Verbände und EU-Politiker haben nur bedingt zufrieden auf den Kompromiss zum Ausbau einer Ladeinfrastruktur für alternative Kraftstoffe für den Straßenverkehr (AFIR) bis Ende 2030 reagiert, auf den sich Vertreter des Europaparlaments und der EU-Mitgliedstaaten in den so genannten Trilog-Verhandlungen in der Nacht auf Dienstag geeinigt hatten. Besonders die Ergebnisse für Lkw werden unterschiedlich bewertet. Während beim Ausbau der E-Lade-Infrastruktur die Ambitionen insgesamt dem entsprechen, was das Europaparlament und die EU-Kommission gefordert hatten, bleibt das Ergebnis für Wasserstoff-Ladestationen für Lkw hinter den Forderungen des Europaparlaments zurück.
Alternative Ladeinfrastruktur: Geteilte Reaktionen auf EU-Kompromiss
Besonders die Ergebnisse für Lkw werden unterschiedlich bewertet.
EU: Alle 60 Kilometer eine Ladesäule
Europaparlament und Europäischer Rat haben sich Ende März darauf verständigt, die Zahl der elektrischen Ladestationen und Wasserstofftankstellen auf den Strecken der wichtigsten Verkehrskorridore und an den wichtigsten Knotenpunkten in Europa zu erhöhen. Die neue Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR) enthält einer Mitteilung der EU-Kommission zufolge folgende Ziele: Ab 2025 müssen auf den Strecken des transeuropäischen Verkehrsnetzes (TEN-V) für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge alle 60 Kilometer Schnellladestationen mit einer Leistung von mindestens 150 kW installiert werden. Für schwere Nutzfahrzeuge müssen bis 2025 auf den Strecken des TEN-V-Kernnetzes alle 60 Kilometer und im größeren TEN-V-Gesamtnetz alle 100 Kilometer Ladestationen mit einer Mindestleistung von 350 kW errichtet werden, wobei die vollständige Netzabdeckung bis 2030 zu erreichen ist. Darüber hinaus sollen Ladestationen an sicheren Parkplätzen installiert werden, ferner Ladestationen für Lieferfahrzeuge an städtischen Knoten.
Ab 2030 sollen schließlich sowohl Pkw als auch Lkw an allen städtischen Knoten sowie alle 200 Kilometer auf den Strecken des TEN-V-Kernnetzes Wasserstoff tanken können. Von den Betreibern elektrischer Ladestationen und Wasserstofftankstellen wird dabei vollständige Preistransparenz erwartet, zudem müssen sie einheitliche Zahlungsmethoden wie Debit- oder Kreditkarte anbieten
Reaktionen
„Man legt die Latte hoch, weil man von Vornherein weiß, dass man irgendwo nachgeben muss“, kommentiert dazu der Verhandlungsführer des Europaparlaments, der SPD-Politiker Ismail Ertug, gegenüber der Verkehrsrundschau. Bei den Verhandlungen habe eine Sperrminorität des Rates gedroht, weshalb Kompromisse unumgänglich waren – gerade in Bezug auf Wasserstoff.
Hier hebt Ertug jedoch als Erfolg hervor, dass jetzt in „allen urbanen Zentren“ mindestens eine Lkw-Tankstelle für Wasserstoff bis 2030 verpflichtend sei. Damit würden durch den Kompromiss neben den zahlreichen E-Ladepunkten auch mindestens 660 Wasserstoff-Tankstationen bis 2030 entstehen, so Ertug.
In seiner Pressemitteilung heißt es zu den Beschlüssen: „Für Lkw konnten wir ambitionierte Ziele für die Elektro- und Wasserstoff-Lade-Infrastruktur durchsetzen.“ Für Lkw und Busse werde eine E-Ladestation alle 120 Kilometer vorgeschrieben (bis Ende 2027, Anm. d. V.). Außerdem sollen bis 2030 mindestens alle 200 Kilometer Wasserstofftankstellen entlang des Transeuropäischen Verkehrsnetzes entstehen.
Für den europäischen Verband der Autohersteller Acea ist das nicht genug. „Das Ergebnis bleibt hinter dem zurück, was notwendig gewesen wäre, um die ehrgeizigen CO2-Ziele zu erreichen, die für die Fahrzeughersteller gesetzt wurden“, lässt sich Acea Generaldirektorin Sigird van Vries in der Mitteilung ihres Verbandes zitieren. Außerdem würden zahlreiche Ausnahmeregelungen für die Mitgliedsländer dazu führen, dass ein lückenloses Netz von Ladepunkten und –stationen für alternative Kraftstoffe in der EU nicht erreicht werde.
Der Umweltverband Transport & Environment (T&E) hingegen begrüßt die Einigung. Friederike Piper, Referentin für E-Mobilität bei T&E Deutschland, teilt mit, dass fehlende Ladesäulen oft als Vorwand genommen würden, um emissionsfreie Lkw nicht schneller einzuführen. „Dieses Hindernis räumt der Gesetzgeber nun endgültig aus dem Weg. Der EU-Beschluss ermöglicht Lkw-Herstellern ehrgeizige Absatzziele, die wiederum den europäischen Straßengüterverkehr grüner machen werden“, wird Piper in einer T&E-Mitteilung zitiert.
Aufgrund der jetzt getroffenen Einigung könnten Europaparlament und die Mitgliedstaaten die CO2-Ziele für Lkw jetzt „mit der Gewissheit erhöhen, dass ausreichend Ladeinfrastruktur zur Verfügung stehen wird“, fügt Piper hinzu.
„Die erzielte Einigung verankert ein gutes Ambitionsniveau“, teilt der CSU-Politiker Markus Ferber mit, stellvertretendes Mitglied im Verkehrsausschuss des Europaparlaments. Damit aber der Infrastrukturausbau nicht nur auf dem Papier gelinge, „muss die Umsetzung in den Mitgliedstaaten genau im Auge behalten werden“, betont er.
Laut der Grünen Europaabgeordneten Anna Deparnay-Grunenberg, die als so genannte Schattenberichterstatterin die Positionen des Parlaments in den Trilog-Verhandlungen mit vertreten hatte, ermöglicht der Kompromiss, „dass die Logistikbranche rasch auf batteriebetriebene Lkw umsteigt“.