Immer auf Lager

In Zeiten, in denen immer mehr Menschen auch Kleidung und Accessoires im Internet bestellen, ist das "Never Out of Stock"-Prinzip im stationären Einzelhandel zumindest für die am häufigsten nachgefragten Artikel zu einem überlebenswichtigen Faktor geworden. Ramon Fabregat kann davon ein Lied singen. Der 50-jährige Unternehmer hat sein gesamtes Berufsleben in der Textilbranche verbracht und sich 2009 mit der Firma B&F Lifestyle in Wuppertal selbstständig gemacht. Unter der Marke "Little" hat das Unternehmen ein Gesamtkonzept mit einer eigenen Kollektion entwickelt, das über Handelspartner und seit April 2018 auch über einen eigenen Laden am Stammsitz in Wuppertal vertrieben wird. Fabregats Hauptgeschäft ist der Import von Baby- und Kindermode sowie Heimtextilien, die er im Auftrag großer Handelsketten weltweit fertigen und in deren Filialen liefern lässt. Pro Jahr werden auf diese Weise rund 50 Container umgeschlagen, wobei B&F Lifestyle mit mehreren Logistikpartnern zusammenarbeitet. "Das Streckengeschäft mit reinem Warenumschlag und direkter Verteilung an die Filialen ist unproblematisch und wird von mehreren Dienstleistern beherrscht", erklärt Fabregat die Logistik hinter seiner Firma. Lieferung innerhalb von zwei Tagen Ganz anders sieht die Situation jedoch bei den NOS-Artikeln aus, die der Babymodenspezialist für einen der Hauptkunden am Lager bereithalten und bei Bedarf innerhalb von zwei Tagen an die rund 100 Filialen ausliefern muss. "NOS-Artikel müssen einzeln aus den Kartons gepickt, neu verpackt, mit Lieferscheinen versehen und etikettiert werden", erklärt Susanne Wimmer, die von Anfang an zum B&F-Lifestyle-Team gehört. Dass das Konfektionieren und Kommissionieren der NOS-Artikel auf Dienstleisterseite viel Know-how und Sinn für Qualität beansprucht, wissen Fabregat und Wimmer nach teils negativen Erfahrungen mit zwei Logistikdienstleistern umso besser. Seit rund zwei Jahren kümmert sich der mittelständische Logistikdienstleister The Green Line (TGL) Nellen & Quack mit Sitz im westfälischen Gronau um die NOS-Kommissionierung. Zuvor hatte TGL bereits einige Streckengeschäfte für B&F Lifestyle abgewickelt. Niedrige Retourenquote Nellen & Quack war historisch betrachtet in der Textillogistik einmal stark aufgestellt, ist heutzutage aber weniger als hoch spezialisierter Fashionlogistiker aktiv. "Das Kontraktlogistikportfolio von The Green Line bietet dennoch qualitativ hochwertige Pickund Packdienstleistungen von Textilien mit Schwerpunkt Liegeware und hoher Verpackungsexpertise", sagt Daniel Waanders, zuständig für Qualitätsmanagement und Marketing. Im Multiuser-Lager in Ochtrup beschäftigt TGL ein Stammpersonal mit über 30 Mitarbeitern, "gut ausgebildete Fachkräfte auf der Payroll von TGL", wie Waanders betont. Zum Saisongeschäft einzelner Kunden werde die Belegschaft bei Bedarf mit Zeitarbeitskräften aufgestockt. Dass das NOS-Prinzip, also die ständige Warenverfügbarkeit bei gleichzeitiger Sicherstellung der Qualität, viel Sorgfalt erfordert, hat auch der Qualitätsmanager verinnerlicht. "Unsere überaus niedrige Retourenquote von unter 0,5 Prozent spricht hier für sich", berichtet Waanders. Auch Wimmer von B&F Lifestyle war frühzeitig von der Qualität der Dienstleistung beeindruckt: "Schon während der Angebotsphase für den NOS-Bereich haben wir gemerkt, dass TGL sehr sorgfältig arbeitet und über solide Kenntnisse der Textilbranche verfügt", erinnert sich Wimmer. Gemeinsam mit ihren Kolleginnen bearbeitet sie die an jedem Dienstag eingehenden Bestellungen der Filialen, die elektronisch per elektronischen Datenaustausch (EDI) an TGL weitergeleitet und dort ausgeführt werden. Pro Bestelltag fallen dabei rund 500 Picks an. Automatische Nachschubbeschaffung In Ochtrup werden die Bestellungen gemäß dem NOS-Prinzip zeitnah umgesetzt. Je nach Umfang werden die benötigten Teile in der Regel noch am gleichen Tag von den Zustellfahrzeugen abgeholt. "Wir haben auf Bodenebene Kommissionierplätze mit einem Stellplatz pro Artikel eingerichtet. Sobald bei einem Teil eine Mindestmenge erreicht ist, generiert das Lagerverwaltungssystem automatisch die entsprechende Nachschubanfrage für das Hochregallager", erklärt Ingo Reimann, TGL-Lagerleiter in Ochtrup, die internen Abläufe. Die Mitarbeiter sind mit modernen MDE-Geräten ausgerüstet, die sie laufwegeoptimiert zu den jeweiligen Stellplätzen führen. Als Lagerverwaltungssystem nutzt der Logistiker das Produkt W3-Max von der W3 Logistics AG aus Dortmund. "Ansonsten ist in unserem Lager vergleichsweise wenig automatisiert", erzählt Reimann. Als Multiuserlager-Betreiber müsse man schließlich den verschiedensten Anforderungen von über 30 Kunden gerecht werden - von der Textillogistik über Angelbedarf bis hin zum kompletten Ersatzteillager eines Landmaschinenherstellers. "Wir bieten intelligente und flexible Lösungen mit einfachen Mitteln", so der Lagerleiter. Schnittstelle zum LVS Laut Reimann nehmen immer mehr Kunden NOS-Dienstleistungen in Anspruch, das beschränke sich nicht auf die Textillogistik. Daran, dass die Abläufe schnell und reibungslos funktionieren, hat freilich die Softwareunterstützung einen großen Anteil. "Alle Kunden können über eine webbasierte Schnittstelle zu unserem System jederzeit und überall ihre Bestände abrufen, das heißt, sie brauchen nur aufs Knöpfchen zu drücken, um die Kommissionierung der gewünschten Produkte anzustoßen", sagt Reimann. Darüber hinaus werden sie bei Unterschreiten einer vorher festgelegten Mindestmenge von gelagerten Teilen automatisch vom Lagerverwaltungssystem (LVS) benachrichtigt. Die Möglichkeit, sich in das System einzuloggen und die aktuellen Bestände anzusehen, nutzt auch B&F: "Bisher gab es noch keine Abweichungen", sagt B&F-Mitarbeiterin Wimmer, die der nächsten Inventur also gelassen entgegensehen kann. "TGL ist logistisch und organisatorisch der beste Dienstleister, den wir je hatten", lobt auch Fabregat, der im NOS-Bereich ausschließlich mit TGL zusammenarbeitet. Schließlich sei man ein sehr kleines Team und müsse sich auf die externen Partner verlassen können. Gut möglich, dass die Kooperation mit dem westfälischen Logistikdienstleister in Zukunft noch deutlich ausgebaut wird. Nach dem Start des ersten eigenen "Little Shops" für Baby- und Kindermode sowie Heimtextilien am Stammsitz in Wuppertal sollen künftig noch weitere B&F-Outlets in Nordrhein-Westfalen folgen. Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Handelslogistik www.verkehrsrundschau.de/dossiers Glossar Niemals auf null Die Abkürzung NOS steht für "Never Out of Stock", was im Deutschen so viel bedeutet wie "nie vergriffen" oder "immer auf Lager". Nicht zu verwechseln übrigens mit dem identisch abgekürzten "New Old Stock", also Produkten, die insbesondere in Onlineshops als "neu aus altem Lagerbestand" angepriesen werden. In der Warenwirtschaft wurde der NOS-Begriff ursprünglich für die Kommunikation zwischen Herstellern und Großhändlern verwendet. NOS-Teile spielen traditionell in der Textilbranche eine große Rolle. In diese Kategorie fallen Klassiker, die von Kunden erfahrungsgemäß dauerhaft nachgefragt werden, wie etwa das weiße oder schwarze T-Shirt oder Teile, die eine besonders hohe Kombinationstauglichkeit aufweisen. mh

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