"Wir plädieren für eine Maut für alle"

Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an, heißt es in einem Lied von Udo Jürgens. Ist das auch Ihr Motto für die kommende Amtszeit? Es gibt auf jeden Fall eine ganze Menge zu tun in der Amö. Im Möbelspeditionsmarkt befindet sich derzeit viel im Umbruch. Zum Beispiel? Die Verbraucherrechterichtlinie, die letzte Woche in Kraft getreten ist. Wir haben im vergangenen Jahr intensiv an der Anpassung unserer AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) gearbeitet. Darüber müssen wir jetzt informieren. Welche Folgen hat die neue Verbraucherrechterichtlinie für die Möbelspedition? Es ist uns gelungen, die europäische Gesetzesvorlage dahin gehend anzupassen, dass das Widerrufsrecht keine Gültigkeit hat für den Umzug. Das war wichtig, weil bei einem 14-tägigen Widerrufsrecht der Umzug in den 14 Tagen seit Auftragserteilung häufig bereits vollzogen ist. Wenn dann noch ein Rücktritt vom Vertrag möglich gewesen wäre, hätte das fatale Konsequenzen für die Möbelspedition gehabt. Also Erleichterung. Nicht nur das. Derzeit verstecken sich viele Möbelspeditionen im Markt und bieten ihre Leistungen schwarz an. Das wird - so ist unsere Hoffnung - durch die Verbraucherrechterichtlinie zumindest erschwert. Denn wenn die Richtlinie konsequent umgesetzt wird, müssen für jeden Vertrag umfangreiche Pflichtangaben gemacht werden wie Angaben zum Dienstleister oder zum Gesamtpreis der Dienstleistung einschließlich aller Steuern und Abgaben. Natürlich kann der Anbieter hier Angaben machen, die fernab der wirtschaftlichen Vernunft liegen. Aber der Kunde wird sich dann womöglich fragen, ob er diesem Anbieter sein Mobiliar anvertraut. Daher ist unsere Hoffnung, dass die Amö-Mitgliedsunternehmen von dieser Transparenz profitieren. Mit der Schwarzarbeit schlägt sich die Möbelbranche schon länger herum. Hat sich die Lage verbessert? Wir sind weiter bemüht, dieses Problem im Rahmen des Bündnisses gegen Schwarzarbeit, das wir mit dem Bundesfinanzminister geschlossen haben, einzudämmen. Unternimmt der Staat genug? Aus unserer Sicht nicht. Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) hat im Bereich Bau eine Menge getan. Beim Umzug ist das deutlich schwieriger, weil der Ort des Geschehens permanent wechselt. Die Personalausstattung der FKS ist dazu zu gering. Wie hoch ist der Anteil der Schwarzarbeit in der Umzugsspedition? Der dürfte bei 20 Prozent liegen. Laut Hochrechnungen sind das mehr als 100 Millionen Euro jährlich, die an Umsatz in diesen Märkten versickern. Deshalb halten wir an unserer Forderung fest, für den Umzugsverkehr die Zugangsbegrenzung auf Fahrzeuge ab zwei Tonnen Gesamtgewicht abzusenken. Wie reagiert die Politik auf die Forderung? Bei vielen Parlamentariern stoßen wir auf Zustimmung. Allerdings ist es uns noch nicht gelungen, diese Maßnahme in ein Gesetzgebungsverfahren einzubringen. Wie stark ist die Möbelspedition vom neuen Mindestlohn betroffen? Aus meiner Sicht ist das für die meisten unserer Mitgliedsunternehmen kein Thema, weil es sich um eine anspruchsvolle Arbeit handelt, für die die Mitarbeiter mehr als 8,50 Euro erhalten. Es ist die Frage, inwieweit auch die eingesetzten Subunternehmen den Mindestlohn zahlen und inwiefern man als Spediteur in der Lage ist, dies einzufordern oder zu überprüfen. Ein ähnliches Problem gibt es bei den Verträgen mit der öffentlichen Verwaltung. Hier muss man als Anbieter auch gewährleisten, dass der Mindestlohn gezahlt wird. Mir sind jedoch keine Unternehmen bekannt, die über Eigenerklärungen hinaus geprüft wurden. Hinzu kommt, dass es seltsam aussieht, wenn der Staat einerseits die Zahlung des Mindestlohns verlangt, andererseits aber bei einer Ausschreibung dem günstigsten Angebot den Zuschlag gibt, bei dem schnell ersichtlich wird, dass hier kein Mindestlohn gezahlt werden kann. Da macht es sich die öffentliche Hand zu leicht. Wie schwer trifft die Möbelspediteure die geplante Absenkung der LKW-Maut-Grenze von 12 auf 7,5 Tonnen? Davon sind wir betroffen, das ist aber nur ein halber Schritt. Unsere Forderung lautet: Wenn schon Absenkung der Maut, dann richtig. Denn der Bundesverkehrsminister beabsichtigt ja auch die Einführung einer Maut für PKW. Dann gibt es aber zwischen 2,8 und 7,49 Tonnen eine Grauzone, die zu Verwerfungen führen wird. Deshalb plädieren wir für eine Maut für alle. So oder so wird diese zusätzliche Mauterhebung aber beim Verbraucher hängen bleiben. Angesichts der Margen wüsste ich nicht, wie die Möbelspediteure diese Zusatzbelastung tragen sollten. Stark kritisiert hat die Amö die Aussage im Wegekostengutachten, Bundesstraßen und Autobahnen unterschiedlich stark zu bemauten. Herr Dobrindt hat sich jetzt derart geäußert, diesem Vorschlag nicht zu folgen. Sind Sie jetzt zufrieden? Wir sind jedenfalls sehr erleichtert. Allerdings warten wir ab, ob diesen Worten auch Taten folgen. Aber wir heißen den Weg gut und appellieren an den Minister, dabei zu bleiben. Denn ansonsten wären außerordentliche Verteuerungen für die Randregionen in Deutschland die Folge. Während ein Euro-6-LKW auf der Autobahn nur 10,5 Cent pro Kilometer zahlen müsste, wäre für einen Euro-3-LKW auf der Bundesstraße mit 47 Cent fast das Fünffache fällig. Und da viele LKW in der Umzugsspedition deutlich weniger Kilometer fahren als im Fernverkehr, gibt es insbesondere im Regionalverkehr noch zahlreiche Euro-3-LKW in diesem Segment. Letztes Jahr hieß es auf der Amö-Tagung: Das größte Problem der Möbelspedition ist der Fachkräftemangel. Ist das immer noch so? Das wird sich durch die Rentenreform noch verschärfen. Wenn jetzt zusätzlich Mitarbeiter vorzeitig in den Altersruhestand gehen können, wirft das zusätzliche Probleme auf. Und die Rekrutierung des Nachwuchses ist schwierig. Bereitet Ihnen der Ausbildungsgang Fachkraft für Möbel-, Küchen- und Umzugsservice weiterhin Sorge? Aktuell ist die Zahl der Auszubildenden leicht gestiegen und die Zahl der Abbrecher hat etwas abgenommen. Aber die Zeiten, in denen es eine Auswahl von qualitativ guten Bewerbern in Lehrberufen gab, sind vorbei. Wir müssen uns mehr Gedanken machen, wie wir unsere Arbeitsplätze attraktiver machen. Ein Mittel ist eine bessere Bezahlung. Führt in der Möbelspedition an der Erhöhung der Gehälter kein Weg vorbei? Wenn der Verbraucher bereit ist, die Kosten zu zahlen, machen wir das gerne. Es wird uns auf Dauer aber auch keine andere Möglichkeit bleiben, wenn ich mir die Lage bei den Fahrern ansehe. Die Fahrerknappheit wird dazu führen, dass Fahrer abgeworben werden und dabei auch höhere Löhne als Lockmittel zum Einsatz kommen. Eine Möglichkeit, sich besser darzustellen, ist Ihr Umzugsportal umzug.org. Wie wird das Portal von Ihren Mitgliedern angenommen? Es wird gut angenommen, aber wir wollen es noch weiter entwickeln und optimieren. So müssen wir bei unseren Mitgliedern noch dafür werben, dass sie ihre eigenen Daten pflegen. Wir wissen auch noch nicht genau, wie stark die Verbraucher das Portal nutzen. Zwar erfassen wir die Seitenaufrufe. Aber da wir alle Kommunikationsdaten der Unternehmen offenlegen, kann der Verbraucher direkt die Unternehmer kontaktieren. Somit haben wir keine Aussagen über erfolgreiche Kundenabschlüsse. Beginnend mit dem zweiten Halbjahr 2014 wollen wir die Bekanntheit des Portals erhöhen, um mehr Verbraucher auf diese Homepage zu lenken. Wer auf einer Immobilien-Homepage eine Wohnung sucht, bekommt dort auch eine Möbelspedition angeboten. Warum sollte der zu Umzug.org wechseln? Wir haben mehrere Vorteile gegenüber den anderen Portalen: Wir lassen die Speditionen prüfen. Und nur wer geprüft wurde, ist auf dem Portal. Wir sind transparent. Und der Verbraucher ist Herr des Verfahrens: Er wählt die Möbelspedition aus. Anders als bei den Immobilienportalen, wo der Betreiber des Portals dem Interessenten eine begrenzte Zahl von ihm nicht bekannten Speditionen vorgibt. Wie will die Amö das Portal bekannter machen? Wir werden im zweiten Halbjahr eine Werbekampagne starten und dazu auch Geld in die Hand nehmen. Auch im Möbelhandel gewinnt das Internet immer mehr an Bedeutung. Wie wirkt sich das auf die Neumöbellogistik aus? Es wird weniger Auslieferungspunkte geben und der stationäre Einzelhandel wird an Bedeutung verlieren, sodass der Möbelspediteur immer häufiger als Partner des Online-Händlers oder Herstellers zum Kunden ausliefern wird. Sprechen künftig nur noch die großen Möbelhersteller und Online-Portale mit den großen Möbelspeditionen ? Nein, das ist keine Bedrohung für die kleinen Unternehmen. Der Onlinehandel mit Möbel wächst derzeit zweistellig. Auslieferkapazitäten werden zunehmend nachgefragt. Die Online-Möbelplattformen werden dazu die Möbelspediteure benötigen. Die Kapazitätsgrenze der Auslieferdepots unserer Mitgliedsunternehmen ist aber bereits jetzt teilweise überschritten, weil die Unternehmen nicht mit dem Aufbau hinterherkommen. Die Branche profitiert also insgesamt. Man muss sich allerdings entsprechend positionieren. Wie kann man sich positionieren? Man braucht gutes Personal. Wer für einen Hersteller hochwertige Möbel ausliefert, muss über entsprechendes Know-how verfügen: Das betrifft nicht nur den Transport oder den Einbau vor Ort, auch eine gute Sozialkompetenz muss vorhanden sein. Denn der Möbelspediteur ist dann der Repräsentant des Lieferanten beim Kunden. Das kostet Geld. Selbstverständlich. Deshalb ist dieses Know-how auch nicht für einen Dumpingpreis erhältlich. Diese Logistik kostet etwas. Eine Zustellpauschale, wie sie in vielen anderen Bereichen des Online-Handels gezahlt wird, ist nicht ausreichend. Auch die Frage der Retouren ist wichtig. Wenn der Kunde ein Möbelstück wieder zurückgibt, muss der Spediteur es so zurückholen, dass es wieder in den Verkaufsprozess eingesteuert werden kann. Da brauche ich Mitarbeiter, die mit der Ware umgehen können. Zur Behebung der Probleme an den Rampen gibt es die Initiative Zimlog. Um die ist es aber zuletzt still geworden. Die Zukunftsinitiative Möbellogistik (Zimlog), bei der Möbelhandel, -spediteur und -industrie an einem Tisch sitzen, wird fortgeführt. Wir hatten zunächst Abstimmungsbedarf unter den Verbänden, wer übernimmt welchen Part, wer finanziert was. Ergänzend gibt es Arbeitsgruppen auf anderer Ebene. Wir haben beispielsweise einen Arbeitskreis mit einem der großen Möbelhändler, in dem es darum geht, die technischen Standards zu entwickeln. Wie geht es mit Zimlog weiter? Wenn alles normal läuft, werden wir im zweiten Halbjahr 2014 einen Folgeauftrag an die Unternehmensberatung erteilen, die Zimlog betreut. Bis Jahresende hoffen wir, weitere Ergebnisse zu haben. Was könnten konkrete Verbesserungsmaßnahmen sein? Wir haben das Thema des sozialen Umgangs auf der Tagesordnung. Dann wollen wir das Problem "Standardisierung" angehen, um darüber die Schnittstellen zu optimieren. In der Branche gibt es kaum Standards und es werden beispielsweise Lieferscheine zum Teil noch per Fax verschickt. Und wir wollen auch Empfehlungen geben für die Einrichtung der Rampen selbst: Was soll in welchem Umfang zur Verfügung gestellt werden und was ist bei Aus- oder Neubauten zu berücksichtigen. Vita Gert Hebert Seit 2005 ist Gert Hebert der Präsident des Bundesverbandes Möbelspedition und Logistik (Amö). Auf der diesjährigen Mitgliederversammlung des Verbandes wurde er ohne Gegenstimme in seinem Amt für weitere drei Jahre bestätigt.Der gebürtige Berliner, 1947 geboren, hat nach seinem Abitur ein Volontariat bei der Hamburger Möbelspedition Klingenberg gemacht. Anschließend ist er in das väterliche Unternehmen eingestiegen und hat eine Ausbildung zum Speditionskaufmann abgeschlossen. 1976 wurde er Mitgesellschafter des Unternehmens. Seit 1993 ist er alleiniger Gesellschafter der Spedition, die sich auf das Umzugs- und Möbellagerungsgeschäft konzentriert. Hebert beschäftigt 30 Mitarbeiter. Die acht LKW im Fuhrpark sind alles Euro-5-oder EEV-Fahrzeuge. cd Die Amö Mölo findet im Juni 2015 statt Der Bundesverband Möbelspedition und Logistik ist hervorgegangen aus der 1881 gegründeten Arbeitsgemeinschaft Möbelspedition (Amö). Über die 18 regionalen Mitgliedsverbände sind über 900 Möbelspeditionen in der Amö vertreten.Der Verband ist Mitglied bei der europäischen Dachorganisation der Möbelspediteure Fedemac. Er ist zudem Initiator der Internationalen Fachmesse für Möbellogistik, Umzugsspedition und Service (Mölo), die alle zwei Jahre in Kassel stattfindet und im nächsten Jahr vom 18. bis 20. Juni ausgerichtet wird. cd

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