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Wachstumschancengesetz trotz Einigung auf der Kippe

22.02.2024 11:12 Uhr | Lesezeit: 5 min
Vermittlungsausschuss am 21. Februar 2024 bei der Arbeit im Sitzungssaal des Ausschusses
Vermittlungsausschuss am 21. Februar 2024 bei der Arbeit im Sitzungssaal des Ausschusses
© Foto: Bundesrat | Thomas Trutschel

Mit den Stimmen der Ampel-Mehrheit hat der Vermittlungsausschuss Änderungsvorschläge zum Wachstumschancengesetz angenommen, die Union stimmte dagegen. Ob das Gesetz mit Steuererleichterungen doch noch scheitert, ist nun abhängig von der Entscheidung im Bundesrat.

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Der Vermittlungsausschuss hat sich auf Kompromissvorschläge zum Wachstumschancengesetz geeinigt. Das Gesetz soll die Wirtschaft unter anderem steuerlich entlasten. Trotzdem ist nicht sicher, ob das Gesetz nicht noch scheitert.

Denn im Ausschuss fand sich zwar eine Mehrheit, diese bestand aber aus den Stimmen der Ampel, die Union stimmte dagegen. Da es sich um ein sogenanntes Zustimmungsgesetz handelt, könnte es im Bundesrat am 22. März so dazu kommen, dass das Gesetz mit den Stimmen der Unionsgeführten Länder abgelehnt wird. Damit wäre es dann endgültig gescheitert.

Warum die Union gegen das Gesetz ist

Die Union machte für ihre Zustimmung zu dem in Verhandlungen erzielten Kompromiss eine zusätzliche Bedingung: SPD, Grüne und FDP müssten auf die vom Bundestag bereits beschlossene Streichung der Steuervergünstigung beim Agrardiesel für Landwirte verzichten. Daran hielten die Unionsvertreter auch im Vermittlungsausschuss fest.

Während Koalitionspolitiker kritisierten, die beiden Themen hätten nichts miteinander zu tun, argumentierten Unionspolitiker, beide Male gehe es um Lasten für die Wirtschaft. 

Bundesratspräsidentin Manuela Schwesig (SPD) erklärte, die Ampel-Regierung habe deutlich gemacht, dass sie mit den Landwirten im Gespräch sei, um gemeinsame Lösungen zu finden. Die Länder erwarteten bis zur Bundesratssitzung am 22. März Vorschläge. Dobrindt sagte allerdings, er habe kein Vertrauen, dass die Ampel bis dahin ein substanzielles Ergebnis mit den Bauern vorlegen werde.

Was sich am Gesetzvorschlag geändert hat

Ursprünglich sollte der Gesetzesvorschlag ein milliardenschwerer Rundumschlag für alle Branchen sein, der Firmen in der Konjunkturflaute entlastet und Investitionen in den Klimaschutz anreizt. Lindner hatte fast 50 steuerpolitische Maßnahmen vorgeschlagen. Im Kern: eine Prämie für Klimaschutz-Investitionen, dazu steuerliche Forschungsförderung, eine bessere Verlustverrechnung und der Abbau bürokratischer Hürden.

Der Bundesrat hatte das Wachstumspaket mit dem Argument blockiert, Länder und Kommunen müssten einen Großteil der Kosten und Steuerausfälle schultern. Daher landete das Gesetz im Vermittlungsausschuss.

In ersten Gesprächen strichen die Verhandlungspartner das Volumen der Entlastungen daraufhin bereits von einst geplanten sieben Milliarden Euro jährlich auf 3,2 Milliarden Euro zusammen. Übrig blieb im Grunde nur eine Light-Variante der ursprünglichen Pläne.

Auch die Prämie für Investitionen in den Klimaschutz wurde gestrichen, die ursprünglich als Kern des Gesetzes galt. SPD-geführte Länder zeigten sich mit der abgespeckten Lösung zufrieden.

Geplant ist unter anderem eine auf vier Jahre befristetet Anhebung des Verlustvortrags auf 70 Prozent ohne Gewerbesteuer, so der Bundesrat in einer Mitteilung. Außerdem soll eine degressive AfA auf bewegliche Wirtschaftsgüter für neun Monate eingeführt werden.

Reaktionen auf das Ergebnis im Vermittlungsausschuss

Finanzminister Christian Lindner (FDP) warf der Union nach der Sitzung vor, sich den Rufen der deutschen Wirtschaft nach einer Entlastung und Wachstumsimpulsen zu verweigern. Der Fraktionsvize der Grünen, Andreas Audretsch, sagte, die Union habe die Wirtschaft „wegen taktischer Spielchen zur eigenen Profilierung im Regen stehen lassen“. „Ich glaube, auch die deutsche Wirtschaft wird dafür keinerlei Verständnis haben“, sagte FDP-Fraktionschef Christian Dürr.

Der Druck auf CDU und CSU sei nun erheblich. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dagegen kritisierte, es sei ein schlechtes Ergebnis ohne die Zustimmung der Union. Die Möglichkeit, eine Brücke zu bauen, sei vertan worden. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses von Bundesrat und Bundestag zum Wachstumspaket für die Wirtschaft scharf kritisiert - und ein Nein Bayerns im Bundesrat angekündigt.

„Es ist ja ohnehin ein kleines Gesetzchen. Es wird keine große Wirkung haben“, sagte Söder. Bayern hätte gerne ein umfassendes Wachstumschancengesetz gehabt - mit einer Abschaffung des Soli, mit einer Unternehmenssteuerreform, mit niedrigeren Energiesteuern.

Die Union habe keinerlei Interesse gezeigt, über das Wachstumschancengesetz selbst zu sprechen, kritisierte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Es sei CDU und CSU einzig und allein um die politische Verknüpfung mit dem Agrardiesel gegangen.

Was das Ergebnis bedeutet, Wirtschaftsverbände enttäuscht

So kam es zu einem sogenannten unechten Ergebnis: Mit der Mehrheit der Ampel und ohne Zustimmung der Union nahm der Vermittlungsausschuss das Verhandlungsergebnis zum abgespeckten Wachstumspaket an. Die Ampel spielte damit den Ball aufs Spielfeld der Union, die nun unter Druck geraten könnte. Denn viele Wirtschaftsverbände wollen das Wachstumspaket unbedingt. 

Direkt am Mittwochabend, den 21. Februar meldete sich der Verband der Chemischen Industrie: „Mit dem Wachstumschancengesetz hätten Bund und Länder nach 15 Jahren steuerpolitischer Rückschritte endlich einen ersten richtigen Schritt nach vorne gemacht, um den Reformstau in Deutschland zu lösen. Diese Chance wurde vertan.“

Auch Dirk Jandura, Präsident des Bundesverbandes Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA) äußerte sich am 22. Februar kritisch: „Das Aufschieben des Wachstumschancengesetzes schadet dem Wirtschaftsstandort Deutschland. Die vorgeschlagenen Entlastungen sind richtig, aber sie kommen spät und sind viel zu wenig.“ Die Union nehme für die Entlastung der Landwirtschaft die Gesamtwirtschaft in Geiselhaft. „Das Wachstumschancengesetz hat auch in seiner geschrumpften Fassung Signalwirkung, wenn es als erster Schritt hin zu einer umfassenden Modernisierung der Unternehmensbesteuerung verstanden wird.“

Die Ampel geht aber mit ihrem Vorgehen im Vermittlungsverfahren auch ein Risiko ein: Bleibt die Union hart und halten alle unionsgeführten Länder zusammen und es scheren nicht einige von der Linie aus, könnten die Entlastungspläne scheitern - angesichts der Konjunkturflaute könnte dies ein fatales Signal an die Wirtschaft sein, dass man sich auf die Politik nicht mehr verlassen kann.

DIHK-Präsident Peter Adrian sagte, es gebe entweder überhaupt nichts an Entlastung - oder, wenn der Bundesrat am 22. März doch noch zustimmen sollte, ein sehr kleines Paket. Mit gut drei Milliarden Euro bliebe dann noch nicht einmal die Hälfte der Entlastung übrig, die die Bundesregierung ursprünglich in Aussicht gestellt hatte.

„Das würde noch nicht einmal die Mehrbelastung auffangen, die der Wirtschaft durch den Anstieg der Stromnetzentgelte zum Jahreswechsel entstanden sind. Dennoch bleibt es wichtig, mindestens dieses kleine positive Signal zu senden.“

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