Kairo. Keine Entwarnung im Suezkanal: Trotz fortlaufender Bemühungen von Schlepperbooten und anderem Gerät konnte ein seit Tagen festgesetzter Frachter noch nicht freigelegt werden. Der nächste Versuch, das Containerschiff zu bewegen, soll am Abend unternommen werden, teilte das Seefahrts- und Logistikunternehmen GAC am Freitag auf seiner Internetseite mit.
Nach Angaben der Suezkanal-Behörde ist derzeit ein Baggerschiff dabei, 15 000 bis 20 000 Kubikmeter Sand abzusaugen, um den Frachter freizulegen. Die ägyptische Behörde wird dabei von einem Unternehmen aus den Niederlanden unterstützt.
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Seit Dienstag blockiert die 400 Meter lange „Ever Given“ den Suezkanal, eine der wichtigsten Wasserstraßen der Welt. Das unter der Flagge Panamas fahrende Containerschiff war wegen eines Sandsturms auf Grund gelaufen. Der japanische Eigentümer hofft, den Frachter an diesem Wochenende freizubekommen. Das Unternehmen entschuldigte sich für den Vorfall.
Nach Einschätzung des niederländischen Bergungsunternehmens Boskalis, das Ägypten unterstützt, ist ein Erfolg in kurzer Zeit nicht möglich. Neben den Baggerarbeiten soll Brandstoff abgepumpt und damit das Gewicht des Schiffes verringert werden, wie ein Sprecher des Unternehmens der niederländischen Agentur ANP sagte. Demnach spiele beim Baggern auch die Art des Bodens eine Rolle. „Bei lehmartigem Boden kann man graben, so viel man will, aber der Boden daneben bleibt stehen.“ Sand könne dagegen weggespült werden.
Die Schifffahrt auf dem Kanal ist bis auf weiteres eingestellt. Dadurch hat sich ein langer Stau gebildet. Nach Information der dänischen Reederei Mærsk stecken knapp zweihundert Schiffe in beiden Richtungen fest. Nach GAC-Angaben sind wegen des Staus die Ankerplätze um die Stadt Suez bereits überfüllt.
Umleitung birgt Gefahr durch Piraten
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hält die Sorge vor Piraterie bei Umwegen für übertrieben. Die Umleitung um das Kap der guten Hoffnung würde Schiffe eher nicht in Risikogebiete führen, sagte Verbandssprecher Christian Denso der Deutschen Presse-Agentur. Nach unbestätigten Medienberichten sollen sich Schifffahrtsunternehmen aus mehreren Ländern wegen einer potenziell erhöhten Pirateriegefahr für umgeleitete Schiffe an die US-Marine gewandt haben.
Deutschlands Maschinenbauer spüren Engpässe vor allem bei Lieferungen von elektronischen Bauteilen wie Halbleitern aus Asien bereits ohne Stau im Suezkanal, wie der Branchenverband VDMA mitteilte. Die Blockade könne die Situation weiter verschärfen. Mit Auswirkungen rechnet VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers aber erst in einigen Tagen.
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Die deutsche Industrie fürchtet Versorgungsengpässe. Bereits stockende maritime Lieferketten zwischen Asien und Europa drohen vollständig zum Erliegen zu kommen, teilte der Vize-Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Holger Lösch, mit. Eine Umleitung der Schiffe um Afrika herum dauere eine Woche länger und sei extrem teuer.
Tanken und Heizöl-Kaufen wird durch den Stau der Schiffe am Suezkanal nach Angaben der Mineralölwirtschaft nicht teurer. „Der Ölpreis hatte nur bei Bekanntwerden der Havarie kurz angezogen, um dann wieder zu sinken“, hieß es vom Mineralölwirtschaftsverband (MWV). Öllieferungen aus dem Nahen Osten machten mit zuletzt sechs Prozent den kleinsten Teil der Versorgung in Deutschland aus. „Mit Versorgungsknappheiten in Europa ist daher nicht zu rechnen.“ (dpa)