Baustellen bremsen den KV ein

Mehrmals täglich zusammenkommende Krisenstäbe, permanent klingelnde Telefone und rotierende Mitarbeiter: Bei den Kombi-Operateuren ist derzeit die Hölle los - die Wortwahl ist nicht übertrieben. Auslöser ist eine nicht mal 200 Meter lange Tunnelbaustelle bei Rastatt. Die beschädigte Röhre legt einen der wichtigsten Güterbahnkorridore in Europa für fast zwei Monate lahm. Am 7. Oktober - so der Stand Ende August - soll die Strecke wieder befahrbar sein. Besonders betroffen davon ist der Kombi-Operateur Hupac aus der Schweiz. Sprecherin Irmtraud Tonndorf schätzt, dass 70 Prozent der gesamten Verkehre im Hupac-Netz über diese Trasse abgewickelt werden. 155 Zugpaare, also 310 Züge, fährt der Operateur wöchentlich auf dieser Route zwischen Italien und Rotterdam/ Antwerpen. Ein erster Notfallplan sieht vor, dass zumindest 50 Prozent der Züge über Umwege weiterhin laufen sollen - mit allerdings weniger Waggons und anderen Fahrplänen. Für Hupac ist Rastatt aber ohnehin nur die Spitze eines Eisbergs. "Schon in den letzten Monaten vor der Sperrung war die Qualität sehr schwierig", sagt Tonndorf. Alleine auf dem Nord-Süd-Korridor gab es demnach im Juli 22 Baustellen. Die Folge: 50 Prozent der Züge hätten Verspätung. Besonders gravierend sei, so Tonndorf, "dass Züge mit großen Verspätungen von mehr als sechs Stunden zugenommen haben und bei 30 Prozent liegen". Dann werden Einheiten am Terminal verspätet abgeholt, Terminals laufen über und ein Annahmestopp wird ausgesprochen. Ein klassischer Dominoeffekt. Der KV durchlebt gerade schwere Zeiten. Ungewöhnlich, denn eigentlich ist der KV eine Erfolgsstory. Spediteure, die mit Sattelaufliegern im intermodalen Transport unterwegs sind, konnten sich in den letzten Jahren über hohe zweistellige Wachstumsraten freuen (siehe Grafik unten). In keinem anderen Güterverkehrssegment stieg die Nachfrage so stark. Politik zeigt Flagge Für ein positives Echo sorgte zudem die Verabschiedung des Masterplans Schienengüterverkehr. Dieses Papier wurde im Bundesverkehrsministerium erarbeitet mit Beteiligung aller wichtigen Bahnakteure: Die einschlägigen Verbände waren genauso mit am Tisch wie die Vertreter von Bahnen, Spediteure und Kombi-Operateure. "Das ist zugleich Stärke und Schwäche des Papiers: Dass einerseits die gesamte Branche dahintersteht und damit auch die Politik ein Zeichen zur Unterstützung setzt. Dass andererseits bei so vielen Akteuren auch Kompromisse gemacht werden mussten", sagt Plaß, der als Mitglied des Präsidiums im Deutschen Speditions- und Logistikverband (DSLV) mitgewirkt hat. Die Senkung der Trassenpreise ist die Maßnahme gewesen, die die größte Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. "Mit Inkrafttreten des Haushalts 2018 werden wir zusätzliche Mittel in Höhe von 350 Millionen Euro für die Senkung der Trassenpreise im Schienengüterverkehr aufbringen. Dafür haben wir Vorsorge im Haushaltsentwurf getroffen", kündigte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt bei der Präsentation des Masterplans an. Dobrindt machte deutlich, welche Hoffnung er mit dieser Maßnahme verbindet: "Das bedeutet, dass im Jahr 2018 der Güterverkehr auf der Schiene billiger wird, damit eine höhere Wettbewerbsfähigkeit auch gegenüber der Straße erreicht wird." Plaß ist davon überzeugt, dass die Halbierung der Trassenpreise zu Mehrverkehr auf der Schiene führen wird. Er bezifferte den Anteil der Trassenpreise an den Gesamtkosten auf derzeit 20 Prozent. Er hat keine Zweifel, dass das Geld bei den Endkunden ankommt. "Die Unternehmen bekommen die Trassenpreisreduzierung mit und werden noch am Tag, an dem die Absenkung eintritt, bei ihrem Bahndienstleister anrufen und das Geld einfordern", so der geschäftsführende Gesellschafter der Spedition Zippel, die selbst im Hafenhinterlandverkehr per Bahn tätig ist. Preise runter oder Qualität rauf? Das sieht Dirk Steffes, Leiter Marktbereich Intermodal bei DB Cargo, etwas anders. Er geht zwar auch davon aus, dass sich diese Maßnahme positiv für den KV bemerkbar machen wird. Doch hält er das Geld für besser angelegt, wenn es in die Verbesserung der Qualität fließt. "Die Kunden signalisieren uns, dass Investitionen in die Zuverlässigkeit des KV viel wichtiger sind, als Preiseffekte durchzureichen", so seine Einschätzung. Letztlich werde DB Cargo dies jedoch mit jedem Kunden individuell besprechen. Steffes glaubt nicht, dass das Ziel der Trassenpreissenkung, mehr Verkehre auf die Schiene zu verlagern, gefährdet ist, wenn das Geld in die Qualität des KV fließen würde. "Die Trassenpreisreduzierung versetzt uns in die Lage, wettbewerbsfähiger in puncto Qualität und damit auch mit den Kosten zu werden. Besonders die Qualität und deren Nachhaltigkeit sind dem Kunden viel mehr wert als ein kleiner preislicher Vorteil. In diese Richtung zielen ja auch Aussagen der Operateure, dass sie 10, 15 oder sogar 20 Prozent mehr Volumen fahren könnten, wenn die Qualität stabil wäre", sagt Steffes. Auch Tonndorf begrüßt die Senkung der Trassenpreise. "Die wird sich positiv auf den KV-Markt auswirken", prognostiziert sie. In welchem Ausmaß sei derzeit noch nicht absehbar. Wie sie es auch noch für offen hält, ob das Geld in Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität im KV fließen wird oder eher einer Absenkung der Transportpreise zugutekommt. Sie hofft, dass der Schritt in Deutschland eine Signalwirkung für andere Staaten hat, vor allem auch für die Schweiz. Dort sind die Trassenpreise laut Hupac deutlich teurer. 740-Meter-Züge wären ein Meilenstein Doch der Masterplan beinhaltet weitaus mehr Maßnahmen als nur die Absenkung der Trassenpreise. "Wenn es gelingen würde, in Deutschland 740 Meter lange Güterzüge zu fahren, wäre das schon ein Meilenstein", sagt DSLV-Vorstand Plaß. Seine Spedition setzt Züge ein, deren Länge aufgrund fehlender Überholgleise auf 600 Meter beschränkt ist. Wobei er 740 Meter langfristig auch nicht für ausreichend hält: "Ziel muss es sein, noch längere Güterzüge fahren zu können, um so die Effizienz des Verkehrsträgers Schiene gegenüber der Straße weiter zu erhöhen", so seine Forderung. Als weitere positive Maßnahmen im Masterplan nennt Plaß unter anderem die Digitalisierung, die zu einem besseren Informationsfluss führen muss, oder die automatische Kupplung. Doch gelingt mit so einem Plan tatsächlich eine Verlagerung? Plaß zeigt sich optimistisch: "Wenn die Trassenpreishalbierung kommt, wird man das in einem steigenden Aufkommen im nächsten Jahr spüren", lautet seine Prognose. Und langfristig würde angesichts der Staus im Straßengüterverkehr ohnehin kein Weg an der Schiene vorbeiführen, weshalb er seinen Spediteurskollegen auch empfiehlt, sich stärker mit dem Thema "Bahn" zu befassen. Auch wenn die Hupac den Masterplan Schienengüterverkehr insgesamt gutheißt, üben die Schweizer dennoch Kritik: "Das Thema internationaler Schienengüterverkehr kommt viel zu kurz", sagt Sprecherin Tonndorf. Zwar sei in dem Leitbild des Masterplans von "einem einheitlichen Eisenbahnraum mit vollständig offenen und interoperablen Netzen" die Rede. "Aber wie man das umsetzen will, davon findet man nichts in dem Papier", kritisiert sie. Dabei sei Deutschland hier in herausgehobener Position. "Deutschland ist nun mal ein Transitland. 90 Prozent unserer Verkehre finden in Deutschland statt", sagt die Hupac-Sprecherin. Forderungen aufzustellen, aber keine Maßnahmen zu ergreifen, sei zu wenig: "Wir brauchen europaweit mehr Standards im Schienengüterverkehr - egal welche, man muss sich nur einigen." Und einen weiteren Wunsch äußert Tonndorf. Die Absprache unter den Bahnakteuren in Europa müsse sich deutlich verbessern, damit die Einrichtung von Krisenstäben die absolute Ausnahme bleibt. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Railcargo www.verkehrsrundschau.de/dossiers

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