Düsseldorf/Frankfurt. In Ostdeutschland müssen Tarifbeschäftigte durchschnittlich eine gute Stunde pro Woche länger arbeiten als ihre Kollegen im Westen. 38,7 Stunden Wochenarbeitszeit stehen dort im Schnitt in den Tarifverträgen, im Westen sind es hingegen 37,6 Stunden, so dass sich für sämtliche Tarifbeschäftigten ein gesamtdeutscher Durchschnittswert von 37,7 Stunden ergibt. Das geht aus dem am Donnerstag in Düsseldorf veröffentlichten Arbeitszeitkalender der gewerkschaftlichen Hans-Böckler-Stiftung hervor.
Deren WSI-Tarifarchiv hat für die jährliche Studie Tarifverträge aus 25 Branchen ausgewertet und erhebliche Unterschiede festgestellt. Die vereinbarte Arbeitszeit schwankt zwischen 34 Stunden bei der Deutschen Telekom und 40 Stunden etwa im gesamtdeutschen Bauhauptgewerbe oder in der Landwirtschaft. Die tatsächlich geleistete Arbeitszeit liegt Befragungen zufolge mit 43,5 Stunden ohnehin deutlich über dem tariflich vereinbarten Maß. Das liege zu einem an durchschnittlich längeren Arbeitszeiten für nicht tarifgebundene Arbeitnehmer und an etlichen tariflichen Ausnahmeregelungen wie in der Metallindustrie, erläuterte der Leiter des WSI-Tarifarchivs, Thorsten Schulten. Hinzu kommen Millionen bezahlte und unbezahlte Überstunden.
Unterschiedliche Entwicklung in Ost und West
Im Osten kennen auch Tarifbeschäftigte die 35-Stunden-Woche nur vom Hörensagen. Nur für 9,1 Prozent gilt diese Obergrenze, während vier von zehn Tarifbeschäftigten eine 40-Stunden-Woche haben. Im Westen haben lediglich 8,3 Prozent eine derart lange Regelarbeitszeit. Auf lange Sicht hat sich seit den 1990er-Jahren an der Arbeitszeit im Westen kaum noch etwas geändert. Für einzelne Berufsgruppen beispielsweise im öffentlichen Dienst wurde sie sogar wieder verlängert. Im Osten hat sich die vertraglich fixierte Wochenarbeitszeit seit 1994 hingegen um eine Stunde verringert.
Die IG Metall hat angekündigt, in der anstehenden Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie individuelle Arbeitszeitverkürzungen auf bis zu 28 Stunden mit Rückkehrrecht durchsetzen zu wollen. Bestimmte Personengruppen – wie junge Eltern oder pflegende Familienangehörige – sollen dabei einen Lohnausgleich erhalten. (dpa)