"Wir sagen auch mal Nein!"

Sie sind seit März CEO des Paket- und Expressdienstleisters DPD und geben in Ihrer neuen Position im Privatkundensegment (B2C) mächtig Gas. Was haben Sie bislang erreicht? Der größte Erfolg ist, dass wir jetzt die ersten großen Onlinehändler als Kunden gewonnen haben - und zwar zu vernünftigen Preisen. Dazu gehören zum Beispiel der Schuhe-Shop Justfab, der Online-Modehändler Asos und Deutschlands größter Möbel-Onlineshop Home-24. Das zeigt, dass wir mit unserer Premiumstrategie einen Nerv treffen und wir anderen Unternehmen dabei helfen können, sich über die Paketzustellung zu differenzieren. Und die genannten Kundengewinne sind erst der Anfang, weitere namhafte Abschlüsse folgen. Wie man hört, ist DPD mittlerweile auch ein Dienstleister von Amazon. Ist das richtig? Tatsächlich stellt DPD nach einem erfolgreichen Testlauf seit September Amazon-Pakete zu. Darüber freuen wir uns sehr, denn die Zusammenarbeit mit Amazon findet explizit im Premiumsegment statt: DPD transportiert ausschließlich Pakete, die über das Mitglieder-Programm "Amazon Prime" bestellt wurden. Diese Zusammenarbeit zeigt exemplarisch, wie sehr wir uns auf Premiumkunden fokussieren und wie erfolgreich wir dabei schon sind. Wie viele Pakete des DPD gehen in Deutschland mittlerweile an Privatkunden? Unterm Strich stammen rund zwei Drittel unserer Pakete aus dem B2B- und ein Drittel aus dem B2C-Segment. Das waren im letzten Jahr rund 100 Millionen Pakete. Viele B2C-Kunden haben wir allerdings erst in den letzten zwei Monaten aufgeschaltet, sprich: Das Paketvolumen kommt jetzt und wird vor allem im Jahr 2015 für Wachstum sorgen. Welchen Marktanteil im B2C-Geschäft hat DPD damit aktuell in Deutschland im Vergleich zu DHL und Hermes und was ist das mittelfristige Ziel? Wir gehen davon aus, dass Deutsche Post DHL im B2C-Segment hierzulande einen Marktanteil von mehr als 50 Prozent hat. Hermes sehen wir bei etwa 20 Prozent, DPD steht bei sieben Prozent. Bis zum Jahr 2018 wollen wir diesen Wert mit 15 Prozent mehr als verdoppeln. Wir wollen in diesem Segment der dritte starke Player werden. Dabei konzentrieren wir uns auf das Premiumsegment, das ein Drittel des gesamten B2C-Marktvolumens ausmacht. Das ist die Nische, die DPD besetzen will. Und mit welchen Services grenzen Sie sich von Ihren Rivalen ab, um beim Endverbraucher zu punkten? Wir haben es geschafft, binnen kürzester Zeit ein ganzes Bündel an Services für Endkunden aufzulegen: die Samstagszustellung, Same-Day-Delivery, Paketshops, DPD Direct und mit Predict eine auf 30 Minuten zeitgenaue Ankündigung der Zustellung. Den größten Hype erlebt momentan unser Live Tracking, mit dem private Empfänger in Echtzeit auf einer digitalen Karte sehen, wo sich ihr Paket gerade befindet und wie viele Stationen noch zwischen dem aktuellen Stopp des Zustellers und der eigenen Adresse liegen. Ganz aktuell haben wir zudem für die über 40 Millionen Smartphone-Nutzer in Deutschland einen digitalen Paketschein entwickelt. Mit ihm wird es ab Frühjahr 2015 für Privatkunden noch einfacher, Pakete zu versenden. Wie funktioniert dieser "Digitale Paketschein" konkret? Um ein Paket im Paketshop abzugeben, muss der Empfänger bald keinen PDF-Paketschein mehr ausdrucken, ausschneiden und aufkleben. Stattdessen wird dafür ein QR-Code auf dem Smartphone ausreichen. Wir haben alle DPD Paketshops mit Handscannern ausgestattet, die den QR-Code erfassen können. Das sind wichtige Innovationen, die digital-affine Kunden erwarten. Was war für Sie beim Einstieg ins B2C-Segment die größte Herausforderung? Die größte Herausforderung war und ist, die Mitarbeiter und Paketzusteller in diesem Prozess mitzunehmen. Wickelt man 30 Jahre B2B-Pakete ab, ist das ein standardisierter Prozess. Wenn plötzlich auch sehr viele B2C-Pakete zugestellt werden müssen, verändert das ein Unternehmen vom Logistikdienstleister zum Serviceunternehmen. Diese Serviceeinstellung muss in die Köpfe von insgesamt 15.000 Mitarbeitern und Zustellern. Das ist eine sehr große Veränderung. Denn das heißt, dass man nicht nur Pakete und Prozesse im Fokus hat, sondern auch den Endkunden. Alles was man tut, muss darauf ausgerichtet sein, dem Endkunden den bestmöglichen Service zu bieten. Honorieren die Kunden diesen Aufwand auch finanziell? Sind sie bereit, dafür höhere Preise zu zahlen? Wir akzeptieren nur Auftraggeber, die bereit sind, für unseren Premium-Service zu bezahlen. Wir sagen also auch einmal Nein! Für einige sind wir deshalb nicht der Paketdienst, mit dem sie alle Pakete versenden, sondern der Dienstleister, über den sie den Premium-Paketversand machen. Das klingt selbstbewusst. Aber lässt sich im B2C-Geschäft wirklich Geld verdienen? Natürlich ist eine Zustellung an private Empfänger ungleich aufwendiger als im gewerblichen Bereich. Hier helfen uns Innovationen wie der Predict-Service. Wenn wir dem Endkunden exakt die Uhrzeit nennen können, wann wir ihm sein Paket ausliefern, stellt er sich darauf ein und ist erreichbar. Das erspart ihm lange Wartezeiten und uns Mehrkosten durch unnötige Zustellversuche. Zum 1. Januar 2015 kommt der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland. Dafür gilt eine "Generalunternehmer-Haftung", wie lösen Sie dieses Problem? Ich finde es gut, dass es mit dem Mindestlohn nun einen branchenweiten Mindeststandard gibt. Wir werden die Vorgaben des Gesetzgebers natürlich umsetzen - und der wird das auch gründlich kontrollieren. Die Bundesregierung hat ja bereits angekündigt, zur Kontrolle des Mindestlohns 1600 zusätzliche Beamte einstellen zu wollen. Und davor ist mir auch nicht bange. Allein in den vergangenen beiden Jahren haben wir 40 Millionen Euro investiert, um die Tragfähigkeit unseres Systempartner-Modells langfristig sicherzustellen. Beim gesetzlichen Mindestlohn bleibt es aber nicht. Darüber hinaus plant, wie Sie wissen, das nordrhein-westfälische Arbeitsministerium aktuell eine Verschärfung der Fahrpersonal-Verordnung. Wenn das in Deutschland tatsächlich kommt, wären zum Beispiel die KEP-Dienste in der Mithaftung, wenn ihre Subunternehmer die Aufzeichnungspflichten, die gesetzlichen Lenk- und Ruhezeiten und die Arbeitszeiten nicht einhalten. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, dass der Gesetzgeber auf ordentliche und faire Arbeitsbedingungen achtet. Dieses Anliegen teilen wir und haben dafür zuletzt viele Maßnahmen umgesetzt. Außerdem haben wir für mehr Transparenz bei den Arbeitsbedingungen der Zusteller gesorgt: Wir können aufgrund unserer operativen Statistiken ermitteln, ob einzelne Touren innerhalb einer vernünftigen Zeit zu machen sind. Letztlich wird aber auch der Staat nicht umhinkommen, selbst die Einhaltung fairer Konditionen zu kontrollieren. Er darf nicht eine einzelne Branche in die Pflicht nehmen, um Aufgaben zu erledigen, die eigentlich der Staat übernehmen müsste. Alternativ zur Zusammenarbeit mit Subunternehmern könnten Sie ja auch mit Uber kopieren. Die Onlineplattform hat ja vor wenigen Wochen in Washington ein Pilotprojekt aufgelegt. Via App vermittelt sie damit Privatleute, die anderen Privatkunden ihre online bestellten Pakete binnen 90 Minuten ausliefern. An diesem Projekt interessiert mich nur, dass auch Uber am Thema Same-Day-Delivery arbeitet. Ebay hat ja auch soeben ein entsprechendes Pilotprojekt in Berlin gestartet. Das zeigt, dass in diesem Geschäft eine sehr interessante Dynamik ist. DPD bietet ja heute schon Same-Day-Delivery über die Kurier-Plattform Tiramizoo, an der wir uns vor einem Jahr mit 20 Prozent beteiligt haben. Wir werden in den kommenden Wochen mit interessanten Kunden diverse Pilotprojekte starten, weil wir davon ausgehen, dass dieser Same-Day-Delivery-Trend sehr nachhaltig sein wird. Die einzige Frage ist nur, wie schnell er sich durchsetzt: Braucht es dafür zehn Jahre oder nur ein, zwei Jahre? Die Sendungszahlen von Tiramizoo sollen sich zumindest sehr schleppend entwickeln. Die Deutschen sind grundsätzlich sparsamer als ihre europäischen Nachbarn. Insofern lohnt sich ein Zustellpreis ab sieben Euro aufwärts nur bei einem Warenkorb von über 100 Euro. Ich bin selbst gespannt, ob sich Same-Day-Delivery im Lebensmittelsegment durchsetzt, weil da die Warenkörbe tendenziell niedrig sind. Im Fashion-, High-Tech- und Life-Style-Segment glaube ich dagegen schon, dass sich Same-Day durchsetzt. Dazu gehört auch, dass Händler stärker ihren lokalen Warenbestand erfassen. Wenn ein Händler nicht weiß, ob ein bestimmter Pullover in einer bestimmten Filiale verfügbar ist, ist es schwer, für diesen ein Same-Day-Produkt zu entwickeln. Mittelfristig bin ich davon überzeugt, dass das Thema Same-Day in Deutschland eine größere Akzeptanz bekommen wird. Wie viele Same-Day-Sendungen macht Tiramizoo derzeit jeden Monat? Mehrere Tausend. Auf den einzelnen Tag heruntergebrochen sind das mehrere Hundert Sendungen - auf die 19 Städte verteilt, in denen Tiramizoo diesen Service anbietet. Welches mittelfristige Wachstumspotenzial sehen Sie in diesem Segment bis 2020? Eine McKinsey-Studie prognostiziert in diesem Segment ein Umsatzvolumen von drei Milliarden Euro in Westeuropa. Aber das muss man abwarten. Wichtiger für uns ist es, Kunden die gesamte Bandbreite an Lösungen bieten zu können, die sie wünschen. Gleichwohl sehe ich für die 90-Minuten-Zustell-Lösung, wie sie aktuell Amazon in UK aufgelegt hat, ein großes Wachstumspotenzial - auch in Deutschland. Andererseits hat Amazon aktuell in UK einen eigenen Zustellservice mit eigenen Fahrzeugen gestartet. Und in Deutschland soll das Unternehmen auch mit einem eigenen Paketdienst in den Startlöchern stehen. Amazon oder auch andere Onlinegrößen werden aus meiner Sicht tatsächlich in einigen Märkten eigene Zustelllösungen aufbauen, in denen die Paketdienste nicht die benötigten Lösungen anbieten. Für Deutschland aber sehe ich diese Entwicklung vorerst nicht. Selbst ein Unternehmen wie Amazon wird sich in Deutschland dreimal überlegen, ob es das besser als ein DPD, Hermes oder DHL kann, da unsere Netze sehr groß und leistungsstark sind. Unser Ansporn muss daher sein, weiterhin sehr gute und wettbewerbsfähige Leistungen zu bieten. Wie hilfreich ist angesichts Ihrer B2C-Offensive der jüngste Zukauf Ihrer Konzernmutter Geopost? Sie hat ja soeben den polnischen Paketdienst Siódemka übernommen. Wir stellen derzeit einen Anstieg im grenzüberschreitenden B2C-Paketgeschäft fest. Und viele Kunden von Siódemka sind kleine und mittlere Unternehmen aus dem B2C-Segment. Deshalb ist diese Akquisition für uns sehr wichtig. Und mit welchen Neuheiten warten Sie 2015 auf? Kommt da zum Beispiel die Sonntagszustellung? Das Thema Sonntagszustellung ist in unserer deutschen Kultur bislang ein Tabu. Andererseits ist die Revolution im E-Commerce so gewaltig, dass ich die Sonntagszustellung in den kommenden fünf Jahren nicht ausschließen möchte. Zumal DHL und Hermes in der Vorweihnachtszeit schon heute an vier Wochenenden auch sonntags Pakete ausliefern. Und wie kommen Sie beim Ausbau Ihrer Paketshops voran? Vor einem Jahr hatten Sie ja angekündigt, die Zahl der Paketshops von 4500 auf 8000 erhöhen zu wollen. In Deutschland sind wir aktuell bei 5000 Paketshops und bis zum Jahresende werden wir die Marke von 6000 Pakethops überschreiten. Zuletzt haben wir zwei große Ketten aus dem Textil- und Modesegment gewonnen. Es geht also voran. Apropos vorangehen: Wie entwickeln sich bei DPD in diesem Jahr überhaupt die Paketmengen und was erwarten Sie 2015? Unterm Strich wachsen wir in 2014 moderat im mittleren einstelligen Prozent-Bereich. Im nächsten Jahr rechnen wir mit einem zweistelligen Wachstum. Größter Wachstumstreiber werden unsere Premium-Services im B2C-Segment sein. Aber auch die Rolle als Marktführer im B2B-Paketgeschäft bauen wir aus, zumal wir in diesem Jahr Baywa als Kunden gewonnen haben und der Vertrag mit Würth verlängert wurde. Die aktuellen Zahlen des Bundesverbandes für Versandhandel und E-Commerce (BEVH) sind da etwas verhaltener. Demzufolge wächst der Umsatz im E-Commerce in diesem Jahr mit acht Prozent nurmehr einstellig. Ist das ein Anzeichen dafür, dass der E-Commerce-Hype wieder abflaut? Die Sommerstatistik zeigt, dass die Wachstumsdynamik tatsächlich zum ersten Mal in Deutschland leicht abflacht. Ich gehe trotzdem davon aus, dass das E-Commerce-Geschäft in Deutschland noch immer am Anfang seiner Entwicklung steht. Auch wenn wir uns alle noch nicht vorstellen können, was da auf uns in Deutschland in den nächsten Jahren zukommt. Denken Sie an die rasante Entwicklung des I-Phones oder auch des I-Pads - beides gab es vor 2007 beziehungsweise 2010 nicht und heute ist es das Normalste der Welt. Letzte Frage: Wann kommt die im Sommer angekündigte Paketbox, die DPD, GLS, Hermes und UPS gemeinsam auf den Markt bringen wollen, und wie sieht diese aus? Wir haben dazu einen Arbeitskreis gegründet und prüfen mit den von Ihnen genannten Unternehmen, wie wir eine gemeinsame, neutrale Lösung schaffen können, die sowohl für alle Zusteller als auch für alle Empfänger zugänglich ist. Das geht voran und vermutlich werden wir erste Versuche dazu Anfang 2015 starten. Mitte 2015 könnte die Lösung also stehen. Vita Boris Winkelmann Boris Winkelmann wurde 1970 geboren und ist seit März 2014 CEO der DPD Dynamic Parcel Distribution GmbH & Co. KG und der DPD Geopost Deutschland GmbH. Nach seinem Management-Studium in Bordeaux/Frankreich schloss er seine Studienjahre mit einem Master of Finance in Madrid/Spanien ab. Zunächst hatte er diverse Management- Positionen bei TNT Express inne, bevor er 1999 zu Geopost, Tochter der französischen Post, wechselte. Danach gründete und führte er mit seinem Bruder unter anderem den Online-Versanddienst Let-Me-Ship, den Informations- und Marktforschungsdienst CEP Research sowie ITA Consulting. Im März 2013 wurde er Chief Operating Officer (COO) von DPD in Deutschland. eh Unternehmen Paket- und Expressdienst DPD DPD in Aschaffenburg zählt mit täglich rund 2,5 Millionen Paketen nach eigenen Angaben international zu den führenden Paket- und Expressdienstleistern. Mehrheitsgesellschafter ist die französische Geopost-Gruppe, eine 100-Prozent-Tochter der französischen Post. DPD erwirtschaftete im Jahr 2013 laut der Studie"Top 100 der Logistik" der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services SCS insgesamt einen Umsatz von 1,535 Milliarden Euro. Zum Umsatz in Deutschland macht das Unternehmen keine Angaben. DPD beschäftigt hierzulande 7500 Mitarbeiter an insgesamt 75 Depots und setzt über 8000 Zustellfahrzeuge ein. Neben seinem B2B-Geschäft will das Unternehmen insbesondere das B2C-Segment stark ausbauen und in diesem Geschäft bis 2018 hierzulande einen Marktanteil von 15 Prozent erreichen. eh

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