TÜV SÜD ivee: Real profitieren

Mann mit VR Brille
Mit VR-Brille kann man gefährliche Handgriffe gefahrlos erproben
© Foto: Motion & Strategy

Die „TÜV SÜD XR Academy“ heißt seit Kurzem „TÜV SÜD ivee“. Auf dieser Online-Plattform gibt es ein breites Angebot an digitalen Lernformaten, mit denen man auch gefährliche Szenarien ohne Risiko simulieren kann. Besteht die virtuell gesicherte Ladung zum Beispiel den Elchtest?

Nein, keine Chance: In diese Kammer wollte der Elektromeister Ende 50 partout nicht gehen. Immerhin hat er vorhin genau dort Komponenten unter Starkstrom gesetzt, die ihn das Leben kosten würden. Dass der erfahrene Handwerker all das aber nur in einer simulierten Realität mit Virtual-Reality(VR)-Brille erlebte, hat ihm die Angst nicht genommen. "Dieser Teilnehmer ist damals so sehr in die virtuelle Welt eingetaucht, dass sie für ihn tatsächlich Realität wurde", erinnert sich Oswin Breidenbach, verantwortlich für TÜV SÜD ivee bei der TÜV SÜD Akademie, schmunzelnd an eines der ersten VR-Seminare.

Vor knapp zehn Jahren stieg der studierte Druck- und Medientechniker mit Bachelor in Technischer Redaktion und Kommunikation sowie Master in Multimedia-Didaktik als Systemadministrator bei der TÜV SÜD Akademie ein. Kurz darauf entwickelte er dort die Idee, digitale Abbilder und Zwillinge der realen Welt zu erstellen - also immer wieder abrufbare Lerninhalte für praktische Schulungsszenarien, die in der Realität mit einem Risiko verbunden sind oder die sich virtuell einfach besser darstellen lassen.

"Mit einer 360-Grad-Begehung eines Aufzugswartungsraums fing alles an", erinnert sich Breidenbach an die Anfänge im Jahr 2016. Nach weiteren 360-Grad- kamen rund ein Jahr später VR-Schulungen zu den Extended-Reality (XR)-Trainings, in denen man nicht nur Dinge sehen, sondern auch anfassen und manipulieren kann. Beispielsweise im Bereich der Elektromobilität, wenn es um die gefahrenfreie Übung der "Freischaltung" geht, also Trennung der Hochvoltbatterie vom spannungsführenden System bei Hochvolt- und Wasserstoff-Fahrzeugen.

Eintauchen ohne Gefahr

All das lief so gut und stieß auf derart positive Resonanz, dass die TÜV SÜD Akademie im Jahr 2019 mit der "TÜV SÜD XR Academy" ein Abomodell eingeführt hat, mit dem Kunden jährliche Lizenzen inklusive automatischer Updates erwerben können, um die virtuellen Schulungen bei sich inhouse durchzuführen. Parallel kamen mittlerweile bereits über 4000 Teilnehmer an die 16 Standorte der TÜV SÜD Akademie in Deutschland, um sich mit VR-Technologie fortzubilden. Möglich macht das ein Team rund um Breidenbach mit technischem Support, Vertrieb, Assistenz und Marketing. Die Trainer - bei der TÜV SÜD Akademie stets externe Experten aus der Wirtschaft - werden in Train-the-trainier-Formaten in der jeweiligen VR-Lösung geschult. Anfang März bekam die Plattform, über die diese Trainings laufen, einen neuen Namen: "TÜV SÜD ivee" (Immersive Virtual Expert Experience). "Egal ob Virtual Reality, 360°-Touren oder Serious Games - die Bandbreite von immersiven Lernmethoden ist enorm. Dieser Vielfalt wollten wir mit unserem neuen Namen gerecht werden," erklärt Breidenbach.

Gleichzeitig wurde der Online-Shop im Zuge des neuen Namens überarbeitet. In der Bibliothek stehen die verschiedenen VR-Produkte nun prominent im Fokus, mit denen man immersiv lernen kann. "Immersives Lernen bedeutet in diesem Zusammenhang Eintauchen und das Erleben von simulierten Situationen aus dem Berufsleben", konkretisiert Breidenbach. "Es eignet sich für alle Situationen, die selbst in Übungsszenarien mit Gefahren verbunden sind, denn gefährliche Situationen werden virtuell simuliert. Objekte können im Rahmen dieser Schulungen begangen, gegriffen, bedient, gesteuert oder inspiziert werden - auch gleichzeitig mit anderen Nutzern. So lernt man gegenüber herkömmlichen Trainings mehr."

Virtuelles Beladen
Virtuell beladen, bitte! Danach erfolgt der Test: Reicht die Sicherung?
© Foto: Motion & Strategy

LaSi und Elchtest

Meist bedarf es dafür lediglich einer VR-Brille. Damit ist es beispielsweise möglich, die wiederkehrenden Unterweisungen in Ladungssicherung in einer Spedition komplett digital abzubilden. "Neben einem E-Learning mit theoretischen Inhalten kann man dafür via VR-Brille einen Auflieger beladen und die Ladung mit Zurrgurten sichern", so Breidenbach. "Dann erfolgt ein Elchtest, was in der Wirklichkeit nicht möglich ist, um zu überprüfen: Hält die Ladung die Fliehkräfte aus, reichen Anzahl und Festigkeit der Zurrgurte?" Die Teilnehmenden brauchen dafür nur 1,5 mal 1,5 Meter Platz; die anderen immersiven Lösungen der TÜV SÜD Akademie sind so aufgebaut, dass maximal 10 auf 10 Meter Platz ausreichen.

Die Zielgruppe von TÜV SÜD ivee reicht über die verschiedenen Branchen vom handwerklichen Blue-Collar-Sektor bis hin zu Führungskräften, die etwa in einem Planspiel die Unternehmensführung über alle Abteilungen hinweg üben ("Serious Games"). "Von der kleinen Fahrschule, die eine Begehung von Gefahrgutfahrzeugen anbietet, bis hin zu Großkonzernen - das Spektrum der Nutzer ist breit", so Breidenbach. Und ob VR-Training bei der Akademie oder Abo-Modell - laut dem Experten spart man zudem mit virtuellen Seminaren gegenüber herkömmlichen.

Offener Marktplatz

Die TÜV SÜD Akademie betreibt bewusst einen hohen Aufwand, sieht sich im Bereich des immersiven Lehrens und Lernens daher aktuell führend: "Nach der Programmierung einer Schulung identifizieren wir die zuständige Behörde oder den entsprechenden Regulator, gehen in Gespräche und passen sie gegebenenfalls an, damit sie freigegeben wird - so befinden sich auch anerkannte Lösungen in unserem Portfolio, die die praktische Schulung teilweise oder komplett ersetzen dürfen", sagt Breidenbach. Corona habe dazu geführt, dass die Regulatoren offener wurden für digitale Lösungen, der aufwendige Weg bis zur Anerkennung bleibe trotzdem.

ivee ist aber nicht nur eine Plattform für die von TÜV SÜD selbst entwickelten Lösungen, sondern dient auch als offener Marktplatz für immersive Lern-Apps anderer Anbieter. Aber auch solche Lern-Apps, die aus geförderten Projekten entstanden sind - etwa an Hoch-, Berufsschulen oder in anderen Unternehmen - werden gerne mit in das Portfolio mit aufgenommen. Denn in Deutschland dürfe mit geförderten Projekten kein Geld verdient werden. "Ohne die Veröffentlichung auf ivee würden gute Lösungen in der Schublade verstauben," so Breidenbach. "Wir kuratieren diese daher, prüfen die Applikation mit unserem Fachwissen auf Funktionalität und Benutzerfreundlichkeit und kümmern uns dann um den Anerkennungsprozess durch die Behörden, wenn sinnvoll und möglich." Diese Lösungen stehen im Anschluss kostenlos zur Verfügung. "Für unsere Kunden zählt dabei vor allem, dass jede Anwendung in unserer Bibliothek TÜV SÜD-geprüft ist", resümiert Breidenbach.

Cloudstreaming und Eyetracking

Verlassen können sich auch alle, die immersive Lernangebote von TÜV SÜD nutzen, darauf, dass die Akademie auf neueste Technologien setzt: Dank Cloudstreaming puffert ein virtueller Computer die rechenaufwendigen Simulationen auf einem Server, sodass man die Inhalte nur noch streamen und nicht mehr herunterladen muss. Und dank der Technologie des Eyetrackings lässt sich von außen kontrollieren, ob die Ausbildung als Kranführer Früchte trägt. „Dritte Personen können so das Sichtfeld und die Augenbewegungen des Anwenders unter der VR-Brille nachvollziehen“, führt Breidenbach aus. Was kommt als Nächstes? „Wir bauen unser Angebot inhaltlich weiter aus – etwa in Richtung von Zukunftsthemen wie chemische Sicherheit, E-Mobilität und Wasserstoff. Parallel warten wir die weiteren technischen Entwicklungen ab, wobei ich stark davon ausgehe, dass mit dem Metaverse Kollaborationsthemen zunehmen werden – sodass man sich etwa virtuell trifft, um gemeinsam zu üben“, so Breidenbach.

Weitere Informationen unter: www.ivee.me


TÜV SÜD Ansprechpartner

TÜV SÜD Akademie
Oswin Breidenbach
Lead TÜV SÜD ivee / Product Owner
XR Business Development Online / Business Assurance
Tel.: +49 89 5791-1152
E-Mail: oswin.breidenbach@tuvsud.com



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