Bericht aus Berlin

Bericht aus Berlin Gefangener der Finanzen Knapp fünf Monate nach der Bundestagswahl hoffen die Verkehrs- und Logistikverbände auf Initiativen der großen Koalition in der Infrastrukturpolitik. Die Forderungskataloge sind formuliert – und das Urteil über den Koalitionsvertrag fällt nur mittelmäßig aus. Nach seiner Amtsübernahme Mitte Dezember hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) auffällig oft die digitale Infrastruktur thematisiert, um die die Zuständigkeit des Ressorts erweitert worden war. Von der klassischen Infrastruktur, also den Verkehrsträgern Straße, Schiene, Wasserstraße war weniger die Rede, was den Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik (BGL) nicht verwundert. Hauptgeschäftsführer Karlheinz Schmidt nennt die geplante Aufstockung des Verkehrsetats um fünf Milliarden Euro für die gesamte Wahlperiode. Dobrindt sei damit ein „Gefangener der Finanzierung“, betont er im Gespräch mit der VerkehrsRundschau. Der Spielraum sei zu gering, um etwa die maroden Brücken zu sanieren, da Einnahmen aus einer PKW-Maut und einer Erhöhung der LKW-Maut frühestens in drei Jahren zu Buche schlagen würden. Schmidts ernüchterndes Fazit: „Dobrindt ist erfolgreich, wenn er bis zum Ende der Wahlperiode die Finanzierungsprobleme für die Zeit danach löst.“ Der Deutsche Speditions- und Logistikverband (DSLV) hat gleichfalls registriert, dass Dobrindt etwa die Sorge nach einem verbesserten Internetangebot in Bahnhöfen und Zügen umtreibt. Präsident Mathias Krage hatte bereits im Dezember mit Blick auf den Aufgabenzuwachs des Ministeriums dezent angemerkt: „Schwerpunktthemen sollten weiterhin die nachhaltige Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur und die Förderung des Logistikstandorts Deutschland sein.“ „Selbstfindung“ im Ministerium Die tiefe Enttäuschung darüber, dass die Erhöhung der Haushaltsmittel deutlich unter dem von der Bodewig-Kommission festgestellten Finanzierungsdefizit von jährlich 7,2 Milliarden Euro geblieben ist, ist auch Christian Labrot anzumerken, dem Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL). Die großen Infrastruktur-Probleme seien mit fünf Milliarden Euro nicht zu lösen. Der BWVL erwarte ein klares Nein der Koalition zu einer Querfinanzierung etwa vom LKW zum öffentlichen Personennahverkehr. Labrot sieht im neu strukturierten Bundesverkehrsministerium noch einen „Selbstfindungsprozess“. Doch müsse man dem neuen Minister und seinem Team eine Einarbeitungszeit zugestehen. Überzogene Nachtfahrverbote? Ähnlich argumentiert die Allianz pro Schiene. Verbandssprecherin Barbara Mauersberg verweist auf die 100-Tage-Schonfrist, die jedem Politiker eingeräumt werden sollte. Es bleibe bei der wichtigen Forderung, die Mittel für die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) von 2,5 auf 3,5 Milliarden Euro aufzustocken und mindestens weitere drei Milliarden Euro jährlich für den Ausbau der Eisenbahn-Infrastruktur bereitzustellen. Während der Schienenverband die von der Koalition zugesagte Erhöhung der Mittel für Lärmschutz und die Drohung mit dem Ordnungsrecht begrüßt, ist der Verband deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) verärgert. Die angedrohten Nachtfahrverbote für Güterwagen, sofern bis 2016 nicht mindestens die Hälfte der rund 180.000 in Deutschland fahrenden Wagen mit Flüsterbremsen ausgerüstet sind, seien überzogen, moniert VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff. „Die Branche hat die Umrüstung der Hälfte ihrer Güterwagenflotte bis 2017 doch längst zugesagt. Schneller geht es nicht. Sanktionen wie Nachtfahrverbote hätten katastrophale Folgen für den gesamten Eisenbahnverkehr, weil viele Gütertransporte dann tagsüber stattfinden müssten und so den Personenverkehr beeinträchtigten.“ ❙❚■ Jörg Kürschner, VR-Korrespondent in Berlin Die Pläne in Kürze Koalitionsvertrag: Was Union und SPD vorhaben Anerkannt wird, dass höhere Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur „dringend notwendig“ sind und diese „substanziell“ erhöht werden müssen. Die Koalition verpflichtet sich zu „überjähriger Planungs- und Finanzierungssicherheit“. Die Nettoeinnahmen aus der Nutzerfinanzierung sollen ohne Abstriche der Verkehrsinfrastruktur zugeführt werden. Zusätzliche Einnahmen aus der Nutzerfinanzierung sollen vor allem die Ausweitung der LKW-Maut auf Landstraßen und auf LKW ab 7,5 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht bringen. Die Maut für PKW soll, außer für ausländische Fahrer, kostenneutral bleiben. Der Zustand der Verkehrswege soll künftig durch einen Infrastrukturbericht transparenter werden. jök

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