Cannabis am Steuer: Was nun im Straßenverkehr gilt

Cannabis-Ampel
Stehen mit dem Cannabisgesetz alle Ampeln auf Grün? Klares Nein!
© Foto: Bijac/Adobe Stock

Der Gesetzgeber hat den Cannabiskonsum in Deutschland aus der Illegalität geholt. Aber was gilt nun, wenn man nach dem Konsum ein Fahrzeug im Straßenverkehr steuert? Verkehrspsychologe Thomas Wicke von TÜV SÜD Pluspunkt klärt auf.

Dank des im Frühjahr verabschiedeten Cannabisgesetzes dürfen Erwachsene in Deutschland nun beispielsweise bis zu drei Cannabispflanzen privat anbauen. Bis zu 25 Gramm Cannabis im öffentlichen Raum zu besitzen, bleibt seither ebenfalls straffrei. Aber was hat sich bei den Regelungen von Cannabiskonsum im Straßenverkehr geändert? Darf man sich nun etwa sorgenfrei nach dem Rauchen eines Joints ans Steuer eines Fahrzeugs setzen? Die kurze Antwort lautet: nein.

"Bisher stellte eine Fahrt ab 1,0 ng/ml THC im Blut eine Ordnungswidrigkeit dar, mit dem neuen Cannabisgesetz wurde dieser Grenzwert auf 3,5 ng/ml heraufgesetzt", erklärt Diplom-Psychologe Thomas Wicke, fachlicher Leiter vonTÜV SÜD Pluspunkt. "Damit droht der Verlust des Führerscheins für mindestens einen Monat nun erst ab einer höheren Schwelle." Bei Fahrer:innen in der Probezeit besteht dagegen eine Nulltoleranz, der Grenzwert von 3,5 ng/ml gilt für diese Verkehrsteilnehmer:innen nicht.

Auch die mögliche Anordnung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) als Folge bei Überschreiten des Grenzwerts kann damit nun erst ab einer THC-Blutkonzentration von 3,5 ng/ml angeordnet werden. Ebenfalls neu: Der oder die Betroffene muss zweimal mit THC über 3,5 ng/ml im Blut auffallen, bis die MPU sicher droht - früher hat es bereits ausgereicht, nur einmal mit über 1,0 ng/ml THC im Blut aufzufallen. Auch hier wurde also die Regelung entschärft. Unterhalb des THC-Grenzwerts von 3,5 ng/ml passiert dem Betroffenen bei einer Fahrt unter Einfluss der Droge genauso wie unterhalb der 0,5-Promille-Grenze beim Alkohol folglich rein rechtlich nichts, es sei denn, er fährt auffällig. "Einen vergleichbaren Grenzwert wie beim Alkohol für eine Straftat (1,1 Promille) gibt es bei Cannabis (noch) nicht", ergänzt Wicke. "Es müssen zusätzliche Ausfallerscheinungen feststellbar sein, damit von einer vollständigen Fahr­untüchtigkeit und damit einer Straftat ausgegangen werden kann."

Höherer THC-Grenzwert

Im Jahr 2023 wurden laut Kraftfahrt-Bundesamt hierzulande insgesamt 44.000 Ordnungswidrigkeiten und 4100 Straftaten im Straßenverkehr begangen, die auf Drogenkonsum zurückzuführen waren. Wicke schätzt, dass rund zwei Drittel davon Fälle ausmachen, die mit Cannabis zu tun hatten. Werden diese Zahlen aufgrund des neuen Gesetzes sinken, da ja der Grenzwert nun höher ist? "Da sind sich die Experten uneins", berichtet Wicke. "Neben der These, dass es weniger Verstöße geben wird, gibt es auch die Meinung, dass die Zahl relativ konstant bleiben wird, da nun - so die Annahme - mehr Menschen Cannabis konsumieren und dann auch am Straßenverkehr teilnehmen."

Die Zeit wird es zeigen. Fest steht laut dem Verkehrspsychologen, dass es aufgrund der Legalisierung mehr unerfahrene Konsumentinnen und Konsumenten geben wird, die ihre THC-Blutkonzentration nicht einschätzen können. Denn zum einen reagiert jeder und jede anders auf den Konsum, zum anderen baut jeder und jede die Konzentration unterschiedlich schnell wieder ab.

"Der Wert von 3,5 ng THC/ml entspricht in etwa einer Alkoholisierung von 0,2 Promille", erläutert Wicke. "Der Wert direkt nach dem Konsum von Cannabis liegt aber höher, folglich muss man sich fragen: Wie lange muss ich nach dem Konsum warten, um nach dem Konsum guten Gewissens mit unter 3,5 ng/ml THC im Blut zu fahren?" Die Antwort hängt zum einen davon ab, ob man nur einen Joint oder stundenlang diverse "Tüten" geraucht hat. Auch die Qualität des gerauchten Stoffs hat dabei einen Einfluss - je nach Höhe des THC-Anteils. "Im Gegensatz zum Alkohol, bei dem es genaue Inhaltsangaben gibt, weiß man das bei Cannabis aktuell noch nicht", gibt Wicke zu bedenken.

MPU-Vorbereitung mit TÜV SÜD Pluspunkt

Es droht eine MPU, beispielsweise aufgrund von Cannabiskonsum? TÜV SÜD Pluspunkt bietet als größter Anbieter Deutschlands eine professionelle und seriöse MPU-Vorbereitung: Betroffene haben die Wahl zwischen Einzel- und Gruppenpaketen, die Teilnahme ist vor Ort, aber auch online möglich. Über 60 Verkehrspsychologinnen und -psychologen schulen, um für die drei Elemente einer MPU (ärztliche Untersuchung, Leistungstest, psychologisches Gespräch) gewappnet zu sein und um so möglichst beim ersten Versuch zu bestehen. Weitere Informationen unter www.tuvsud.com/pluspunkt.   

Fahrtüchtigkeit nach Konsum

Eine Faustregel zur Fahrtüchtigkeit nach vorangegangenem Cannabiskonsum existiert dennoch. Dafür muss man zwischen denjenigen unterscheiden, die gelegentlich, und solchen, die regelmäßig konsumieren, denn die Nachweisbarkeit von THC im Blutserum hängt nicht nur vom letzten Konsum und den dabei konsumierten Mengen ab, sondern entscheidend auch von den Konsumgewohnheiten.

Ein gelegentlicher Konsum liegt vor, wenn im Anschluss eine Pause von mehreren Tagen vor einem erneuten Konsum eingelegt wird. Zudem sollten nur moderate Einzelkonsummengen und nicht mehrere Konsumeinheiten aufgenommen werden. "Gelegentliche Konsumenten erreichen in der Regel nach sechs bis sieben Stunden einen Wert unter 1 ng/ml. Nach drei bis fünf Stunden können bereits Werte unter 3,5 ng/ml erreicht werden", erklärt Wicke. Präzise Angaben seien allerdings bei Cannabiskonsum nicht möglich. Man könne jedoch davon ausgehen, dass ein gelegentlicher Konsument zwölf Stunden nach dem Konsum auf der sicheren Seite ist. "Bei völliger Unkenntnis des Wirkstoffgehalts des konsumierten Cannabis oder bei Konsum einer einmalig größeren Menge Cannabis sollte die Wartezeit 24 Stunden betragen", rät Wicke. "Ebenso nach dem Konsum von Cannabisgebäck, weil hier Wirkungseintritt und Nachweisfenster deutlich länger sein können."

Wird Cannabis dagegen regelmäßig konsumiert, findet eine Depotbildung von THC im Körper statt, die die Nachweiszeit deutlich verlängert. Dies ist der Fall, wenn an mehreren Tagen pro Woche Cannabis konsumiert wird. Im Einzelfall lässt sich hier laut Wicke nicht sagen, ab welcher Konsumfrequenz tatsächlich eine Kumulation stattfindet. Der Übergangsbereich zwischen gelegentlichem und regelmäßigem Konsum könne beim Stand der derzeitigen Forschung nicht exakt bestimmt werden. "Bei täglichem oder gar mehrfach täglichem Konsum ist eine regelgerechte Verkehrsteilnahme ausgeschlossen und sollte erst nach Abstinenz über mehrere Wochen wieder in Erwägung gezogen werden", schlussfolgert Wicke.

In Richtung aller Berufskraftfahrenden gibt er in diesem Zusammenhang eine Warnung ab: "Man sollte nicht leichtsinnig werden, nur weil das Gesetz nun größere Spielräume erlaubt - gerade, weil die Wirkung von Cannabis so schwer einzuschätzen ist. Wer abends einen Joint zum Feierabend raucht, ist nicht zwingend am nächsten Morgen wieder nüchtern!"


TÜV SÜD Ansprechpartner

TÜV SÜD Division Mobility
TÜV SÜD Pluspunkt
Thomas Wicke, Fachlicher Leiter
Tel.: +49 160 96392101
E-Mail: thomas.wicke@tuvsud.com




ARTIKEL TEILEN MIT




NEWSLETTER

Newsletter abonnieren und keine Branchen-News mehr verpassen.


Die VerkehrsRundschau ist eine unabhängige und kompetente Abo-Fachzeitschrift für Spedition, Transport und Logistik und ein tagesaktuelles Online-Portal. VerkehrsRunschau.de bietet aktuelle Nachrichten, Hintergrundberichte, Analysen und informiert unter anderem zu Themen rund um Nutzfahrzeuge, Transport, Lager, Umschlag, Lkw-Maut, Fahrverbote, Fuhrparkmanagement, KEP sowie Ausbildung und Karriere, Recht und Geld, Test und Technik. Informative Dossiers bietet die VerkehrsRundschau auch zu Produkten und Dienstleistungen wie schwere Lkw, Trailer, Gabelstapler, Lagertechnik oder Versicherungen. Die Leser der VerkehrsRundschau sind Inhaber, Geschäftsführer, leitende Angestellte bei Logistikdienstleistern aus Transport, Spedition und Lagerei, Transportlogistik-Entscheider aus der verladenden Wirtschaft und Industrie.