Interview mit Ron Borsboom, Leiter LKW-Entwicklung bei DAF Trucks, zu den Details der neuen XF-Baureihe des holländischen Nutzfahrzeugherstellers.
VerkehrsRundschau: Was empfinden Sie angesichts der neuen Fahrzeugbaureihe und wie kommt das Fahrzeug bei den Kunden an?
Ron Borsboom: Ich bin stolz und finde, dass unser neuer XF ein gut aussehendes Produkt ist. Für die Kunden ist wichtig, dass wir die Wettbewerbsfähigkeit erhalten haben – und sogar besser geworden sind. 80 Prozent Emissionen einzusparen und trotzdem das Verbrauchsniveau zu halten, erschien anfangs als unmögliche Kombination. Durch eine riesige Technologieanstrengung ist es uns am Ende dennoch gelungen. Und wir haben zusätzlich Verbesserungen in den Bereichen Komfort, Lenkung und Geräusche realisiert.
Der neue XF liegt also mit Euro 6 niedriger im Verbrauch als der XF 105 in Euro 5?
Ja! Und das, obwohl wir vor zwei Jahren mit Einführung der ATe-Fahrzeuge den Kraftstoffverbrauch beim XF105 um rund sechs bis acht Prozent reduziert haben. Dazu haben wir aber an allen Knöpfen gedreht – ohne dass man es vielleicht erkennt. Auch wenn die Kabine in ihren Grundabmessungen der des Vorgänger entspricht, sind über 80 Prozent der Teile an der kommenden Fahrzeuggeneration neu: Motor, Achsen, Rahmen, Getriebeabstimmung, Interieur …
Was sind denn Ihre persönlichen drei Highlights am neuen XF?
Das ist eine schwierige Frage und hängt von der Betrachtungsweise ab. Auf jeden Fall der neue Euro-6-Motor. Außerdem bin ich sehr stolz auf die neue Beleuchtungsanlage. Speziell die neue LED-Beleuchtung bringt mehr Sicherheit. Auch das neue Back-End war eine gute Idee von uns. Das spart enorm Gewicht. Eigentlich habe ich jetzt schon drei. Aber die neue, leichte und reibungsoptimierte Hinterachse, bis wir bis zum 460er verbauen, reduziert den Kraftstoffverbrauch. Zudem haben wir das Innengeräusch um 2 dB(A) reduziert. Ich war bei den letzten Abstimmungsfahrten in Spanien dabei und bin tatsächlich ins Schwärmen geraten. Der neue XF gleitet fast über die Straße. Es war einfach ein Genuss.
Wäre ja schlimm, wenn Sie als Entwicklungschef von ihrem neuen Baby nicht begeistert wären. Sie haben aber auch eine Menge alter Zöpfe abgeschnitten.
Haben wir. Wir haben aber auch die Perlen übernommen. So hat – finde ich zumindest – die Kabine viele starke Eigenschaften, die es zu konservieren galt. Mit zwei Ikonen, wenn ich es mal so nennen darf, haben wir aber aufgeräumt: Das neue hängende Bremspedal bringt mehr Bewegungsfreiheit und eine bessere Dosierbarkeit der Bremsanlage. Und das zweigeteilte Seitenfenster haben wir zu Gunsten besserer Sicht ad acta gelegt. In Kombination damit konnten wir die Spiegelanbringung, wie auch die Spiegel selbst verbessern.
Sie haben auch das Bett vergrößert. Warum war das denn nötig?
Stimmt, das Bett in XF105 ist schon riesig. Aber die Leute werden immer größer. Da erschien uns eine Verlängerung ratsam. Wir haben aber auch eine 12-Volt-Steckdose angebracht. Das war ein Wunsch der Fahrer. Wie auch die Matratze fürs obere Bett. Die hat jetzt eine zweite, harte Seite, wenn die obere Schlafstatt als Gepäckablage benutzt wird.
Wie sieht es denn mit dem Gewicht des neuen XF aus?
Unterm Strich wird Euro 6 etwa 90 Kilo schwerer. Von Anfang an haben wir mit größerem Kühler kalkuliert aber auch auf die kommende CO2-Optimierung fokussiert. Also haben wir, ein intelligenteres Kühlsystem mit einem effizienteren Lüfter entwickelt, das Temperaturspitzen besser ausregelt und damit Kraftstoff spart. Maximale passive Kühlung war das Motto. Der Einsatz des Lüfters ist auf 50 Prozent reduziert. Längere Achsübersetzungen standen nicht im Fokus. Nicht zu vergessen integrieren wir beim neuen XF EcoRoll und FastShift – also Rollen in Neutral und schalten ohne Kuppeln zwischen dem 11. Und 12. Gang. Auch das reduziert den Kraftstoffverbrauch.
Wie beurteilen Sie die Potenziale im Hinblick auf eine Optimierung des cW-Wertes?
Die Freiheitsgrade im Hinblick auf die Aerodynamik sind beim LKW lange nicht so groß, wie beim PKW. Theoretisch wären 22 Prozent Verbesserung möglich gewesen – aber das wäre ein Fahrzeug, das man aus praktischen und Gründen der erlaubten Längen nicht mehr fahren könnte. Geht man von diesem Stand aus, ist nicht mehr viel möglich. Aber da jedes Zehntel zählt, haben wir beim neuen XF alles gemacht, was möglich war.
Wie viel ist denn neu am neuen XF?
Unterhalb des Fahrerhauses ist alles neu, am Fahrerhaus der Boden und 80 Prozent der Türen. Im Interieur ist ebenfalls fast alles neu: Elektronik, Schalter, Becherhalter, das Styling, die Sitze- selbst das Gaspedal haben wir geändert und natürlich ganz wichtig, die Klimatisierung mit einer neuen Luftverteilung. Eine echte Novität ist das DPA, die Driver Performance Assistance. Weil bekanntermaßen nach drei Monaten 70 Prozent der Erkenntnisse aus einem Fahrertraining weg sind, bekommt der Fahrer über DPA freundliche Hinweise, wo es Verbesserungspotenziale gibt. Zudem kann der Chauffeur eine eigene Zielsetzung programmieren oder ein Benchmark der Firma ist die Vorgabe und er kann sich anhand eines umfangreichen Kraftstoffanalysesystems an die Vorgabe herantasten. Wir wissen, dass die Fahrer in der Praxis auf Wettbewerb programmiert sind. Deshalb sind wir überzeugt, dass DPA zu einer entsprechenden Verbesserung im Unternehmen führt.
Und was können wir vom neuen XF künftig noch erwarten?
Wir arbeiten an einem GPS-gesteuerten Getriebe, ebenso wie wir über ein Doppelkupplungsgetriebe nachdenken. Aktuell sind wir aber mit der Kosten- und Gewichtsbilanz noch nicht zufrieden.
Interview: Gerhard Grünig, Ressort Test+Technik