Stuttgart/Karlsruhe. Vor rund einem Jahr hat die Landesregierung von Baden-Württemberg eine „Wasserstoff-Roadmap“ beschlossen. Mit Millionensummen will sie Projekte fördern. Die Anlagen und Technologien für Wasserstoff können hier entwickelt und produziert werden. Das Umweltministerium geht davon aus, dass im Südwesten so bis zu 16.000 neue Arbeitsplätze und neun Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2030 entstehen können.
Die Forschung sei schon weit vorangeschritten, sagt Marc-Simon Löffler, Leiter des Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Wichtig sei nun, Unternehmen mit Forschenden zusammenzubringen, um Produkte zu entwickeln.
Nutzung für synthetische Kraftstoffe
Boysen etwa, ein Hersteller von Auto-Abgassystemen aus Altensteig, will kommendes Jahr ein Wasserstoffzentrum am Standort Simmersfeld (beides Landkreis Calw) bauen, in dem an der Herstellung von Wasserstoff und der Nutzung für synthetische Kraftstoffe gearbeitet wird. Der Pforzheimer Autozulieferer Witzenmann sieht ebenfalls Potenzial: Seine Leitungssysteme seien auch für Wasserstoff geeignet.
Wasserstoff gilt als wichtig, um die Energiewende zu schaffen. Als „grün“ gilt Wasserstoff dann, wenn er etwa mittels Elektrolyse unter Einsatz erneuerbarer Energien produziert wird. Er kann dann als Basis für Kraft- und Brennstoffe dienen. In Industrie und Verkehr soll er schrittweise das Erdöl ablösen. „Das wird natürlich nie vollständig funktionieren“, sagt Löffler. Kein Langstreckenflug sei nur batteriebetrieben möglich, kein Stahlwerk lasse sich rein elektrifiziert betreiben.
Die Technologien seien reif zur Umsetzung, sagt Löffler. Die Politik müsse nun die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Die neue Ampel-Regierung hat im Koalitionsvertrag vereinbart, etwa Investitionen in den Aufbau einer Wasserstoffnetzinfrastruktur zu fördern. Deutschland ist aus Löfflers Sicht gut aufgestellt. Konkurrenz komme vor allem aus den USA, Japan und China. Baden-Württemberg sei vorne mit dabei, was Forschung und Entwicklung angeht.
Wasserstoff könnte nach Deutschland importiert werden
Die Umsetzung werde dann aber eher im Norden Deutschlands, vor allem aber in Südeuropa, Nordafrika oder sogar Australien stattfinden – dort also, wo gut Strom aus erneuerbaren Energien gewonnen werden kann. Der dort produzierte Wasserstoff muss dann nach Deutschland gebracht werden. „Wir werden Importland bleiben bei Rohstoffen“, erklärt Löffler. Die Technologie hingegen könne exportiert werden. Und hier setzen Firmen und Forschungseinrichtungen an. Viele wollten Beratungen beim ZSW, sagt der Fachmann.
Für ein Projekt „Elektrolyse Made in Baden-Württemberg“ meldeten sich stetig interessierte Unternehmen. Und anders als früher hörten die nicht nur zu, sondern stiegen auch in den Markt ein. Allerdings sei dieser auch etwas „überhitzt“, meint Löffler. „Alle wollen jetzt was mit Wasserstoff machen.“ Am Ende könne das aber nicht jeder.
Wie hoch der Bedarf ist, machte jüngst das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit fünf weiteren Einrichtungen deutlich: Um bis 2030 auch nur ein Prozent der Endenergienachfrage in der EU mit heimischem grünem Wasserstoff zu decken, müsse dessen Produktion von 2023 bis 2030 um rund 70 Prozent pro Jahr steigen. Ein Knackpunkt seien aber nicht nur die noch zu knappe Solar- und Windenergie, sondern auch die Produktionsanlagen für Wasserstoff. (dpa)