München. Der Deutsche Zoll erkennt bei osteuropäischen Lkw-Fahrern Spesen als Mindestlohn an und leistet somit dem Sozialdumping aktiv Vorschub, so der Vorwurf von Camion Pro. Seine Rechercheergebnisse gab der Berufsverband heute in einer Pressekonferenz bekannt. Diese „schwarzen Lohnzahlungen“ bedeuten nicht nur eine erhebliche Wettbewerbsverzerrung zu Lasten heimischer Unternehmen, sondern sind nach Ansicht von Camion Pro das Schlüsselelement des Sozialdumpings in der europäischen Transportbranche.
Die Tragweite der Praxis, dass Spesen auf den Mindestlohn angerechnet werden, zeige sich daran, dass betroffene Fahrer bis zu 80 Prozent ihres Lohns als Spesen erhielten, so der Verband. Die betroffenen Fahrer seien somit faktisch weder renten- noch arbeitslosenversichert und haben somit auch keinen gesetzlichen Kündigungsschutz. Bei Auftragsmangel oder technischen Defekten würden den Fahrern diese „Spesen“ gestrichen. Allein an diesen Fakten sei erkennbar, dass es sich hierbei um ein hochkriminelles Bezahlungssystem handelt und nicht um echte Spesen oder Aufwandsentschädigungen und schon gar nicht um regulären Lohn gemäß Mindestlohngesetz. Der Anteil der Fahrer, die für osteuropäische Transportunternehmen in Deutschland tätig sind und von diesen „schwarzen Lohnzahlungen“ betroffen sind, geht nach Schätzungen von Camion Pro in die Hunderttausende.
Zoll verweist auf Rechtslage und mangelnde Kontrollmöglichkeiten
Der Zoll reagierte in einer schriftlichen Stellungnahme auf die Vorwürfe und verwies auf mangelnde Kontrollmöglichkeiten, die Verantwortung der entsendenden Staaten und den geltenden rechtlichen Rahmen. Rechtsanwältin Margit Fink, Fachanwältin für Arbeits- und Sozialrecht bei der Kanzlei SGP Rechtsanwälte, Neu-Ulm, sagte dazu: „Der Argumentation des Zolls kann man nicht folgen, indem nur darauf verwiesen wird, dass es nicht Aufgabe des Zolls ist, die Einhaltung der Mindestlohnvorschriften in anderen Ländern zu überprüfen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist davon auszugehen, dass der Arbeitnehmer zumindest einen sozialversicherungsrechtlichen Schutz nach allgemeinem europäischen Standard haben muss. Davon kann in diesen Arbeitsverhältnissen keine Rede sein.“
Im Rahmen der Pressekonferenz sagte Andreas Mossyrsch, Vorstand von Camion Pro Deutschland, man wolle keinen Ost-West-Kampf, sondern gleiche Bedingungen für alle und einen fairen Wettbewerb. Wie auch andere Branchenverbände fordere Camion Pro die Freigabe der Mautdaten und die konsequente Anwendung der bereits geltenden Regeln zu Mindestlohn und Kabotage. (ir)
Kohlmann Karin