Bei einer Kündigung wird der Arbeitnehmer häufig auch freigestellt. Oft bestehen dann noch Urlaubsansprüche. Oder der kündigende Arbeitnehmer lässt sich aufgrund von Überstunden und offenen Urlaubstagen freistellen. Kompliziert wird es, wenn der Gekündigte oder der Kündigende während der Freistellung erkrankt. Dazu hatten das Landesarbeitsgericht (LAG) Chemnitz und das LAG Kiel zu entscheiden. Auf die beiden Urteile weist die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht des Deutschen Anwaltvereins (DAV) hin.
Demnach hat das LAG Chemnitz entschieden, dass ein Urlaubsanspruch während der Freistellung nur erfüllt wird, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist (Urteil vom 30. Mai 2024, Aktenzeichen 4 Sa 17/23).
Im konkreten Fall ging es um eine Arbeitnehmerin. Nachdem der Arbeitgeber ihr gekündigt hatte, wurde sie von diesem unter Anrechnung ihres Resturlaubs von der Arbeit freigestellt. Während der Freistellungsphase war sie jedoch durchgehend arbeitsunfähig erkrankt, was sie durch ärztliche Atteste nachweisen konnte.
Der Arbeitgeber bezweifelte die Krankheit und verwies auf die Teilnahme der Arbeitnehmerin an sozialen Aktivitäten wie einer Party und einem Einkaufsbummel. Die Arbeitnehmerin klagte schließlich auf Abgeltung der offenen Urlaubsansprüche.
Das Gericht stellte klar, dass ein Urlaubsanspruch nur erfüllt werden kann, wenn der Arbeitnehmers arbeitsfähig ist. Ist er krankgeschrieben, könne der Urlaub nicht wirksam gewährt werden. Eine Freistellung könne daher nicht als Erfüllung des Urlaubsanspruchs angesehen werden. Der Arbeitgeber hatte dementsprechend der Mitarbeiterin nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Urlaubsanspruch finanziell abzugelten.
Beweiswert der AU: Allgemeine Behauptungen über Freizeitaktivitäten reichen für Zweifel nicht aus
Das Gericht betonte auch den hohen Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (AU). Der Arbeitgeber konnte diesen nicht erschüttern. Allgemeine Behauptungen über Freizeitaktivitäten reichten nicht aus, um Zweifel an der AU zu wecken. Der Arbeitgeber hätte konkrete Tatsachen vortragen müssen, um den Beweiswert zu erschüttern.
Das Urteil schaffe Klarheit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, insbesondere in Fällen, in denen Urlaubsansprüche während einer krankheitsbedingten Freistellung betroffen sind, so die Anwälte des DAV: „Arbeitgeber sollten beachten, dass eine Freistellung den Urlaubsanspruch nur dann erfüllt, wenn der Arbeitnehmer arbeitsfähig ist. Arbeitnehmer hingegen können ihre Urlaubsabgeltungsansprüche auch dann geltend machen, wenn sie während der Freistellung krankheitsbedingt arbeitsunfähig sind und dies durch ärztliche Atteste nachweisen können.“
Anderer Fall: Kurz krank in der Freistellungsphase aber nicht in der darin festgelegten Urlaubsphase
Aber was ist, wenn der Arbeitgeber während einer unwiderruflichen Freistellung nach einer Kündigung seinen Urlaub in dem Zeitraum festgelegt hat und anschließend in der Freistellungsphase erkrankt? Kann er den Urlaub nachträglich auf die Tage der Erkrankung „verschieben“ und hat einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung? Darüber musste das LAG Kiel in einem ganz anders gelagerten Fall entscheiden, so der DAV (Urteil vom 26. März 2024, 1 Sa 168/23).
Im konkreten Fall kündigte ein Arbeitnehmer im Dezember 2022 sein Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 2023. Er wollte seinen Resturlaub und die angefallenen Überstunden durch Freistellung abbauen, die ihm auch gewährt wurde. Um die verbleibenden Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche abzubauen, endete seine aktive Tätigkeit am 2. Februar 2023.
Am 16. Dezember 2022 teilte der Mitarbeiter seinem Arbeitgeber mit, dass er vom 11. Februar 2023 bis zum 10. März 2023 einen längeren Auslandsaufenthalt plane und in dieser Zeit nicht zur Verfügung stehe. Nachdem der Kläger vom 1. Juni 2023 bis zum 16. Juni 2023 arbeitsunfähig erkrankt war, verlangte er Urlaubsabgeltung für zwölf Arbeitstage.
Die Richter entschieden laut DAV, dass der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Mitarbeiters durch die Freistellung erfüllt habe. Entscheidend sei, dass der Kläger selbst über die Lage seines Urlaubs entschieden habe. Mit der Mitteilung, ab dem 13. Februar 2023 im Urlaub zu sein, habe er diesen Zeitraum festgelegt. Die anschließende Erkrankung des Klägers vom 1. Juni 2023 bis zum 16. Juni 2023 hatte keinen Einfluss auf den bereits festgelegten und damit erloschenen Urlaubsanspruch.