Berlin/Regensburg. Die deutsche Wirtschaft befürchtet den Verlust von Praktikumsplätzen, falls das Gesetz zum gesetzlichen Mindestlohn ohne Änderungen beschlossen wird. Nach den Plänen der großen Koalition soll künftig auch für freiwillige Praktika von mehr als sechs Wochen der Mindestlohn von 8,50 Euro gezahlt werden.
„Die Pläne werden nach jetzigem Stand dazu führen, dass freiwillige Orientierungspraktika von Unternehmen so gut wie nicht mehr angeboten werden, weil sie zu teuer sind”, warnte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer in der „Wirtschaftswoche”. „Hier muss der Bundestag dringend nachbessern.” Laut Gesetzentwurf sollen nur Pflichtpraktika und solche von maximal sechswöchiger Dauer ausgenommen werden.
Auch Vertreter der Wirtschaftsflügels der Union dringen auf eine Reihe von Nachbesserungen am Gesetzentwurf. „Die Einbeziehung solcher Praktika könnte sich als Boomerang erweisen”, sagte der Chef der Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann (CDU), dem „Focus”. „Viele Firmen werden ihr Angebot eindampfen müssen.” Leidtragende wären Nachwuchskräfte, die parallel zum Studium Praxiserfahrung suchten.
Linnemann kritisiert zudem, dass Arbeitszeitkonten, auf denen Überstunden gesammelt werden, nach den Gesetzesplänen binnen zwölf Monaten ausgeglichen sein müssen. Das soll verhindern, dass der Mindestlohn durch lange Arbeitszeiten unterlaufen wird. Allerdings sehen geltende Tarifverträge zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften oft viel längere Zeiten vor.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Max Straubinger, meldete noch „reichlich Diskussionsbedarf” an. Er wolle mit der SPD unter anderem darüber reden, ob Saisonarbeiter in der Landwirtschaft nicht doch vom Mindestlohn ausgenommen werden sollten, sagte er dem „Focus”.
Der Chef des CDU-Arbeitnehmerflügels, Karl-Josef Laumann, verlangte dagegen ein Ende der Debatte. „Das Buch Mindestlohn ist zu”, sagte er dem Nachrichtenmagazin. „Ich rate der Union, die Einigung zum Mindestlohn zu beherzigen und jetzt keine neue Diskussion wie bei der Rente vom Zaun zu brechen.” Man könne nicht Opposition und Regierung zugleich sein.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, begrüßte die Einführung eines Mindestlohnes, mahnte aber, die Neuregelung dürfe keine Arbeitsplätze kosten. „Lieber wäre mir, die Tarifparteien wären einbezogen und es wäre branchenspezifischer”, sagte der Münchner Kardinal am Samstag bei einem Gespräch mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) auf dem Katholikentag in Regensburg. Zudem sei darauf zu achten, welche Folgen der Mindestlohn habe, um eventuell nachzusteuern. (dpa)
Marcus Dannehl