Stuttgart. Baden-Württemberg will die Zahl schwerer Unfälle in Baustellenbereichen auf Autobahnen senken. Besonders Unfälle, an denen Lastwagen beteiligt sind und an sogenannten Hotspots, sollen reduziert werden. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) und Innenminister Thomas Strobl (CDU) legten am Dienstag in Stuttgart ein entsprechendes Maßnahmenpakets vor. Es umfasst unter anderem Lkw-Überholverbote, Tempolimits und mobile Stauwarnanlagen sowie einen verstärkten Einsatz von Polizeimotorrädern, um Störungen auf der Autobahn noch schneller zu beseitigen.
„Ungebremst in die Baustelle – damit muss Schluss sein“, forderte Hermann und erklärte mit Blick auf das vom Land geschnürte Maßnahmenpaket: „Wir warnen und reduzieren die Geschwindigkeit früher und gestuft.“ Nach Aussagen des Verkehrsministers ist vor allem die Zahl der Verkehrsunfälle, an denen Lkw beteiligt sind, immer noch hoch. „Allein durch ihr Gewicht und ihre Größe stellen Lkw ein erhöhtes Gefahrenpotential für andere Unfallbeteiligte dar.“ Vor allem an Stauenden komme es aufgrund von unangepasster Geschwindigkeit, Abstandsverstößen, Unaufmerksamkeit oder Ablenkung zu verspäteten Bremsreaktionen.
Analyse im Auftrag des Landes identifiziert Unfallursachen
Hotspots finden sich gemäß einer Ursachenanalyse der Regierungspräsidien Karlsruhe und Stuttgart überall dort, wo es besonders häufig zu Stau oder stockendem Verkehr kommt. Zum Beispiel dann, wenn ein Fahrstreifen wegfällt und es statt dreispurig nur noch zweispurig weitergeht oder wenn schlicht zu viele Fahrzeuge unterwegs sind und es so zu Behinderungen kommt. Wenn zudem auch noch hohe Differenzgeschwindigkeiten von Pkw und Lkw oder viele Verflechtungsvorgänge an Autobahnkreuzen oder Anschlussstellen dazukommen, erhöht sich die Stau- und damit auch die Unfallgefahr.
Nach Zahlen des Innenministeriums starben 2018 im Zusammenhang mit Lkw-Unfällen in Baden-Württemberg 104 Menschen. Strobl sagte dazu: „Wenn ein Viertel der Verkehrstoten bei Unfällen unter Beteiligung von Lkw verunglücken, dann ist es doch ganz klar, dass wir den Schwerverkehr besonders im Blick haben.“ Störungen auf der Autobahn ziehen häufig kilometerlange Staus und schwere Unfälle am Stauende nach sich. Deshalb habe das Freimachen der Unfallstelle, gerade bei Kleinstunfällen ohne Verletzte, oberste Priorität. „Zu diesem Zweck zieht die Polizei ein Unfallfahrzeug jetzt auch schon mal selbst von der Straße.“
Lkw-Überholverbote und mobilen Stauwarnanlagen
Das nun vorgestellte Maßnahmenpaket des Landes sieht laut Verkehrsminister Hermann unter anderem die Anordnung von Lkw-Überholverboten im Vorfeld der Baustelle als stets notwendige Maßnahme vor. Je nach den örtlichen Verhältnissen soll die Differenzgeschwindigkeit zwischen Pkw und Lkw verringert werden, ohne allerdings den Verkehrsfluss zu beeinträchtigen.
Vorgesehen ist auch der Einsatz mobiler Stauwarnanlagen vor Hotspots zur optischen Warnung – je nach Situation vor Ort mit oder ohne dynamische Geschwindigkeitsanzeige. Vor Baustellen mit einer Dauer von mehr als vier Wochen sind solche Stauwarnanlagen bereits im Einsatz. Ergänzt werden können sie durch akustische Warnungen, die über CB-Funk übertragen werden. Damit könnten rund 25 bis 30 Prozent der Lkw-Fahrer erreicht werden.
Eine wesentliche Rolle im Konzept des Landes spielt eine intensive Verkehrsüberwachung. Die Wirkzusammenhänge zwischen Kontrolldruck, Sanktionshöhe und Verhaltensänderung sind wissenschaftlich erwiesen. Dafür will Baden-Württemberg mehr Pkw-Anhänger anschaffen, in denen ein Gerät zur Geschwindigkeitsüberwachung verbaut ist. Der Verkehr kann damit bis zu zehn Tage autonom überwacht werden.
Strobl kündigte weiterhin an, dass die Polizei auch fahrfremde Tätigkeiten von Lkw-Lenkern verstärkt kontrollieren wird. „Wir können und wollen es nicht akzeptieren, dass während der Fahrt auf dem Smartphone rumgetippt oder Krafttraining betrieben wird. Wenn Sie drei Sekunden lang nicht auf die Straße schauen, bedeutet das bei Tempo 80 einen Blindflug von rund 70 Metern. Das kann Menschenleben kosten“, verdeutlichte der Innenminister.
Strenge Vorschriften für Einsatz von Notbremsassistenten
Über das Maßnahmenpaket hinaus setzt sich das Land Baden-Württemberg dafür ein, dass die Fortschreibung der rechtlichen Vorgaben für Notbremsassistenten durch die EU-Kommission über das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) weiter vorangetrieben werden. (ag)
Ronny Klein