"Wir streben nach Präzision"

Das Befördern, Umschlagen und das Handling sperriger, unhandlicher Langgüter ist die Spezialität des Krautheimer Spediteurs Roland Rüdinger. In diesem Segment sei sein Unternehmen als inhabergeführte Spedition sogar europaweit Marktführer, erzählt er stolz.Umso überraschender ist, wie filigran und mit welcher Akribie der 55-jährige Unternehmer das Thema "Logistik 4.0" in seiner Spedition vorantreibt, die er im Jahr 1999 von seinem Vater übernommen hat. Und zwar so erfolgreich, dass ihn die Verkehrs-Rundschau mit dem diesjährigen "VR-Award Digitalisierung" ausgezeichnet hat. Besonders beeindruckt habe die Jury "die Ganzheitlichkeit der Herangehensweise von Rüdinger, vor allem aber wie die Digitalisierung den Kunden des Unternehmens zugutekommt", formulierte es auf der Preisverleihung in München Professor Uwe Clausen vom Fraunhofer Institut für Materialfluss und Logistik (IML) (siehe Kasten Seite 26).Gut drei Wochen später freut sich Roland Rüdinger noch immer über die Auszeichnung. Das spürt man beim Besuch des Unternehmers in Krautheim. Sichtlich stolz lässt er sich neben der Urkunde fotografieren und erzählt währenddessen, wie wichtig dieser Preis für ihn, rechtzeitig vor der Messe Logimat in Stuttgart, gewesen sei. Als regionaler Spediteur habe er so in der Hauptstadt Baden-Württembergs alle maßgeblichen Auftraggeber auf sein Unternehmen aufmerksam machen können.Trotzdem fällt Rüdingers Bilanz in Sachen Digitalisierung ernüchternd aus. Alles in allem habe ihn der Weg in die Logistik 4.0 mehrere Hunderttausend Euro gekostet. "Und die Frage nach dem Mehrerlös kann ich ganz einfach mit ,null' beantworten", räumt er unumwunden ein. Hat er also mit der Digitalisierung auf ein falsches Pferd gesetzt? Ist das Ganze nur ein gigantisches Marketing-Gewese, das viel Geld kostet, aber keinen Nutzen bringt?Rüdinger selbst ist davon überzeugt, dass sein Bekenntnis zur Digitalisierung dennoch richtig war und ist, auch weil er ein stetiger Optimierer ist. Seine Triebfeder dafür sei sein Streben nach Präzision. Dabei setzt er, was an vielen Stellen seiner Spedition sofort ins Auge sticht, auf stetige Verbesserungen in kleinen Schritten, um noch effizienter zu werden. Und da hilft ihm die Transparenz, die Digitalisierung erst möglich macht. Denn der Mittelständler nutzt ein ganzes Bündel an Software, Telematik- und sonstigen technologischen Lösungen, die nicht nur ihm und seiner Führungsmannschaft, sondern auch seinen Kunden wichtige Prozess-Optimierungen und dadurch Kosten- und Aufwand-Einsparungen ermöglichen.Digitales Frühwarnsystem für den Chef"Unsere Firma hat ihren Sitz im Hohenloher Land, in der Region der Weltmarktführer. Hier sitzen viele namhafte Maschinen- und Anlagenbauer wie die Firma Würth", erzählt er. "Wer für solche Auftraggeber als Dienstleister tätig sein will, braucht gute Produktkenntnisse, vor allem aber effiziente Prozesse und eine starke Logistik."Und dafür investiert der Unternehmer in Technik, schult Mitarbeiter und optimiert stetig seine Prozesse. Und als XXL-Stückgut-Spezialist verfügt er natürlich über fast jede passende Fahrzeug- und Aufbauten-Lösung für "schwere Brocken". Insgesamt 160 eigene Lkw und 140 Auflieger hat der Unternehmer in seinem Fuhrpark, zum Beispiel 60 Planentieflader - allesamt sind sie im leuchtenden Orange lackiert, das sich als Corporate-Identity-Farbe durch das gesamte 60.000 Quadratmeter große Firmengelände zieht. Denn Rüdinger ist neben seinen vielen Fähigkeiten auch eines: Ein studierter Betriebswirt mit ausgeprägtem Marketing-Gespür, der das Know-how seiner Spedition entsprechend zu vermarkten weiß.Wichtiger Baustein seiner Optimierungsstrategie ist das "Unternehmens-Cockpit", das Rüdinger als digitales Informations- und Frühwarnsystem nutzt. Mittels Software werden dafür täglich die wichtigsten Kennzahlen aus den verschiedenen Softwareanwendungen ausgelesen: gefahrene Kilometer, Umsätze, Lkw-Einsatztage, Reparaturkosten, Dieselverbräuche, Krankheitsquoten und Termineinhaltung. So ist der Chef stets aktuell informiert und könnte im Bedarfsfall gegensteuern. Auch die Erfassung von Kfz-Schäden erfolgt Web-basiert sofort nach Meldung durch den Fahrer. In der so digital angelegten Schadenakte werden alle für die Bearbeitung des Unfalls benötigten Daten und Dokumente hinterlegt. So gehören dicke Ordner und Akten der Vergangenheit an. Stattdessen liegt die gesamte Schadensakte griffbereit und mit wenigen Klicks vor, und die Bearbeiter bei Rüdinger und beim Versicherungsmakler haben über die gleiche Bildschirm-Maske jederzeit den gleichen Stand. Alle Transport- und Kfz-Schadenfälle fließen durch die digitale Lösung bei Rüdinger sofort in einen KVP- Prozess ein, der in ein umfangreiches Fahrer-Schulungsprogramm mündet. "Lernen aus Fehlern" - lautet hier Rüdingers Devise.Moderne Kommunikation in den LkwAuch in den Fahrzeugen der Spedition hab IT schon lange Einzug gehalten. So sind alle Nahverkehrs- und in Kürze auch alle Fernverkehrs-Lkw mit Scanner ausgestattet. Mit ihnen werden Abholung und Zustellung dokumentiert. Der Palettentausch wird ebenfalls via Scan aufgezeichnet. Und alle Rüdinger-Lkw mit sind mit MDA/ PDA oder Tablet und dem Flottenmanagement-System von Couplink ausgestattet. GPS-Ortung und Spurverfolgung, Übertragung der Auftragsdaten in den Lkw, Status zurück ins Dispoprogramm, Navigation, Telefonieren aus dem System mit Anrufdokumentation, Daten für Spesenauswertung-Programm. Über 1000 Euro hat Rüdinger pro Lkw dafür investiert. Den Fahrern können so jederzeit neue Aufträge übermittelt werden und die Route können sie automatisch ins Navi übernehmen. Zudem können die Disponenten von der Zentrale aus jederzeit den Standort der Lkw und Waren sowie zum Beispiel die Lenkzeiten über GPS-Ortung ermitteln. Und in Kürze ließe sich über das System, kündigt der Firmenchef an, auch die erwartete Ankunftszeit (ETA) ermitteln und an die Empfänger übertragen. Auch das Abfotografieren von Papier-Empfangsquittungen im Lkw und automatischer Datenversand im Speditionsprogramm zum Auslösen von Rückmeldung und Rechnung sollen bei ihm ab dem dritten Quartal 2018 möglich sein. Stichwort: optischer Ablieferbeleg. Der wird dann nicht nur automatisch ins Speditionsprogramm eingelesen, sondern auch mit der Rechnung elektronisch den Kunden übermittelt wird. Besonders stolz ist der Unternehmer auf das "Apache"-Mess-Wiege-System, das er vor zwei Jahren für 80.000 Euro angeschafft hat. Sofort nach Entladung des Lkw könne ein Laser-Messbalken binnen weniger Sekunden die Länge, Breite und Höhe des Stückgutes messen, deren Gewicht ermitteln. Zwei Kameras machen außerdem Bilder. Mit dem Scannen des NVE-Barcodes werden dann die Daten dem Packstück zugeordnet. "Jedes Stück erhält einen Aufkleber mit den exakten Messdaten. Diese werden zudem automatisch in unser Disposystem übermittelt", erklärt er. Mit dem Vorteil, dass die XXL-Güter nicht nur sicher und effizient geladen, sondern auch korrekt abgerechnet werden können. Denn Kunden würden bei fehlerhaften Daten sofort per Mail informiert werden. Probleme gebe es nicht, meint er. Im Gegenteil: Das saubere Verwiegen und Messen der Ware würde unnötigen Aufwand bei der Fakturierung ersparen - sowohl bei seinen Kunden also auch in seiner Abrechnung.In der Umschlaghalle dokumentieren zudem 50 Kameras rund um die Uhr alles, was hier vor sich geht. Auch diese Bilder und Daten fließen in die Speditionssoftware ein. "Wir wissen also immer, wo welche Sendung steht - das hilft uns noch schneller in der Abwicklung zu sein." Außerdem könne man so, zählt Rüdinger die Vorteile der Bilddokumentation auf, etwaige Transportschäden dokumentieren und zuordnen. Und es gäbe noch vieles über die Optimierungs-Maßnahmen in der Krautheimer Firma zu erzählen, die dank Digitalisierung Effizienz in die administrative Abwicklung brachten.Preisabfrage mit wenigen KlicksWichtige Bausteine seien die Speditionssoftware von Active Logistics - mit Vorteilen in puncto DFÜ, Track- und Trace-Funktionen für die Kunden, die seit März 2018 nach Eingabe der NVE-Nummer auch ihre eingescannten Ablieferbelege auf Rüdingers Webseite einsehen können. Doch alles das reicht dem emsigen Unternehmer nicht: Seine Kunden können schon bald (jetzt für Stückgut) auf seiner Homepage Preise mit wenigen Klicks abfragen. Das ist das Thema, an dem der Mittelständler aktuell arbeitet - nach dem Vorbild der Internetplattform Cargonexx, die ihn "schwer beeindruckt" hat.Die Ideen gehen Rüdinger also nicht aus, und natürlich werde er weiter in neue IT oder bessere IT-Ausstattung investieren, sagt er. Schon jetzt gebe er 50.000 bis 100.000 Euro jährlich dafür aus. Und Schluss soll noch lange nicht sein. "Durch diese vorausschauenden Informationen können wir viele Prozesse in unserer Firma weiter optimieren, aber auch in der Transport- und Logistikkette für unsere Kunden", ist Rüdinger überzeugt. Und gemessen an seinen jährlich drei Millionen Euro Investitionen in den Lkw-Fuhrpark, seien doch selbst 100.000 Euro in die IT noch vernünftig, meint er und lacht.Mehr zum Thema finden Sie im Dossier Stückgut www.verkehrsrundschau.de/dossiersDaten + FaktenRüdinger SpeditionDas Speditions- und Logistikunternehmen Rüdinger mit Sitz in Krautheim wurde 1930 gegründet und hat sich auf XXL-Transporte spezialisiert. Die Spedition ist Partner des Elvis Teilladungssystems Part Load und Gesellschafter der Stückgutkooperation Online Systemlogistik. Mit 160 Lkw beliefert das Rüdinger mittlerweile Kunden in ganz Europa. 2017 erwirtschaftete das Unternehmen mit seinen 350 Mitarbeitern rund 35 Millionen Euro. Seit einigen Jahren ist Rüdinger auch in der Kontraktlogistik und See- und Luftfracht tätig. ehVR-Award DigitalisierungAusgezeichnete KonzepteDie Rüdinger Spedition wurde am 1. März 2018 mit dem VR-Award in der Kategorie Digitalisierung ausgezeichnet. Das Unternehmen hat durch seine Digitalisierungsstrategie konsequente Transparenz für seine Kunden geschaffen: von der (Preis-)Anfrage über die Abholung bis zur Avisierung und Zustellung.Nominiert in der Kategorie Digitalisierung war außerdem das Unternehmen Otto Bächle aus Villingen-Schwenningen: Die Spedition hat ihre Prozesse hinterfragt und investiert seit drei Jahren in die Digitalisierung. Ebenfalls in den Kreis der Nominierten hat es die Steinbach Spedition aus Bayreuth geschafft. Sie hat ihr Werkstatt- und Fuhrpark-Management digitalisiert und in eine Speditionssoftware investiert, um die Disposition und Abrechnung zu verbessern. ks/eh

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