MAN TGS 8x4 Kipper: Genug Leistung für die Grube?

Von wegen halbstark: 400 PS und 1800 Newtonmeter Drehmoment sind für 32 Tonnen ja nicht wenig. Gleich mal gegengerechnet: Bei einem 40-Tonner wären es 500 PS und 2250 Newtonmeter Drehmoment. Auch wenn die Baubranche in Sachen Leistung eher nicht knausert, sehen die Münchener für ihren leichten Sechszylinder durchaus Chancen. Schließlich fährt so ein Kipper fast zu 50 Prozent leer, und der D15-Sechszylinder spart mal eben 230 Kilogramm Gewicht zum größeren D26-Triebwerk ein. Auf der Waage folgt allerdings die erste Ernüchterung: Das Testfahrzeug wiegt 14,5 Tonnen, die man ihm ansieht. Die schweren Vierblatt-Parabelfedern an den Außenplanetenachsen versprechen mit zweimal 13 Tonnen Achslast Überlastreserven, die mittelhohe Bauart gewisses Geländetalent. Der D15-Diesel zieht mit Nachdruck an Nicht nur der kleine Motor verspricht Spannung. Es ist der erste Auftritt des neuen Bau-MAN in unserer Stamm-Kiesgrube, der dort vom MAN-affinen Personal mit erhobenem Daumen begrüßt wird. Zuerst die statische Musterung: Der Einstieg blieb in gewohnter Güte, hervorragende Platzverhältnisse im Innenraum, wobei die Münchner an der Einrichtung sparen. Keine Staumöglichkeiten für Werkzeug, Stiefel, Helm und Kleidung - zumindest nicht serienmäßig. Der D15 im Untergeschoss klingt wie ein "Großdiesel", nicht flüsterleise im Leerlauf und erst recht nicht unter Volllast. Aber er zieht mit Nachdruck an, im engen Kreisverkehr bei verzwängten Hinterachsen muss er das erste Mal kräftig schaffen. Hier hilft, dass bei 900 Touren bereits 1600 Newtonmeter geliefert werden, zwischen 1000 und 1500/min serviert der D15 dann seine ganzen 1800 Newtonmeter. Über mangelnde Dynamik kann man sich auf ebener Strecke daher nicht beschweren. DP-Modus für höhere Drehzahlen An der Einfahrt in eine stark befahrene Bundesstraße ziehen wir mit dem DP-Modus (Drive Performance) den nächsten Joker. Hier stellt das Tipmatic-Getriebe ein erweitertes Drehzahlfeld bereit, was in der Praxis 200 Touren mehr bedeutet, die von Gang zu Gang nutzbar sind. Und jetzt marschiert der 8x4, das Einfädeln gelingt gleich viel besser. Auch bei kniffligen Fahrsituationen lohnt sich der Griff zum Drehschalter, in Stellung DP sortiert das Getriebe die Gänge viel schneller - und nutzt man die Kick-down-Funktion, bekommt man seinen Leistungszuschlag noch ein Quäntchen schneller. Bei Leerfahrten dagegen bewährt sich der Eco-Modus, das hier reduzierte Drehzahlniveau reicht locker und spart Sprit. Das Tipmatic-Getriebe mit seinen zwölf Gängen präsentiert sich jetzt grundsätzlich fitter und flinker als früher. Die Traxon-Box stammt von ZF, die Schaltsoftware reklamiert MAN allerdings für sich. Ohne Befund ist auch die Lenkung, selbst im Gelände lässt sich der Vierachser zielgenau steuern, auch wenn er noch ohne elektromotorische Lenkunterstützung auskommen muss. Jetzt empfiehlt der Testbegleiter den Offroad-Modus DX des Getriebes, in dem auch gleich die ASR-Funktion abgeschaltet bleibt. Mit Nennleistung geht es in die Steigung, bergab muss die Motorbremse zeigen, was sie kann. Und offenbart sich als Überraschung: Sie hält den 32-Tonner mit erstaunlichen 350 kW Dauerbremsleistung im Gefälle. Möglich macht es eine elektronisch geregelte und pneumatisch gestellte Klappe. Vor dem Turbolader platziert, kann sie im Bremsbetrieb erhöhten Gegendruck aufbauen. Nur der Tipphebel für die Dauerbremse rechts am Lenkrad nervt, intuitive Bedienung geht anders. Im Gelände mangelt es an Hubraum Wofür eigentlich mehr Leistung? Bis zu diesem Moment haben uns die MAN-Strategen überzeugt. Jetzt noch eine steile Rampe bergauf, an der der Neunliter-Diesel aber patzt, weil er zu wenig Leistung ans Rad schickt. Zugegeben, eine Masteraufgabe mit weichem Untergrund, aber hier kommen wir nicht weiter. Und rückwärts reicht die Motorbremse nicht, mit Radbremseinsatz und rutschenden Reifen hangeln wir uns runter. Mit einem hubraumstärkeren Motor fährt man in selektivem Gelände doch besser - mit dieser Überzeugung verlassen wir die Grube. Der neue TGS-Vierachser macht dennoch eine gute Figur. Mit hochwertigem Fahrerhaus, mit noch besserer Bedienung und vielen kompetenten Zutaten - die Baustärke der Münchner ist in der Branche bekannt. Die übrigens mit SCR-only arbeitenden D15-Motoren sind allerdings keine Alleskönner, sondern talentiert für eher leichtere Aufgaben. Für den Solobetrieb, im Transportmischer und bei hohem Nutzlastbedarf, dann aber auf der Straße. In Kürze Der leichte D15-Sechszylinder ist in Sachen Nutzlast sicher erste Wahl. Für Einsätze, bei denen mehr Leistung und Hubraum vonnöten sind, hält MAN aber auch den 12,4 Liter großen D26-Motor mit bis zu 510 PS vor. Den 15,2-Liter- Topmotor D38 gibt es für den TGS dagegen nicht. 14,5 Tonnen bringt das Testfahrzeug unbeladen und mit vollen Tanks auf die Waage. Technische Daten Motor Sechszylinder-Reihenmotor (MAN D1556LF09), oben liegende Nockenwelle, vier Ventile pro Zylinder, Common-Rail, Turbolader, hochgez. Abgasanlage, Euro 6d mit SCR-only und DPF; Hubraum: 9037 cm³Leistung: 400 PS (294 kW) bei 1800/min; maximales Drehmoment: 1800 Nm bei 1000–1500/min; „Turbo-EVBec“-Motorbremse: 350 kW bei 2200/min Getriebe Automatisiertes 12-Gang-Schaltgetriebe MAN TipMatic Offroad 1226 OD mit Offroad-Software Efficient-Cruise und Efficient-Roll; Außenplaneten-Hinterachsen (AP) mit Differenzialsperre, Übersetzung i = 4,00 Fahrwerk & Bremsen Vorn: Faustachsen mit 3-Blatt-Parabelfedern, Stoßdämpfer, zul. Achslast: 2 x 8 t, Scheibenbremsen; Bereifung: 385/65 R 22,5Hinten: AP-Hinterachsen an 4-Blatt-Parabelfedern, Stoßdämpfer, technisch zul. Achslast 2 x 13 t; Trommelbremsen; Bereifung: 315/80 R 22,5; ESP mit ABS, ASR, EBA-Notbremsassistent, Abstandstempomat Maße & Gewichte Radstand: 1795 + 2505 + 1400 mm; zul. Gesamtgewicht: 32.000 kg, Testgewicht: 31.040 kg; Leergewicht (Testfahrzeug, inkl. 390 l Diesel + 35 l AdBlue): 14.480 kg; Nutzlast (Testfahrzeug): 17.520 kg

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