Auf die klassische Tour

Wer braucht noch eine Spedition mit Menschen? Das kann der Computer doch viel besser! So oder so ähnlich lautet das Credo der Logistik-Start-ups, die derzeit auf den Markt drängen. Ihr Produkt besteht meistens aus einer Website mit Preiskalkulator, mehr nicht. Und diesen sogenannten virtuellen Speditionen gehört die Zukunft, meinen manche Experten. Dass es auch anders geht, zeigt FME Frachtmanagement Europa: "Wir arbeiten ganz klassisch - mit Menschen", sagt Christopher Kranholdt, Mitgründer des jungen Unternehmens, das Niederlassungen in Köln, Hof und Ilmenau betreibt. Vor fünf Jahren hat er die Ladungsspedition zusammen mit einem Bekannten gegründet, heute beschäftigt FME 38 Mitarbeiter und macht 12,5 Millionen Umsatz (2016). Und die Zeichen stehen weiter auf Wachstum: Für 2017 sind 16 Millionen Euro angepeilt, im nächsten Sommer wird man ein zusätzliches Büro am Erfurter Kreuz anmieten und einen Standort in Hamburg eröffnen. Damit zeigt der Newcomer, dass das traditionelle Geschäftsmodell einer Spedition noch lang nicht überholt ist. Tempo als Wettbewerbsvorteil "Ich wollte einfach was Neues ausprobieren", erinnert sich Kranholdt an den Start im Jahr 2012. Zu diesem Zeitpunkt hatte der gelernte Speditionskaufmann schon sechs Jahre bei DHL Freight als Disponent gearbeitet. Zusammen mit einem ehemaligen Auszubildenden beschließt er, dem sicheren Job den Rücken zu kehren und etwas Neues aufzubauen. Das Duo mietet ein Kellerbüro in der bayerischen Stadt Hof an, stellt zwei Telefone und Computer auf - und startet. Investoren von außerhalb gibt es nicht. Ihren großen Vorteil sehen die Gründer vor allem in ihrem Tempo. "Die großen Anbieter brauchen oft viel zu lange", so Kranholdts Erfahrung. Bis dem Kunden ein Preis genannt werden könne, vergingen bei Konzernen oft Stunden, bedingt durch die diversen Abstimmungsschleifen. Bei FME dagegen seien es maximal 15 Minuten, so der Speditionsleiter. Außerdem fehle es den Mitarbeitern in den großen "Logistik-Dickschiffen" oft an Branchenkompetenz. Kunden vom vormaligen Arbeitgeber Das Geschäft von FME lief vor allem deshalb vom Start weg gut, weil die Unternehmensgründer aus ihrem alten Job Kontakte mitnehmen konnten. "Viele Kunden waren heilfroh, dass wir angerufen haben", schmunzelt Kranholdt. Dabei ist die Dienstleistung seiner Spedition nicht revolutionär: Sie organisiert Transporte, und zwar ausschließlich Direktfahrten. Die Mitarbeiter akquirieren Fracht, konsolidieren Ladungen, sorgen für Rückfracht und lassen die Transporte von Subunternehmern ausführen. 200 Teil- und Komplettladungen wickelt das Unternehmen derzeit nach eigenen Angaben pro Tag ab, die rund 500 Kunden kommen aus den unterschiedlichsten Branchen, vom Maschinenbau über den Handel bis zur Automobilindustrie. Man ist bundesweit aktiv, es gibt lediglich einen leichten regionalen Schwerpunkt in Thüringen, bedingt durch die Herkunft der Gründer. Um weltweite Transporte kümmert sich eine eigene Luft- und Seefrachtabteilung, die unter anderem Sendungen nach China, Japan und in die USA organisiert. Einen eigenen Fuhrpark betreibt das Unternehmen nicht, lediglich die Planen der Trailer mit FME-Logo gehören der Firma. "Wir wollen schlank bleiben", erklärt Kranholdt. Anders als bei anderen, IT-lastigen Logistik-Start-ups gibt es bei FME keine "stille Dispo-Abteilung", in der die Mitarbeiter nur noch auf Bildschirmen rumklicken. Natürlich nutzt das Jungunternehmen auch intensiv Frachtenbörsen wie Transporeon oder TimoCom, um die Auslastung der eingesetzten Lkw zu verbessern, doch das Telefon ist und bleibt wichtigstes Arbeitsgerät, nicht zuletzt im Vertrieb. Disponenten anstatt Algorithmen Allein sechs Mitarbeiter kümmern sich in dem Speditionsunternehmen um das Neugeschäft, telefonieren täglich rund 50 potenzielle Kontakte ab und besuchen die Kunden vor Ort. Sechs Vertriebler auf ein Team von insgesamt 40 Leuten - auf eine solche Quote kommen selbst große Anbieter nicht. "Unser Erfolg liegt im starken Vertrieb", fasst Kranholdt zusammen. Aber braucht eine Spedition von heute alle diese Menschen überhaupt noch? Warum lässt man nicht einfach einen Rechner die Disposition übernehmen? Kranholdt winkt ab. "Das kann man noch nicht in einem Algorithmus abbilden." Der Computer wisse zum Beispiel nicht, ob ein unbekannter Drittanbieter vielleicht preiswerter einen Transport ausführt, und könne Ladungen über Umladungen nicht kreativ kombinieren. Dafür lägen noch nicht genug Informationen in digitaler Form vor, so Kranholdt. Preise in Echtzeit Das Angebot von virtuellen Speditionen wie Loadfox oder Cillox beobachtet der 31-Jährige interessiert - aber entspannt. "Die Ansätze sind nicht schlecht, aber der Markt ist noch nicht bereit dafür." Erst in zehn oder 15 Jahren könnten die rein computerbasierten Speditionen Erfolg haben, schätzt er. Vorbereitungen für diese Zukunft hat FME Frachtmanagement jedoch schon getroffen: Eine Internet-Anwendung, über die Kunden Preise in Echtzeit abfragen können, hat man bereits im Jahr 2015 selbst programmiert. Sie ist bloß noch nicht online. Wenn das Interesse am Markt da sei, könne man das Tool sofort einsetzen, betont Kranholdt. "Im Moment wollen die Kunden den Preis aber noch von uns - nicht von einer Website." Obwohl das Geschäftsmodell von FME eher klassisch ist, gleicht die Optik des Unternehmens doch eher einer Internetfirma: Das Team ist jung, im Schnitt Mitte bis Ende 20, alle duzen sich, und sogar ein Kickertisch - traditionell ein Muss bei jedem Start-up - steht auf dem Flur. Die Hierarchien sind flach, jeder Mitarbeiter hat große Entscheidungskompetenz, in der IT-Abteilung und im Vertrieb ist Arbeit im Heimbüro völlig akzeptiert. Diese moderne Unternehmenskultur kommt gut an, auch in der Arbeitgeberwerbung. Während sich andere in der Transport- und Logistikbranche schwer tun, Nachwuchs zu gewinnen, hat die Spedition nach eigenen Angaben bislang keine Probleme, Verstärkung für das Mitarbeiter-Team zu finden. Sorgenkind Laderaummangel Was aber nicht bedeutet, dass keine Aufgaben auf der Agenda stehen. Was Speditionsleiter Kranholdt momentan vor allem umtreibt, ist die zunehmende Verknappung des Laderaums. Angesichts der weiter guten Wirtschaftslage drohen hier Engpässe. "Niemand investiert derzeit in den Fuhrpark", beklagt der Unternehmer. Aus diesem Grund versucht das Unternehmen, wie viele der Branchenkollegen, mehr Transportdienstleister fest an sich zu binden. Zweite Baustelle für Kranholdt ist die Verbesserung des Tracking & Tracing. Bei den festen Frachtführern hat er bereits Zugriff auf die GPS-Koordinaten über deren Fahrzeuge, aber bei nur gelegentlich eingesetzten Frachtführern muss man immer noch zum Telefon greifen, um herauszufinden, wann ein Fahrzeug ankommt. "Natürlich suchen auch wir ständig Software, die uns hilft." Mehr zum Thema im Dossier Lkw-Landverkehr www.verkehrsrundschau.de/dossiers Experteneinschätzung "Wer Sofortpreise per Internetabfrage bietet, kann punkten" FME Frachtmanagement Europa verfolgt das traditionelle Speditionsmodell. In Teilbereichen halte ich es auch in Zukunft für gesichert. Überall da, wo es um komplexe Themen geht, hat es weiter seine Berechtigung - seien es Branchenlösungen wie für Pharma oder Healthcare oder zusätzliche Lagerservices. Hier ist die Austauschbarkeit der Dienstleister weiterhin gering.Anders sieht das im Massengeschäft aus, also zum Beispiel bei reinen Komplettladungen von A nach B. Rund 20 bis 30 Prozent des Frachtvolumens entfallen auf dieses Segment und wir rechnen damit, dass es langfristig von Logistik-Start-ups, die Transporte online abwickeln, erobert wird. Im Zuge dieser Entwicklung werden die Margen im gesamten Speditionsgeschäft unter Druck geraten. Aus meiner Sicht ist es deshalb wichtig, dass auch traditionelle Transportdienstleister die Abläufe im Hintergrund komplett digital abbilden. Denn hier liegt die Stärke der Start-ups und an deren oft sehr analytischem Vorgehen sollten sich alle Anbieter messen. Dass das FME Frachtmanagement Europa schon einen Preiskalkulator entwickelt hat, bewerte ich positiv. Denn so sichert sich das Unternehmen den Zugriff auf die wachsende Kundengruppe der Internet-Bucher. Typischerweise handelt es sich um Verlader, die nur ein geringes Sendungsaufkommen haben oder sporadisch Transporte benötigen. Für diese Kunden sind selbst zwei Telefonate schon zu viel. Nur wer einen Sofortpreis per Internetabfrage bietet, kann punkten. cg

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