Ausfallzeiten minimieren

TERMINE FÜR REPARATUR und Wartung der rund 100 Lkw-Züge empfindet die Böhm Güterverkehrs GmbH schon lange nicht mehr als störend. "Jedes Fahrzeug pausiert ein bis zwei Tage im Jahr", sagt Andreas Kiel, Sicherheitsbeauftragter und Fahrtrainer des Transportunternehmens in Langenhagen bei Hannover. "Während der letzten Jahre konnten wir den Instandhaltungsaufwand um bis zu 15 Prozent reduzieren." Möglich macht dies die Teilnahme am Programm Mercedes-Benz Uptime. Seit 2013 erhebt der Lkw-Bauer via Fleetboard Wartungs- und Diagnosedaten für alle Züge von Böhm. Regelmäßig ruft die Stammwerkstatt in Langenhagen alle wichtigen Technikinformationen ab und wertet diese aus. Wenn unvorhergesehene Probleme wie verschlissene Bremsen oder überhöhte Kraftstoffverbräuche diagnostiziert werden, prüft der Servicepartner, wie dringend die Beseitigung ist, und empfiehlt eine Verlegung oder Verlängerung von Werkstattterminen. "So können wir jederzeit neu disponieren", sagt Kiel. Störungen verhindern, bevor sie eintreten Für manche Kunden fährt das niedersächsische Unternehmen Just-in-Sequence-Transporte und muss deshalb besonders flexibel sein. Für Kiel ist die Teilnahme an Uptime bislang ein bemerkenswerter Erfolg. "Während der letzten sechs Jahre ist kein Lkw liegen geblieben", freut sich der Sicherheitsexperte. Böhm nutzt grundsätzlich Fahrzeuge und Telematikgeräte der neuesten Generation. Flexible Intervalle dank Echtzeitdaten Wer von seinen Maschinen und Anlagen also regelmäßig Nutzungsdaten, Komponenteninformationen und Fehlercodes abruft, kann bevorstehende Instandhaltungen und Reparaturen genau planen und so Störungs- und Ausfallszeiten minimieren. "Im Idealfall werden Störungen verhindert, bevor diese überhaupt eintreten", sagt Sven Möller, Geschäftsführer der Unternehmens- und Logistikberatung Logalytics in Gummersbach (siehe auch Kasten rechts). Von herkömmlichen Präventivmaßnahmen unterscheiden sich Predictive-Maintenance-Maßnahmen in einem entscheidenden Punkt. Sie fußen nicht auf festgelegten Intervallen, sondern auf aktuellen Daten und empfehlen Maßnahmen ausschließlich für Teile, deren Ausfall absehbar ist. Im Idealfall verhindern sie den Ausbau von Komponenten, welche noch einwandfrei funktionieren, aber den vorgeschriebenen Wartungs- und Reparaturintervallen zufolge ausgetauscht werden müssen. Vernetzung von Lkw und Werkstatt Während der letzten Jahre hat Predictive Maintenance vor allem als Industrie-4.0-Anwendung Schlagzeilen gemacht. Weit weniger bekannt sind die Lösungen von Lkw- und Trailer-Herstellern. Außer Mercedes-Benz haben auch Scania, Volvo und andere Lkw-Bauer Diagnose- und Analyse-Tools entwickelt, welche Teil eines telematikbasierten Flottenmanagementsystems sind und Fahrzeug und Werkstätte miteinander vernetzen. Auch Krone und Schmitz Cargobull sind in diesen Markt eingestiegen und erheben Daten von Kühlaggregaten, Reifendruck, Bremsverschleiß, Kopplungsstatus und andere Trailerinformationen, wenn der Kunde dies wünscht. Solche Lösungen können in jedem Wartungsvertrag vereinbart werden, wenn das Fahrzeug die technischen Voraussetzungen erfüllt. Auf die meisten Einheiten, die nach 2012 gebaut worden sind, trifft dies zu. Die Angebote der Hersteller finden offenkundig Resonanz. Scania zufolge schließen zwei von drei Kunden in Deutschland und Österreich "Wartungsverträge mit flexiblen Intervallen" ab, wie Joachim Hepfer, Leiter Parts und Serviceverträge, formuliert. Kundenservice im Mittelpunkt Von vielen Maschinen- und Anlagenbauern unterscheiden sich Daimler, Scania und andere Hersteller in einem wichtigen Punkt. Sie verzichten nicht völlig auf bewährte Reparatur- und Wartungsintervalle. "Wir wollen mit Uptime den Instandhaltungsbedarf eines Fahrzeugs frühzeitig erkennen und den Kundenservice verbessern", sagt Michael Kimmich, Leiter Lkw-Kundendienst- und Diagnoseentwicklung von Mercedes-Benz. Im Kern sollen Durchführung und Zeitplan ohnehin vorgesehener Maßnahmen optimiert werden. Der Kunde kann demnach aus ungeplanten Werkstattbesuchen geplante Termine machen und gegebenenfalls mehrere Eingriffe an ein oder zwei Tagen bündeln. Weil die Werkstatt dank der vorhandenen Daten sich auf solche Termine gezielt vorbereiten kann, profitiert er außerdem von schnelleren Abläufen. "Die Werkstatt setzt sich mit dem Kunden in Verbindung und wartet nicht dessen Anruf ab, wenn eine Wartung notwendig ist", sagt Hepfer. Als Konsequenz kann die Werkstatt ihre Kapazitäten besser nutzen und der Dienstleister länger über seine Fahrzeuge verfügen. Der Appetit der Anwender steigt erfahrungsgemäß während des Essens. Wer sich an vernetzte Fahrzeuge gewöhnt hat, wünscht häufig zusätzliche Daten. "Auch die Abschaltung von Assistenz- und Sicherheitssystemen sollte erfasst werden", sagt Kiel. Viele Fuhrparkverantwortliche sind außerdem an zusätzlichen Informationen über das Verhalten ihrer Fahrer interessiert. Allerdings muss der Betriebsrat einem solchen Mitarbeiter-Tracking zustimmen. An Lösungen, wie weitere Daten und Informationen erhoben und ausgewertet werden können, feilt nahezu jeder Hersteller. Ausgefeilte Koordination erforderlich Mindestens ebenso wichtig sind Plattformen, die Daten von ziehenden und gezogenen Einheiten gemeinsam abbilden. Hier melden Mercedes-Benz, Schmitz Cargobull und andere Marktteilnehmer Fortschritte mit Systemen, deren Kompatibilität bereits gewährleistet ist. Ein grundsätzliches Problem bleibt jedoch: Predictive-Maintenance-Lösungen können erfahrungsgemäß am besten mit Stammwerkstätten in Standortnähe, welche die Fahrzeuge ihrer Kunden gut kennen, realisiert werden. Viele Logistikdienstleister sind jedoch ständig in ganz Deutschland oder Europa unterwegs und müssen unterschiedliche Werkstätten anfahren. "Hier stehen auch Hersteller mit einem breiten internationalen Netzwerk vor einem großen Koordinierungsaufwand", räumt denn auch Manfred Nelles, Sprecher von Volvo Trucks, ein. Wenn jede Werkstatt mit gleicher Servicequalität punkten will, müssen Hersteller also mit reibungslosem Datenmanagement überzeugen. Expertentipp Besser geplanter Stillstand als böse ÜberraschungFür Sven Möller hat Predictive Maintenance vor allem ein Ziel: "Der Anwender kann aus einem ungeplanten Fahrzeugstillstand einen geplanten Fahrzeugstillstand machen", sagt der Gründer und Geschäftsführer der Logistikberatung Logalytics. Wer eine gute Routenplanung hat, kann auch den Ort des Stillstands bestimmen und eine Werkstatt aussuchen, welche als besonders qualifiziert gilt. Auch mit anderen Daten kann der Anwender den Ausfallzeitpunkt eines Lkw-Zugs beeinflussen."Wenn er den Fahrer zu einem Lkwschonenden Fahrstil animiert oder für seine Touren ausschließlich gut ausgebaute Straßen wählt, hat dies ebenfalls Auswirkungen auf Zeit und Ort der Instandsetzung", betont Möller. Ansonsten muss sich der Anwender häufig noch mit einer Vielzahl von Systemen auseinandersetzen."Viele Zugmaschinen- und Trailerhersteller arbeiten mit unterschiedlichen Clouds und Plattformen", betont der Berater. Die Logistiker müssen hier flexibel sein und zwischen unterschiedlichen Lösungen wechseln. An einer Lösung dieses Problems arbeiten jedoch die Marktteilnehmer. "Für eine optimale Nutzung der Daten müssen Hersteller, Softwareanbieter und Netzbetreiber ohnehin weit stärker als bislang zusammenarbeiten", so Möller. botSven Möller ist Gründer und Geschäftsführer der Logistikberatung Logalytics in Gummersbach

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