"Zahnräder greifen viel besser ineinander"

Wie motiviert man gewerbliche Mitarbeiter im Lager - und das nachhaltig? Zwei Jahre lang hat sich das Forschungsprojekt "MoLa - Motivation im Lager" dieser Fragestellung gewidmet. Ein knappes Dutzend Unternehmen nahm in zwei Runden ihre Lagerleistung sowie Motivation und Gesundheit der Mitarbeiter unter die Lupe. Betreut haben sie dabei der Lehrstuhl für Psychologie im Arbeitsleben der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, die Forschungsgruppe für optimierte Wertschöpfung der Hochschule Augsburg und die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS. Kürzlich wurde ein Methodenkatalog für Führungskräfte veröffentlicht, in dem neben den Erkenntnissen des Projekts Handlungshilfen gebündelt werden. Mit einem Entwicklungszirkel (siehe Kasten) soll an das Projekt angeknüpft werden. Motivierte Mitarbeiter leisten mehr "Eine der zentralen Erkenntnisse des Mo-La-Projekts ist, dass die Motivation der Mitarbeiter tatsächlich Einfluss auf die Lagerleistung hat. Der Mitarbeiter ist nicht das Rädchen im Getriebe, sondern beeinflusst die Lagerleistung in entscheidendem Maße", erklärte Nicole Lubecki-Weschke, Expertin für Lager-Benchmarking beim Fraunhofer SCS, bei der Kick-off-Veranstaltung des MoLa-Entwicklungszirkels Ende Juni im fränkischen Fürth. Die Hälfte der untersuchten Unternehmen berichtete von einer gesteigerten Produktivität, bei rund zwei Dritteln hatte sich die Qualität verbessert. Dass sich Mitarbeitermotivation lohnt, hat auch das in Mindelheim im Unterallgäu beheimatete Großhandelsunternehmen Konrad Kleiner als Praxispartner im Mo-La-Projekt erfahren. Kleiner ist in den Bereichen Industrie und Handwerk, Sanitär, Stahl, Werkzeug und Baubedarf tätig. Die logistische Abwicklung erfolgt im Zentrallager Mindelheim, wo derzeit 60 Mitarbeiter in einem abteilungsbezogenen Schichtmodell arbeiten. "Wir haben im Unterallgäu quasi Vollbeschäftigung und eine starke Konkurrenz bei der Rekrutierung durch andere Arbeitgeber, etwa aus der metallverarbeitenden Industrie, die weitaus interessantere Gehälter bieten können als wir", schildert Markus Olbrich, Bereichsleiter Logistik, seine Ausgangssituation. Für Kleiner sei es daher wichtig, an anderer Stelle zu punkten, um neue Mitarbeiter zu gewinnen und bestehende zu halten: beim Employer Branding. Störfaktoren produzieren Überstunden Im Rahmen des MoLa-Projekts konnten die Lagermitarbeiter bei Kleiner anhand von zwei Mitarbeiterbefragungen anonymisiert von ihren Sorgen und Nöten im Lageralltag berichten. "Dass hier viel Frust dabei sein würde, war absehbar", räumt Olbrich im Rückblick ein. So seien etwa die Mitarbeiter bei den in den letzten Jahren erfolgten Umstrukturierungen wie neuen Schichteinteilungen zu wenig ins Boot geholt worden. Entsprechend negativ fielen die Ergebnisse der ersten Mitarbeiterbefragung aus. Vier Handlungsfelder hatte der MoLa-Praxispartner daraufhin identifiziert: Eliminierung von Störfaktoren, Information und Kommunikation, Wertschätzung sowie Einarbeitung. Das wohl wichtigste Handlungsfeld waren laut Olbrich die Störfaktoren: "Je mehr Störfaktoren auftreten, desto mehr Überstunden fallen an." Wenn gerade kein freier Scanner zur Hand ist, das WLAN schwächelt oder erst ein Stapler gesucht werden muss, bremse das den Lagermitarbeiter aus. Kleiner reagierte darauf mit einer Aufstockung der Arbeitsmittel. Überflüssige Arbeitsprozesse wurden eliminiert, bestehende Abläufe optimiert. Beispiel Packstraße: In der Vergangenheit mussten die Kommissionierer in der Spätschicht nach Beendigung ihrer Tätigkeit zusätzlich noch Waren verpacken. "Durch Umbau und Erweiterung der Packstraße haben wir eine eigene Versandabteilung etabliert. Das war ein Meilenstein in der Zufriedenheitssteigerung", sagt Olbrich. Persönliche Ansprache ist das A & O Ganz klar unterschätzt habe man den Faktor Information und Kommunikation. So finden nun monatliche Lagerversammlungen statt, auf denen zu Neuigkeiten, Entwicklungen und Kennzahlen informiert wird und die Mitarbeiter Fragen stellen können. "Das kommt gut an", sagt Olbrich. In Form eines Kummerkastens können zudem anonym Wünsche, Kritik und Nöte eingebracht werden. Um den Mitarbeitern mehr Wertschätzung entgegenzubringen, hat sich Kleiner zudem vom Aushang am schwarzen Brett verabschiedet und setzt mehr auf persönliche Ansprache. "In jährlichen Mitarbeitergesprächen kann der Mitarbeiter persönliche Wünsche und Anregungen einbringen", so Olbrich. Ebenfalls nachjustiert wurde bei der Einarbeitung: "Beginnend mit ihrer detaillierten Ankündigung in der Belegschaft sollen sich neue Mitarbeiter vom ersten Tag an zugehörig fühlen", so Olbrich. Im Rahmen der neuen Begrüßungskultur wurde ein "Welcome-Package" geschnürt, zu dem unter anderem die Betreuung durch einen Paten zählt. Pickleistung um 20 Prozent verbessert Das Beackern dieser Handlungsfelder hat sich bei Kleiner in der zweiten Mitarbeiterbefragung Ende 2017 deutlich in den Zufriedenheitswerten niedergeschlagen: Hatten ein Jahr zuvor bei der ersten Befragung nur 47 Prozent der Befragten angegeben, dass sie ziemlich bis extrem zufrieden mit ihrer Arbeit sind, waren es bei der zweiten Befragung 87 Prozent. Der Anteil der Befragten, die darüber nachdenken, ihren Arbeitsplatz zu verlassen, sank von 53 auf 25 Prozent. "Wir haben im Zuge des MoLa-Projektes einiges an Vertrauen zurückgewonnen", freut sich Olbrich. Die Mitarbeiter merkten nun, dass ihre Probleme ernst genommen werden. Dass motivierte Mitarbeiter mehr leisten, lässt sich schließlich an den Qualitätssprüngen ablesen, die Olbrich bei gleicher Mitarbeiteranzahl und gleichem Volumen zuletzt verzeichnete: Im Vergleich zum Vorjahr konnten demnach im Monat Juni 2018 nicht abgearbeitete Wareneingänge pro Arbeitstag um circa 70 Prozent auf durchschnittlich 32 gesenkt werden. Die Pickleistung pro Mitarbeiter habe sich in diesem Zeitraum im Schnitt um mehr als 20 Prozent verbessert. "Mich erreichen mittlerweile Fragen von Mitarbeitern, die sich Gedanken um die wirtschaftliche Situation des Unternehmens machen, weil sie gefühlt nicht mehr am Anschlag arbeiten und kaum Überstunden anfallen", so Olbrich. Dabei habe man einfach mit der gleichen Mitarbeiterzahl und weniger Aufwand mehr geleistet: "Die Zahnräder greifen viel besser ineinander." Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Personalwesen www.verkehrsrundschau.de/dossiers MoLa-Entwicklungszirkel Transfer aus der ForschungNach Abschluss des Forschungsprojekts "MoLa - Motivation im Lager" startet im Herbst 2018 als direktes Anschlussprojekt der Entwicklungszirkel "Motiviert und leistungsstark im Lager". Über insgesamt fünf Zirkeltreffen verteilt werden teilnehmende Unternehmen im Zeitraum von zwei Jahren ihre Lagerleistung sowie die Motivation und Gesundheit ihrer Mitarbeiter auf den Prüfstand stellen und geeignete Motivationsmaßnahmen einführen und überarbeiten. Als Basis dienen ein Lager-Benchmarking und eine schriftliche Mitarbeiterbefragung. Als Sparringspartner bei der individuellen Umsetzung fungieren der Lehrstuhl für Psychologie im Arbeitsleben der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg FAU PiA, die Forschungsgruppe für optimierte Wertschöpfung HSAops der Hochschule Augsburg und die Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS, die ihre gemeinsame Expertise aus dem vorausgegangenen MoLa-Forschungsprojekt einbringen werden.Die Teilnahmegebühr für den MoLa-Entwicklungszirkel beträgt 9450 Euro pro Jahr für ein Lager, über die gesamte Projektlaufzeit von zwei Jahren insgesamt 18.900 Euro. Unternehmen, die ein zweites Lager erfassen möchten, erhalten zehn Prozent Rabatt. Ansprechpartnerin für weitere Informationen und die Anmeldung ist Moike Buck, Gruppenleiterin Process Intelligence bei der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS (E-Mail: moike.buck@scs.fraunhofer.de). mh

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