"Wir sind alle Weigander!"

Auf dem Hof der Firma Weigand Transporte in Sittensen-Lengenbostel steht zwischen den weißen Sattelzügen mit Siloaufliegern ein kleiner Mini. Ton in Ton mit der Lkw-Flotte des Tanktransportunternehmens trägt er auf beiden Seiten den Weigand-Schriftzug und den Hinweis auf die Karriere-Website des Unternehmens. Mit diesem Auto fahren die Auszubildenden der Firma Weigand zum Beispiel in die Berufsschule. Der Mini symbolisiert das, was die Geschäftsführer Karsten und Stefan Weigand täglich leben - Mitarbeiter wertschätzen, motivieren und halten. "Bei uns steht der Mitarbeiter mit seinem gesamten Lebensumfeld im Mittelpunkt", erklärt Stefan Weigand. Dabei steht jeder einzelne im Fokus und wird nach seinen persönlichen Fähigkeiten bei der Ausbildung und Weiterentwicklung gefördert - dafür wurde das Unternehmen mit dem VR-Award "Ausbildung und Karriere" ausgezeichnet (siehe VR 10/2018). "Wir haben irgendwann festgestellt, dass wir beim Thema Personalbindung und Ausbildung mehr tun müssen", erzählt Stefan Weigand. Das Problem des Fahrermangels ist seiner Meinung nach hausgemacht. Es fehle vor allem an Wertschätzung. Stefan Weigand ist 1993 ins elterliche Geschäft eingestiegen - damals hatte das Unternehmen gerade einmal sieben Fahrzeuge. Heute führen er und sein Bruder Karsten über 70 Mitarbeiter sowie einen Fuhrpark von 45 Zugmaschinen und 60 Aufliegern. Neben den Wünschen der Kunden ist für Stefan Weigand sein Personal das höchste Gut und daher auch Chefsache. "Ich investiere etwa 50 Prozent meiner Zeit in Personalbelange." Weigand findet immer Auszubildende Der Erfolg der Aus- und Weiterbildungsstrategie spricht für sich: Trotz Bewerbermangel und Imageschaden der Branche gelingt es Weigand Jahr für Jahr, geeignete Azubis zu gewinnen und diese auch langfristig zu binden. "Stefan hat eine Vision", sagt Fuhrparkleiter Dennis Everding über seinen Chef. "Er probiert das Unmögliche, um das Mögliche wahr zu machen", das sei eine der Zutaten für das erfolgreiche Ausbildungskonzept des Unternehmens. Everding selbst ist ein Paradebeispiel für den Erfolg des Konzepts. Der 30-Jährige hat bei Weigand seine Ausbildung zum Berufskraftfahrer absolviert. Etwa zwei Jahre fuhr er für Weigand anschließend Touren im Fernverkehr. "Dann fragte mich Stefan, ob ich nicht Teil des festen Ausbilderteams für die Fahrer werden wollte", erinnert sich Everding. BKF-Nachwuchs übt auf dem Spielplatz Zunächst sei er skeptisch gewesen, ob er das mit seinen damals 25 Jahren schaffen könnte. "Was will man den alten Hasen, die schon ewig unterwegs sind, da schon beibringen?" - Doch der Wunsch nach Weiterentwicklung war da. 2015 übernahm Everding schließlich die Position als Fuhrparkleiter. In diesem Jahr wechselt er zur Ausbildungsleitung. Er wolle sein Wissen weitergeben und anderen bei der Weiterentwicklung helfen. "Und ich will unsere neuen Methoden vorantreiben." Zu den Methoden des Unternehmens gehört ein ausgewogener Ausbildungsmix, in dem sich Theorie und Praxis abwechseln. Die Aufgaben, die die angehenden Berufskraftfahrer in ihrem späteren Berufsalltag erwarten, können schon während der Ausbildung auf dem sogenannten Weigand-Spielplatz geübt werden. Und das schon vor und während der Führerscheinausbildung, wie der 19-jährige Lucas Hahn berichtet. "Den Führerschein beginnen wir erst im zweiten Lehrjahr. Vorher machen wir aber den 'Hofführerschein', um Rangieren, Abfahrtskontrolle, Auf- und Absatteln schon auf dem Firmengelände üben zu können", erläutert der BKF-Azubi im ersten Lehrjahr. Auf dem Spielplatz lernen die Azubis nicht nur das Auf- und Absatteln, sondern auch das Be- und Entladen der Silos. Da müssen Tankdeckel geöffnet und wieder geschlossen, Bulk-Container befüllt und geleert oder Schläuche an die passenden Kupplungen und Ventile angeschlossen werden. "Spielerisch" können die Nachwuchsfahrer auch lernen, was passiert, wenn sie ein Silo mit zu viel Druck und zu voll füllen. So wissen die Auszubildenden, was man später beim Kunden zu tun hat, sagt Marvin Kedorn, der sich ebenfalls im ersten Jahr seiner BKF-Ausbildung befindet. "Das ist besser, als sofort den Führerschein zu machen und alleine loszumüssen." Das Arbeitsgerät kennenlernen Während des ersten Lehrjahrs werden die BKF-Azubis in der eigenen Werkstatt und der Reinigung mit dem Namen "Waschross" eingesetzt. Dort lernen sie die technischen Details und den gepflegten Umgang mit ihrem späteren Arbeitsgerät. "Gerade das technische Know-how kann später unterwegs sehr nützlich sein", meint Kedorn. So arbeite man sich in kleinen Schritten stetig Richtung Führerschein und eigene Touren, sagt sein Ausbildungskollege Hahn. Regelmäßig fahren die BKF-Azubis bei einem erfahrenen Kollegen eine Woche im Fernverkehr mit, etwa bei dem Fahrer Sebastian Kühn. Auch Kühn hat seine Ausbildung bei Weigand absolviert. Wie beim Fuhrparkleiter Dennis Everding hat Stefan Weigand rasch erkannt, dass Kühn Potenzial hat: "So bin ich schon nach wenigen Jahren ins Ausbilderteam aufgestiegen", erzählt der 23-Jährige. Heute ist er für die praktische Seite der Ausbildung zuständig. Einmal im Quartal nimmt er jeden Azubi im ersten Lehrjahr mit auf Tour, übt zusätzlich mit ihnen auf dem Hof und am Spielplatz. Für den theoretischen Teil der Ausbildung ist Dennis Everding verantwortlich. Gemeinsam mit dem Geschäftsführer - "meinem Sparringspartner" - hat er das neue Ausbildungskonzept mit ausgewogenem Wechsel aus Theorie und Praxis entwickelt. Die Ausbildung wird dabei auf jeden Azubi individuell zugeschnitten, denn jeder Einzelne lerne anders, habe andere Stärken und Schwächen, erklärt Everding. "Wir arbeiten zum Beispiel mit Memory-Karten oder Rollenspielen", sagt er. Auch Walk-and-Talk-Coaching werde ausprobiert, quasi Unterricht im Gehen. Wichtig seien abwechslungsreiche Unterrichtsmethoden, um jeden Azubi abzuholen und zu motivieren. Chef zeichnet Plakate zur Motivation Zu den vielfältigen Methoden gehört auch, die Arbeitsabläufe zu visualisieren - ein Steckenpferd von Stefan Weigand. Bei einem Gang durch die Weigand-Räumlichkeiten fallen einem an fast jeder Wand bunte Plakate ins Auge - handgezeichnet vom Chef persönlich oder seinem Ausbildungsleiter. Eines davon visualisiert farbenfroh und leicht verständlich die Entwicklungsstufen, die jeder Mitarbeiter - ob Azubi oder erfahrener Kollege - bei Weigand erreichen soll. "Zu Beginn steht ein engagierter Mitarbeiter, der aber noch wenig Kompetenz mitbringt", sagt Everding. Mit zunehmender Kompetenz gerate das Engagement eher ins Schwanken, Routine kehre ein. "Wir wollen unsere Mitarbeiter auf die höchste Stufe bringen: hohe Kompetenz und hohes Engagement." Dieses Ziel lasse sich nur mit klar definierten individuellen Zielen erreichen. Bei Weigand setzt man daher auf einen situativen Führungsstil. In Gruppen- und Einzelgesprächen wird sich für die Wünsche und Probleme eines jeden Mitarbeiters Zeit genommen. "Führen auf Distanz funktioniert nicht", sagt Everding. Smileys für die Work-Life-Balance Auch in den Gesprächen setzt Weigand auf Visualisierung. Die Mitarbeiter bewerten ihr Wohlbefinden in Beruf, Familie und Gesundheit mit einem Smiley - ist einer der Smileys unglücklich, wird gemeinsam nach einer Lösung gesucht, um die Work-Life-Balance wiederherzustellen. "Die Mitarbeiter schenken uns großes Vertrauen", sagt Stefan Weigand. Und andersherum vertraue man ihnen. In den Gesprächen stehen die Werte des Unternehmens im Fokus. "Wir stellen uns gemeinsam mit dem Mitarbeiter die Frage: 'Wo kannst du noch mehr geben und wo können wir noch mehr für dich tun?'", erklärt Everding. Das offene und vertraute Miteinander schätzen die Auszubildenden. "Das hat mich schon im Bewerbungsgespräch überzeugt", sagt Lucas Hahn. Sein Mitazubi Marvin Kedorn stimmt zu: "Das Miteinander stimmt hier einfach", sagt er. Als Azubi sei man von Beginn an auf Augenhöhe und werde nicht als Neuling abgestempelt. Dazu trägt das allgemeine "Du" bei, das bei Weigand gelebt wird. Vom Azubi bis zum Chef, "'Sie' gibt es bei uns nicht", sagt Stefan Weigand. "Wir sind alle Weigander." An Fahrer, die die Werte dieses Titels bestmöglich verkörpern, verleiht die Geschäftsführung sogar einen eigenen Preis: Den Weigand-Award. Die Idee des "Weigander" kommt nicht nur bei den eigenen Mitarbeitern an. Auf Facebook folgen dem Familienunternehmen aus Sittensen fast 2000 Fans. "Angesichts unserer Größe finde ich das stark", sagt der Chef sichtlich stolz. Der gut gepflegte Facebook-Auftritt des Unternehmens ist Teil der Bemühungen, das Image der Branche und des Fahrerberufes zu bessern. "Wir bekommen dort viel positives Feedback, auch neue Fahrer konnten wir schon gewinnen", erzählt Weigand. Auf negative Kommentare reagiere das Unternehmen ebenfalls und zeige den Schwarzmalern die schönen Seiten des Berufs auf. Mit kameradschaftlichem Betriebsklima und Entwicklungsperspektiven für jeden Einzelnen gelingt es Weigand Transporte, junge Nachwuchsfahrer und langjährige Berufskraftfahrer immer wieder aufs Neue für ihren Beruf zu begeistern und Mitarbeiter langfristig zu halten. Die Ideen gehen Geschäftsführer Stefan Weigand und seinem Ausbilderteam dabei nicht aus. Auf dem Gelände entsteht bald ein neues Verwaltungsgebäude mit mehr Platz für die Mitarbeiter: "Unsere Vorstellung ist ein Schulungsbereich auf 70 Quadratmetern", erläutert Stefan Weigand. Geplant seien zudem ein Kreativraum und ein Fahrerraum mit Billardtisch und Dartscheibe. "Wir wollen die Attraktivität des Jobs und die Motivation der Mitarbeiter weiter steigern." Mehr zum Thema im Dossier Unternehmensführung www.verkehrsrundschau.de/dossiers VR-Award Ausbildung und Karriere Vorbildliches Engagement bei Schuon und der Nord-Spedition Weigand Transporte konnte die Jury des VR-Awards "Ausbildung und Karriere"- bestehend aus Ute Hennings, Beauftragte für Diversity- und Talentmanagement der Sparkassen-Finanzgruppe, Simon Grupe, Referatsleiter kaufmännische und Dienstleistungsberufe Bereich Ausbildung des DIHK, Peter Dichtl, Lehrer für Logistik und Spedition an der Berufsschule IV in Augsburg, sowie den beiden VR-Redakteurinnen Katharina Spirkl und Julia Thomsen - von ihrem fortschrittlichen Engagement für das Thema Ausbildung überzeugen. Neben dem festen Ausbildungsteam und der persönlichen Betreuung bei der Entwicklung der Azubis würdigte die Jury den hohen Identifikationsgrad zwischen Unternehmen und Mitarbeitern unter dem Slogan "Wir sind Weigander". Mit kreativen Unterrichtsmethoden und hauseigener Übungsfläche verzahnt Weigand gekonnt Theorie und Praxis, so die Begründung der Jury.Ebenfalls im Rennen um den Ausbildungspreis waren die Nord-Spedition Großenwiehe sowie Alfred Schuon aus Haiterbach. Die Nord-Spedition brillierte mit ihrem Ausbildungskonzept unter dem Motto "Spring mit auf", bei dem die Identifikation der Azubis mit dem Arbeitgeber und dem Beruf großgeschrieben wird. Schuon präsentierte ein vorbildliches Ausbildungskonzept, das den Azubis die Möglichkeit bietet, in alle Geschäftsbereiche hineinzuschnuppern und sogar im Ausland Erfahrung zu sammeln. Die Nominierten des VR-Award 2018 zeigen, wie nachhaltige Nachwuchsarbeit geht. jt

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#VR-Award Ausbildung

"Wir streben nach Präzision"

Von vorn bis hinten an die Umwelt gedacht

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