforderungen steigen weiter. Der zunehmende Einsatz von Containerschiffen mit einer Kapazität von über 20.000 Standardcontainern beeinflusst die Prozesse auf den Terminalanlagen. Kunden haben die Erwartung, dass die Ladung möglichst schnell auf den Schiffen umgeschlagen wird. Diesen Anspruch zu erfüllen, ist aber ungleich anspruchsvoller, wenn 10.000 Container statt wie bisher nur 6.000 Boxen pro Schiff bewegt werden müssen. Für die HHLA als Terminalbetreiber geht es darum, solche "Peak-Situationen" logistisch zu meistern. Das gilt sowohl für die schnelle Anlieferung der Container als auch für deren schnelle Abholung. Denn eine zunehmend "just in time"-arbeitende Industrie ist auf Nachschub an Ersatzteilen und Rohstoffen angewiesen. Nach meiner Einschätzung wird sich an diesem Dienstleistungsauftrag auch nach der Corona-Pandemie nichts ändern. Anzeichen für eine Deglobalisierung sehen wir derzeit nicht. Vielmehr wird es darum gehen, solche Transportsysteme zu entwickeln, die sicher, zuverlässig und schnell sind, aber vor allem den Anforderungen des Klimaschutzes entsprechen. Mit dem von HHLA und HyperloopTT erarbeiteten Konzept für einen "Hyper-Port" als "Hafen der Zukunft" wird ein ernsthaftes Angebot vorgelegt. Das Prinzip des HyperPort funktioniert relativ einfach, bedarf aber genauer Planung und Abstimmung der Abläufe. Die Container werden in kurzen Taktzeiten von der Kaikante oder aus dem Lager auf autonom fahrenden Transporteinheiten an der HyperPort-Ladestation bereitgestellt und per Kran in die Transportkapsel geladen. Alle 60 Sekunden geht eine Kapsel anschließend mit hoher Geschwindigkeit auf die Reise zum Empfänger im Hinterland. Staufrei und emissionsarm. Die selbstfahrenden Fahrzeuge für den Terminaltransport gibt es schon: Die HHLA setzt sie auf dem Container Terminal Altenwerder ein. HyperPort kann der nächste Baustein auf dem Weg in die Zukunft des Containertransports sein. In der französischen Luftund Raumfahrtmetropole Toulouse hat HyperloopTT ein erstes Testzentrum mit einer vakuumierten Röhre und darin schwebenden Kapseln errichtet - schon bald sollen dort erste Versuche starten. In der Region "Great Lakes" an der Grenze zwischen den USA und Kanada läuft eine Machbarkeitsstudie für den Bau einer ersten Hyperloop-Strecke. In Dubai soll der erste kommerzielle Prototyp für einen Passagier-Hyperloop entstehen. Auch in den Niederlanden arbeiten private und staatliche Firmen gemeinsam am Aufbau einer Teststrecke. Der von Hyperloop TT und HHLA gemeinsam entwickelte Demonstrator ist ein wichtiges Glied in der weltweiten Kette von Hyperloop-Projekten. Er beweist, dass die Integration des visionären Verkehrssystems in einen automatisierten Containerterminal möglich ist. Über VR-Brillen lässt sich im virtuellen Modell der Weg des Containers vom Schiff bis in den Hyperloop verfolgen und technische Details der Transportkapseln lassen sich interaktiv darstellen. Sich mit Innovationen auseinandersetzen Wird der Hamburger Hafen jetzt also zum HyperPort? Es ist noch einiges an Entwicklungsarbeit zu leisten. Hier sind jetzt die Kreativität und das Wissen von Ingenieuren und Entwicklern gefragt. Eine spannende und lohnende Aufgabe. Dass sich die HHLA in einem so frühen Stadium an einem Hyperloop-Projekt beteiligt, hat einen Grund: Wenn wir die Rolle als ein führendes Logistikunternehmen in Europa stärken und ausbauen wollen, müssen wir uns rechtzeitig mit innovativen Technologien beschäftigen. Natürlich will die HHLA, dass ein solches System in Deutschland verwirklicht wird. Doch letztlich ist es unerheblich, an welchem Ort es erstmals realisiert wird. Auch in der Auseinandersetzung mit der Technologie an sich sowie in der Kooperation mit HyperloopTT liegt für HHLA ein Gewinn. Dass es hier und da kritische Stimmen an unserer Beteiligung gibt, nehmen wir zur Kenntnis. Visionäre Projekte haben es in Deutschland selten leicht. Selbst als sich längst der Siegeszug des Containers als effektivstes Mittel für den Transport von Waren und Gütern abzeichnete, regte sich in Hamburg Widerstand gegen den Bau eines Containerterminals im Hafen. Es war schließlich dem entschlossen handelnden Wirtschaftssenator Helmuth Kern zu verdanken, dass im Jahr 1968 am Burchadkai das erste Containerschiff anlegen konnte. Zukunft hat einen Anfang in der Gegenwart und öffnet neue Optionen für unser Handeln. Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG Glossar - Die Hyperloop-Lösung Hyperloop ist ein neuer, wenn auch zunächst futuristisch wirkender Ansatz. Die Vision formulierte US-Amerikaner Elon Musk 2013 in seinem Whitepaper "Hyperloop". Der schnelle Transport durch die Röhre könne, heißt es, wesentlich zur Entlastung des Straßenverkehrs beitragen. Zudem sei der Energiebedarf deutlich niedriger als beim klassischen Transport auf Straße und Schiene. Auch die CO2-Emissionen könnten sinken. Grundgerüst ist ein Röhrensystem, in dem fast Vakuum herrscht und daher kaum ein Luftwiderstand die darin schwebenden Transportkapseln bremst. Diese bewegen sich reibungslos auf einem Magnetfeld. Angetrieben werden sie durch einen "linearen Elektromotor", in dem sich nichts dreht - elektrische Impulse wandern zwischen Magneten von vorne nach hinten, das sorgt für den rasanten Vortrieb. Autorin: Angela Titzrath, Vorstandsvorsitzende Hamburger Hafen und Logistik Angela Titzrath ist seit 1. Januar 2017 Vorstandsvorsitzende der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA). Sie hat Wirtschaftswissenschaften und romanische Philologie studiert. Ihre berufliche Karriere begann sie als Leiterin Operatives und Strategisches Controlling bei Mercedes-Benz in Rom. Von 1991 bis 2012 war sie in Topmanagement-Funktionen des Daimler-Konzerns in den USA, Kanada sowie als Europa-Geschäftsführerin der Mercedes-Benz Bank tätig. Sie leitete den DaimlerChrysler-Merger für alle Dienstleistungen und Beteiligungen und verantwortete die Konzernstrategie. Ab 2002 war sie kaufmännische Geschäftsführerin des Produktionswerks Mercedes-Benz in Spanien, danach Vorständin des Geschäftsbereichs Busse der Daimler AG. 2012 wurde sie in den Vorstand der Deutsche Post AG bestellt. Sie ist Aufsichtsratsmitglied bei der Lufthansa, Evonik Industries sowie Talanx.

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