London. Die Rebellion ist ausgeblieben: Das umstrittene Binnenmarktgesetz des britischen Premiers Boris Johnson hat im Londoner Parlament eine weitere Hürde genommen. Johnson will mit dem Gesetz den gültigen, mühsam ausgehandelten Brexit-Deal mit der EU in Teilen aushebeln. Eine Mehrheit der Abgeordneten stimmte am Dienstag in London einem Kompromiss des Premiers mit seinen Kritikern zu, so dass keine formelle Abstimmung mehr über deren Antrag stattfinden musste.
Damit erklärten sich auch etliche konservative Abgeordnete mit Johnsons Plänen einverstanden, die sich zuvor dagegen ausgesprochen hatten. Der Regierungschef war zuvor einen Schritt auf die Abweichler zugekommen und hatte ihnen eine weitere Abstimmung im Parlament für den Fall zugesichert, dass die im Gesetz für einen Notfall vorgesehenen Maßnahmen tatsächlich zum Einsatz kommen sollten - im Kern das, was die Rebellen gefordert hatten.
May: Regierung setzt „Integrität des Vereinigten Königreichs“ aufs Spiel
Der Kompromiss bedeutet jedoch nicht, dass im Unterhaus nun Einigkeit herrscht. „Ich kann dieses Gesetz nicht unterstützen“, hatte etwa Ex-Premierministerin Theresa May noch am Montag im Unterhaus gesagt.
Die Regierung setze „die Integrität des Vereinigten Königreichs“ aufs Spiel, ohne die Konsequenzen für das Ansehen des Landes in der Welt im Blick zu behalten. Die Opposition wetterte am Dienstag gegen die Regierung als „gesetzgeberische Hooligans“.
Für EU ein Rechtsbruch
Konkret geht es in dem Gesetz um Sonderregeln für das britische Nordirland, die eine harte Grenze zum EU-Staat Irland und neue Feindseligkeiten dort verhindern sollen. Für die EU handelt es sich bei Johnsons Vorstoß um einen Rechtsbruch. Brüssel forderte London daher auf, bis Ende September einzulenken.
Nachdem die Abgeordneten im Unterhaus sich bereits in der vergangenen Woche in einem ersten Votum für das Gesetz ausgesprochen hatten und nun auch der Kompromiss abgesegnet ist, steht die finale Entscheidung dennoch weiter aus: In der kommenden Woche dreht das Gesetz eine weitere Runde im Unterhaus, bevor dann das Oberhaus darüber debattieren wird. Kommen von dort Änderungsanträge, könnte es sogar wieder im Unterhaus landen - ein Pingpong, das Wochen dauern könnte.
Gesetz könnte Ende für Handelsvertrag bedeuten
Kritiker befürchten, dass das geplante Gesetz der Todesstoß für den angestrebten Handelsvertrag zwischen der EU und Großbritannien sein könnte, der die künftigen Wirtschaftsbeziehungen neu regeln soll.
Nach dem Ende der Brexit-Übergangsphase droht ohne Vertrag ein harter Bruch mit Zöllen und hohen Handelshürden. (dpa)