Ein Duell unter Brüdern

Von wegen Abgesang für den Verbrenner! Nach dem Motto "Das eine tun und das andere nicht lassen" investiert der Hamburger Intralogistiker Jungheinrich sowohl in den Elektroantrieb als auch in die Modellpflege seiner bewährten Verbrenner. Die neue VFG-Baureihe 3s - "s" steht dabei für den Hydrostatik Antrieb - gibt es in drei unterschiedlichen Modellen mit 1,6, 1,8 und zwei Tonnen Tragfähigkeit. Sie sind sowohl mit Diesel- als auch mit Treibgasantrieb erhältlich. Für die Leistungsmessung lassen wir beide Fahrzeuge in der High-Performance-Einstellung nacheinander unseren Testzyklus absolvieren. Die Antriebspower der neuen Generation liefern emissionsarme Industriemotoren von Kubota. Die japanischen "Triebwerke" kommen anstelle der bisherigen VW-Aggregate zum Einsatz und erfüllen mit geregeltem Drei-Wege-Katalysator und Dieselpartikelfilter alle Kriterien der EU-Abgasstufe V. Der Dreizylinder-Motor punktet auch durch seinen wartungsfreien Ventilantrieb über innen liegende Stirnräder, die einen aufwendigen Zahnriemenwechsel künftig überflüssig machen. Leistungscheck unter Realbedingungen Bei Temperaturen im einstelligen Bereich und bei Dauerregen hatten wir unseren Testparcours auf dem Jungheinrich-Werksgelände im oberbayerischen Moosburg installiert. Auf Wetterkapriolen sind die Frontstapler bestens vorbereitet, denn die kleinen Hydrostaten wurden für härteste, ganzjährige Außen- und Inneneinsätze konzipiert. Die beiden Testfahrzeuge bringen etwas Farbe in das düstere Regengrau auf dem Testgelände. Optisch passen sich die neuen Hanseaten mit bayerischer DNA dem bekannten Jungheinrich-Markendesign an, kompakt und schnörkellos. Traditionell hat man auf das Chassis ein dezentes Gelb gepulvert, im Kontrast zum hellen Grau an Fahrerschutzdach und Hubgerüst. Motivation für unsere Testpiloten war die klimatisierte Kabine mit Komfort-Fahrersitz. Der Zugang zum Fahrerarbeitsplatz erfolgt über eine trittsichere und mit 46 Zentimetern niedrige Trittstufe. Ein großzügiger Stahl-Haltebügel an der linken A-Säule erleichtert das Ein- und Aussteigen. Als unangenehm laut nehmen unsere Tester den Schließmechanismus der Fahrertür wahr. Lob erntet die mitschwingende Armlehne mit integrierter Bedieneinheit für die Hubmastfunktionen. Die optionalen Bedienelemente Duo-, Solo- oder Multi-Pilot sind frei konfigurierbar und damit exakt an Fahrer und Fahrzeuganwendung anpassbar. Fahrtrichtungsschalter und andere entscheidende Bedienelemente sind ebenfalls dort platziert. Die Armlehne lässt sich durch Einpunktverstellung über zwei Achsen stufenlos einstellen. Als gelungen empfinden unsere Profis die elektrohydraulische Lenkung. Die in Höhe und Neigung verstellbare Lenksäule hat eine Memory-Funktion und lässt im Kniebereich großzügige Beinfreiheit. Zwei Umdrehungen am Lenkrad reichen für den Richtungswechsel um 180 Grad. Dabei ist der Kraftaufwand äußerst gering und Lenkgeräusche sind kaum wahrnehmbar. Die Sicht nach vorne durch den Kompaktmast ist aufgrund der Schachtelung der Profile und einer optimierten Schlauch- und Kettenführung sowie zweier Öffnungen in der Quertraverse deutlich verbessert. Über das Cockpit hinaus hat der Fahrer Last und Gabelspitzen im Blick. Ein strebenfreies Sichtfenster mit Sicherheitsglasabdeckung im Fahrerschutzdach gewährt gute Sicht nach oben. Nach hinten begrenzen B-Säulen sowie Abgasrohr und Zyklon-Abscheider (beim Diesel) das Sichtfeld. Im Cockpit befindet sich ein Vier-Zoll-Display mit fünf wählbaren Fahrprogrammen. Angezeigt werden unter anderem Batterieladezustand, Radstellung und Fahrgeschwindigkeit - alles mit selbsterklärender Symbolik. Viel Entwicklungsarbeit hat man in ein neues hydrostatisches Antriebskonzept gesteckt. Effizienzsteigerung bei Hub- und Hydraulikfunktionen soll eine neue Verstellpumpe bringen, die nur so viel Öl für die Arbeitshydraulik fördert wie benötigt wird. Während des Hubvorgangs wird die Drehzahl automatisch angehoben. Die Kombination aus verstellbarer Axialkolbenpumpe und verstellbarem Axialkolbenmotor in Verbindung mit einer Antriebsachse macht sich positiv bei Steigfähigkeit und Zugkraft der Fahrzeuge bemerkbar. Sowohl die Verstellpumpe als auch die Radmotoren stammen von Bosch Rexroth. Ausrufezeichen bei der Zeitmessung Die Teststapler waren sehr flott unterwegs und setzten Ausrufezeichen bei der Zeitmessung. Dabei vermittelten sie ein hohes Maß an Sicherheit auf dem Parcours. Positiv auf die Stabilität wirkt sich ihr sehr niedriger Schwerpunkt aus. Der ist im Wesentlichen einer oberhalb der Radaufhängung pendelnd gelagerten Hinterachse geschuldet. Ergänzend zur konstruktiven Sicherheit verspricht eine Reihe von einfach anzubindenden Fahrerassistenzsystemen noch mehr Sicherheit für Fahrer, Stapler und Ladegut. So zum Beispiel Sicherheitspakete wie Access-Control, eine Zugangskontrolle, die den Stapler erst dann freigibt, wenn bestimmte Voraussetzungen wie geschlossener Sitzschalter oder Gurt erfüllt sind. Ein weiteres Feature ist die Drive-Control. Sie basiert auf dem aktiven Sicherheitssystem Curve-Control, das die Fahrgeschwindigkeit des Staplers analog zum jeweiligen Lenkwinkel des Fahrzeugs reduziert. Beim Sicherheitspaket Lift-Control wird ab einer bestimmten Hubhöhe zusätzlich die Neigegeschwindigkeit reduziert, der Neigungswinkel angezeigt und der integrierte Seitenschieber bei Bedarf auf eine vorprogrammierte Mittelstellung gebracht. Zu den Safety-Features zählt unter anderem die selbsteinfallende Parkbremse (Lamellenbremse), die das Wegrollen des Staplers auf Rampen oder Schrägen verhindert. Die doppelte Entkopplung der Antriebseinheit und des Fahrerplatzmoduls vom Rahmen sowie die Mastdämpfung reduzieren die Humanschwingungen auf ein erträgliches Minimum. Eine Starttaste wie bei neueren Pkw rundet den positiven Gesamteindruck der neuen Generation ab. Besonderes Augenmerk haben die Ingenieure auf Wartungs- und Servicefreundlichkeit gelegt. Messwerte wie der Motorölstand, der Kühlmittelstand, die Kühlmitteltemperatur sowie die Dieselpartikelfilter und die Luftfilter-Beladung im Motor werden kontinuierlich überprüft. Die Balance zwischen hoher Umschlagleistung und niedrigem Kraftstoffverbrauch liegt in der von Jungheinrich entwickelten neuen Systemsteuerung. Im Servicefall sind alle Elektronikbauteile schnell und unkompliziert über eine Serviceklappe an der rechten Fahrzeugseite erreichbar. Über eine Telematik-Box sind die Hydrostaten voll vernetzt. Der Betreiber bekommt darüber einen umfassenden Überblick über seine Fahrzeuge und deren Nutzung. Im Detail: Jungheinrich 3s Das Testfahrzeug Der Diesel-Vierrad-Frontstapler Jungheinrich DFG 316s hat eine Tragfähigkeit von 1,6 t bei einem Lastschwerpunkt von 500 mm. Eingebaut ist ein Drei-Zylinder-Kubota-D1803-CR-T-Dieselmotor mit 32,8 kW Leistung und Partikelfilter. Der Treibgas-Stapler TFG 320s hat eine Tragfähigkeit von 2,0 t bei einem Lastschwerpunkt von 500 mm. Eingebaut ist ein Drei-Zylinder-Kubota-WG1903-L-Motor mit 32,9 kW Leistung und Drei-Wege-Katalysator. Ausgestattet sind die Fahrzeuge mit Vollkabine, einem Standard- Hubgerüst mit integriertem Seitenschieber und Zinkenverstellung und SE-Bereifung. Der Leistungscheck Be- und Entladung eines Sattelaufliegers mit 32 Europaletten* DFG 316s TFG 320s Benötigte Zeit:Verbrauch:Verbrauchskosten:** 29:37 Min.1,3 l1,11 € 26:16 Min.2,41 l0,82 € in einer Stunde Umschlagleistung:Verbrauch:Verbrauchskosten: 1392,82 l2,40 € 1465,51 l1,87 € in einer Acht-Stunden-Schicht Umschlagleistung:Verbrauch:Energiekosten: 111222,56 l19,20 € 117044,08 l14,96 € So funktioniert der Test Der Staplertest besteht aus zwei Teilen. Drei Testfahrer bewerten die Benutzerfreundlichkeit nach einem Notensystem. Untersucht werden 17 Kriterien, die Auswirkungen auf die Umschlagleistung haben. Der dynamische Test auf dem VerkehrsRundschau-Parcours gibt Auskunft über Energieverbrauch und Leistungsvermögen des Staplers. Dazu simulieren wir die Be- und Entladung eines Sattelaufliegers mit 32 Europaletten. Zum Einsatz kommt ein Prüfgewicht von 800 Kilogramm. Messgeräte am Stapler erfassen den Zeit- und Energieverbrauch. * Umschlag = 64 Paletten** Dieselpreis für Industriekunden August 2020: 0,85 Euro pro Liter (Quelle: Statistisches Bundesamt)Gaspreis München am Testtag: 0,34 Euro pro Liter (Quelle: brennstoffboerse.de) Fazit: Wie eineiige Zwillinge Im Handling gleichen sich Diesel- und Treibgas-Stapler wie eineiige Zwillinge. Die Umsetzung der Fahr- und Hydraulikbefehle geschieht exakt und präzise. Das ermöglicht schnelles und zuverlässiges Reversieren auch unter extremen Wetterbedingungen. Die Hydrostatik hält den Stapler auch an Rampen und Steigungen in der Balance. Beim Anfahren macht sich jedoch ein geringer Schlupf in der Hydrostatik bemerkbar, der sich aber mit etwas mehr "Gas" vermeiden lässt. Wer sich für Fahrzeuge der neuen Generation entscheidet, bekommt hohe Verfügbarkeit und Verbrenner-Power für anspruchsvolle Außeneinsätze. Die beiden kleinen Hydrostaten sind perfekte Hilfen beim Be- und Entladen von Lkw. Der TFG 320 war beim Palettenumschlag im Test eine Nasenlänge voraus. Alle Tests und Fahrberichte für Abonnenten www.verkehrsrundschau-plus.de In Kürze Mehr "unter Realbedingungen" geht nicht: Im Dauerregen und bei einstelligen Temperaturen installierte das VerkehrsRundschau-Testteam auf dem Jungheinrich-Werksgelände in Moosburg seinen Testparcours und bat zwei Geräte aus der neuen Hydrostatik-Stapler-Generation zum Bruderduell. Testergebnisse im Überblick So wertet die Verkehrsrundschau Auf-/Abstieg 1,8 (gut) Armauflage 1,6 (gut) Fahrtrichtungswechsel 1,7 (gut) + Profil Trittstufe+ Höhe Trittstufe- Haltebügel (Haptik) + stufenlos+ Polsterung + Daumenschalter Solo-Pilot+ Doppelpedal Arbeitsplatz 1,7 (gut) Anzeige/Display 1,9 (gut) Arbeitsverhalten 2,0 (gut) + Kabine klimatisiert+ Beinfreiheit + Start-Button+ Fahrprogramme wählbar + Hydrostatik+ stufenlose Kraftübertragung- Balance an der Rampe Sichtverhältnisse 1,9 (gut) Sekundäre Schalter 1,8 (gut) Qualität/Verarbeitung 2,0 (gut) + Kompakthubgerüst+ strebenfreies Glasdach- Höhe Cockpit + alle in der Armlehne integriert + Pulverlack+ Spaltmaße- Kabinentürschloss sehr laut Gabelbedienung 1,8 (gut) Ablagen 2,1 (gut) Energiemanagement 2,0 (gut) + verschiedene Systeme+ Belegung nach Fahrerwunsch + diverse Gefache+ Cupholder- Klemmfunktion für Papiere + schneller Flaschenwechsel+ Dieseltank Lenkung/Lenkrad 1,9 (gut) Sicherheitsfeatures 1,6 (gut) Wartung 1,9 (gut) + stufenlos verstellbar+ Memory-Funktion- Höhenverstellung + Fahrerassistenzsysteme+ automatische Parkbremse+ Flur-Spot vorne und hinten + Serviceklappe rechts+ Zugang zum Motor+ Zugang zur Batterie Fahrersitz 1,7 (gut) Serienausstattung 2,0 (gut) Gesamtnote: 1,8 (gut) + Komfortsitz + Sitzheizung + Dieselpartikelfilter+ Drei-Wege-Katalysator Das Urteil der Testfahrer Dieter (61), 38 Jahre Staplererfahrung, derzeit im Bereich Lebensmittel-Logistik": Das Antriebskonzept in Verbindung mit dem Doppelpedal ist für mich der Garant für schnelles Reversieren. Die Bedienung der Hubhydraulik lässt sich flexibel anpassen. Ich vermisse eine Fixierung für Ladepapiere." Carina (28), neun Jahre Staplererfahrung, im Team verantwortlich für Messtechnik und Datenverarbeitung:„Der klimatisierte Arbeitsplatz mit Komfortsitz und mitschwingender Armlehne ermöglicht entspanntes arbeiten. Die Haptik der eisernen Einstiegshilfe ist kalt und wenig griffsicher.“ Heinz (54), 26 Jahre Staplererfahrung, derzeit in der Baustoffindustrie"Fünf Fahrprogramme decken viele Fahrsituationen ab und lassen sich - ohne Servicetechniker - einfach am Display einstellen. Gewöhnungsbedürftig ist der Rampenhalt. Zum Anfahren am Berg braucht es 'Gas''"

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