Ägypten

Ägypten Ein Volk protestiert und alles steht still Die Massenproteste gegen die Regierung in Ägypten versetzten das Land in einen Ausnahmeszustand. Die Logistikwirtschaft am Nil geriet für einige Tage ernsthaft ins Stocken. Die politischen Unruhen mit Massendemonstrationen und Ausgangssperren blieben nicht ohne Auswirkung auf die internationale Logis-tikwirtschaft sowie die Industrieproduktion im Lande. Nach Angaben von Rainer Herret, Geschäftsführer der deutsch-arabischen Industrie- und Handelskammer in Kairo, blieben die Büros einiger Kurierdienste geschlossen. Während die Abfertigung im Hafen von Port Said am Eingang des Suezkanals normal verlief, konnten im Hafen von Alexandria Schiffe nur im Eilverfahren gelöscht werden – ein Beladen war „aus Kapazitätsgründen“ gar nicht möglich. Betroffen waren unter anderem auch die Werke der Automobilindustrie und deren Zulieferer. Durch die angespannte Situation in Tunesien vorgewarnt, hat der Zulieferer Leoni frühzeitig ein Überspringen der Protestbewegung nach Ägypten befürchtet. Das Unternehmen baut in beiden Ländern Kabelsätze und Bordnetz-Sys-teme für europäische Autohersteller oder internationale Zulieferer. So war das Werk in Kairo am 31. Januar und 1. Februar nur mit einem Fünftel der Mitarbeiter besetzt. „Wir hatten vorsorglich über Bedarf produziert und uns damit einen Puffer von zwei bis drei Wochen erarbeitet“, sagte Pressesprecher Sven Schmidt. Einen Lieferstopp habe es nicht gegeben. Ende vergangener Woche produzierte das Unternehmen sogar wieder über Niveau mit einer verlängerten Nachtschicht. Probleme gab es nur durch die Schließung des Hafens in Kairo und den dadurch eingeschränkten Export. Kritische Waren seien deshalb in Absprache mit den Kunden per Luftfracht zum Zielort geflogen worden. Seit Ende Januar hat Daimler den Geschäftsbetrieb sowohl im Vertrieb als auch in einem Montagewerk für Mercedes-Benz-Fahrzeuge, an dem der Automobilhersteller eine Minderheitenbeteiligung hält, unterbrochen. Deutschland ist davon nicht betroffen, weil vor Ort ausschließlich für den ägyptischen Markt produziert wird. DHL setzt Express-Dienst aus Express- und Logistikdienstleister spürten ebenfalls Beeinträchtigungen. DHL hat aus Sicherheitsgründen seinen Express-Dienst Anfang Februar für einige Tage ganz ausgesetzt. Der Paketdienstleister ist in Ägypten mit 44 Standorten und 530 Mitarbeitern vertreten. „Während die Lage besonders angespannt war, haben wir die Niederlassung in Kairo nur mit einer Notmannschaft besetzt“, sagte DHL-Pressesprecher Jörg Wiedemann. „Seit sich die Lage etwas entspannt hat, können unsere Kunden ihre Pakete wieder abholen und abgeben“, ergänzt er. Auch die Tür-zu-Tür-Lieferungen wurden inzwischen wieder punktuell aufgenommen und soweit es die Lage erlaubt nach und nach ausgeweitet. Der Bereich Global Forwarding war von den Unruhen ebenfalls betroffen, weil Seehäfen eingeschränkt arbeiteten. Fracht wurde auf andere Häfen umgeleitet. Ebenso war die Luftfracht beeinträchtigt, weil einige Cargo-Airlines ägyptische Flughäfen nicht angeflogen beziehungsweise den Betrieb aus Kapazitätsmangel eingestellt haben. Die Sendungen mussten deshalb zwischengelagert werden. Lufthansa Cargo verhängte wegen der unklaren Situation am Flughafen lediglich ein vorübergehendes Embargo für Kühlprodukte nach Ägypten, das aber am Ende der ersten Februarwoche wieder aufgehoben werden konnte. Lufthansa Cargo bedient Kairo normalerweise zusätzlich zur Beifracht in Passagiermaschinen der Konzernmutter zweimal pro Woche mit einer Frachtmaschine auf dem Weg nach Fernost. Diese wurden teilweise umgeleitet. Ägypten zählt in Afrika zu den wichtigsten Märkten für Lufthansa Cargo. Schon seit mehr als 30 Jahren ist der Textillogistiker Meyer & Meyer aus Osnabrück in Tunesien und Marokko tätig. In Ägypten ist das Unternehmen seit zwei Jahren aktiv. Einmal pro Woche fahren LKW der Spedition im Haus-zu-Haus-Verkehr mit der Fähre von Venedig nach Alexandria und zurück. Kunden sind Textilunternehmen sowie Betriebe aus der Automobilindustrie. Für die Unternehmen ist eine schnelle Anlieferung wichtig, weshalb der längere Transport per Containerschiff ausscheidet. Schiffe wurden verzögert abgefertigt Auf dem Höhepunkt der Unruhen konnte die Fähre den Hafen Alexandria nicht anlaufen. „Wir haben dadurch eine Verzögerung von einer Woche gehabt“, sagt Michael Meyer, geschäftsführender Gesellschafter. Außerdem stauten sich LKW der Spedition in Alexandria und Venedig. Das Krisenmanagement bestand vor allem darin, über verschiedende Kanäle laufend sich selbst und seine Kunden über die Ereignisse auf dem Laufenden zu halten. Die italienische Reederei Visemar Line betreibt eine regelmäßige Fähre von Venedig über das syrische Tartus nach Alexandria. Nach Angaben der Reederei konnten die Fähren nur mit verminderter Kapazität operieren. Militärs kontrollierten zunächst die Zufahrten zu den Häfen. Wegen der Ausgangssperren waren Hafenarbeiter zudem nicht immer verfügbar. Ende letzter Woche habe sich die Lage aber normalisiert. Betroffen von den Unruhen in Ägypten war auch Hellmann. Die Osnabrücker Spedition arbeitet vor Ort mit einem Dienstleister zusammen, der Verzollungsaufgaben übernimmt und die Luft- und Seefracht abwickelt. Es handelt sich dabei um Sammelverkehre, vor allem von Inves-titionsgütern, die nach Ägypten exportiert werden. „Auf dem Höhepunkt der Krise waren die Kontaktmöglichkeiten eingeschränkt“, sagt Markus Lingohr, Director Air & Sea Division Germany bei Hellmann. Das Internet – das vorrangige Kommunikationsmittel für Hellmann – funktionierte zeitweise nicht. Suezkanal blieb offen Erleichtert zeigt sich Lingohr darüber, dass die Unruhen den Suezkanal nicht erreicht haben. „Eine Schließung dieser Wasserstraße hätte erhebliche Auswirkungen gehabt“, sagt er. Die Schiffe hätten dann den Umweg über das Kap der Guten Hoffnung machen müssen. „Dann wären sie zehn Tage länger unterwegs gewesen“, sagt Lingohr. Deshalb haben er und sein Team sich auch regelmäßig über die Lage am Suezkanal informiert. ❙❚■ A. Binder, M. Cordes, T. Rauser und D. Winkler Demonstranten versammelten sich zu Tausenden auf dem Tahrir-Platz in Ägyptens Hauptstadt Kairo Ägypten Der Kanal bringt fünf Milliarden Dollar an Devisen Ägypten ist das Nadelöhr im Schiffsverkehr zwischen Europa und Asien. Der 190 Kilometer lange Suezkanal, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet, erspart Schiffen den 9000 Kilometer langen Umweg um Afrika herum. Etwa 20.000 Schiffe durchfahren den Kanal pro Jahr und damit etwa ein Zehntel des weltweiten Seehandels. Eigentümer ist die staatliche „Suez Canal Authority“ (SCA), die jährlich rund fünf Milliarden US-Dollar an Gebühren einnimmt. Der Kanal ist damit einer der wichtigsten Devisenbringer für das Land am Nil. Port Said, Alexandria, El-Dekheila und Damietta sind die wichtigsten Häfen. diwi Kairo Alexandria Ägypten Mittelmeer Rotes Meer Suez-Kanal Nil El-Dekheila Damietta Port Said Ismailia El-Arish Suez Adabiya El Sokhna Qena Asyut Wichtige Seehäfen Hauptstadt Stadt Der Suezkanal

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